Geschichte der Sternwarte von Kremsmünster
von P. Ansgar Rabenalt, 1958


GESCHICHTE DER STERNWARTE
VON
KREMSMÜNSTER
EINE KURZE ZUSAMMENFASSUNG ANLÄSSLICH DES
200JÄHRIGEN JUBILÄUMS
von
Prof. Dr. P. Ansgar Rabenalt
Direktor der Sternwarte


Dem Benediktinerkloster von Kremsmünster wurde bei seiner Gründung durch den Bayernherzog Tassilo im Jahre 777 als Hauptaufgabe die Ausbreitung und Befestigung der christlich-germanischen Kultur an der Grenze seines Herzogtums zugewiesen. Außerdem wurden im Sinne der Ordensregel Unterricht und Wissenschaft gepflegt. Aus der Klosterschule ging 1549 das Gymnasium hervor. Schon frühzeitig findet man Spuren der Beschäftigung mit mathematischen Wissenschaften, für die man im 17. Jahrhundert eine besondere Vorliebe zeigte. Diese wissenschaftlichen Bestrebungen wach zu erhalten, trug auch das Studium an der Salzburger Benediktiner-Universität nicht wenig bei.
Schon im 17. Jahrhundert beschäftigte sich P. Aegid Eberhard de Raittenau, ein Mitglied des Stiftes, viel mit Geometrie, Baukunst und Gnomonik. Er verfertigte selbst eine Reihe von Instrumenten, die uns erhalten geblieben sind und die er aufs genaueste beschrieb und zeichnete 1).
Bei einer Versammlung von Benediktiner-Äbten in Salzburg um 1740 brachte der gelehrte P. Anselm Desing O. S. B. aus Ensdorf bei Amberg in Bayern die Erbauung eines „mathematischen Turmes" in Salzburg oder in einem der Klöster in Anregung. Alexander Fixlmillner, Abt von Kremsmünster, der sich schon mit dem Gedanken trug, eine philosophisch-juridische Anstalt für adelige Zöglinge (Academia Nobilium) zu eröffnen, griff diesen Gedanken voll Freude auf und begann im Herbst 1740 einen Bau über der jetzigen Einfahrt in den Prälatenhof, in dem die unteren Räume Unterrichtszwecken, die obersten aber der Sternkunde dienen sollten. Leider zwangen ihn finanzielle Schwierigkeiten, die hauptsächlich der österreichische Erbfolgekrieg herbeiführte, das Gebäude ohne die Sternwarte unter Dach zu bringen.
Inzwischen wurden die teils schon vorhandenen, teils angekauften oder selbst verfertigten Lehrmittel für Astronomie, Mathematik, Physik, Geographie und Naturgeschichte in einem geräumigen Saale „die mathematische Stube" untergebracht. Zur Erteilung des Unterrichtes aus Mathematik und Physik wurde im Dezember 1746 auf Desings Anraten P. Eugenius Dobler, ein Benediktiner aus Irsee, berufen.
Schon 1748 wurde nach neuen Plänen Desings zur 200. Jubelfeier der Errichtung des Gymnasiums an einer günstigeren Stelle der Bau der jetzigen Sternwarte, früher nur „mathematischer Turm" genannt, begonnen. Neben wissenschaftlichen waren es auch noch ideelle Gründe, die Abt Fixlmillner bewogen, die Erbauung der Sternwarte zu beginnen, nämlich der armen Bevölkerung gerade in jener Zeit der Not, Arbeit und Brot zu verschaffen.
Nach Überwindung mancher Hindernisse technischer und finanzieller Natur (ein Einsturz) konnte der Abt auch noch die Freude erleben, sein Werk 1758 vollendet zu sehen.
Neben Anselm Desing, der die Pläne für den Bau lieferte, verdient sein intimer Freund, der damalige Stiftsschaffner P. Nonnosus Stadler, der den Bau der Sternwarte leitete und überwachte, besonders hervorgehoben zu werden. Theodorich Hagn 2) sagt über ihn: „Man darf kühn behaupten, daß von dem vielen Trefflichen, was unter dem Abte Alexander Fixlmillner durchgeführt wurde, er die Haupttriebfeder war. Alle Pläne besprach er aber früher mit seinem Freunde, dem gelehrten Anselm Desing."
Das turmartige Gebäude der neuen Sternwarte erhielt, um einen freien Horizont zu gewinnen, acht Stockwerke mit einer Gesamthöhe von 50 Metern; an den Mittelbau, gleichsam den Instrumentenpfeiler, schließen sich zwei Seitenflügel mit fünf Stockwerken; der rechteckige Grundriß mißt im Erdgeschoß 28 und 18 Meter. Die Grundfesten liegen auf Felsen, etwa 50 Meter über der Talsohle.
Die Einrichtung der „mathematischen Stube" wurde im Verlaufe der nächsten Jahre in die hohen Räume des „mathematischen Turmes" übertragen. Dorthin kamen auch die bisher in verschiedenen Lokalitäten befindlichen Gemälde, Schnitzereien, Antiquitäten usw.
Das älteste geometrische Instrument, das unsere Sternwarte besitzt, trägt die Jahreszahl 1570 3). (Ein Himmelsglobus stammt sogar aus dem Jahre 1565.) Es ist eine Art Universalinstrument. Es besteht aus einem Horizontalkreis von Holz mit einer Vertiefung für die Magnetnadel und einem eingelegten Limbus aus Elfenbein. Die Peripherie ist in Grade mit Unterabteilungen geteilt. Vom Zentrum aus gehen zwei bewegliche Arme aus Elfenbein zur Peripherie zur Messung des Azimutalwinkels. Weiters ist im Zentrum eine vertikale Achse mit einzuhängendem Vertikalkreis und einem Pendel zur Messung von Höhenwinkel.
Das nächstälteste Werk der Mechanik ist eine prachtvolle Kunstuhr, die die Jahreszahl 1588, vom Namen des Verfertigers aber nur die Anfangsbuchstaben I. E. (oder I. F.) trägt. Sie ist mit einem Stunden- und Viertel-Schlagwerk und einem Wecker versehen. Sie hat vier fein ziselierte, gut vergoldete Ziffernblätter. An der vorderen Seite spielen, auf dem Hauptzifferblatte, ein längerer schwarzer Zeiger, der Minutenzeiger; zwei vergoldete Zeiger: Der Index solis oder Stundenzeiger, mit einer Umdrehung von zweimal 12 Stunden, und der Index lunae, korrespondierend mit dem Zeiger am Zifferblatt der Rückseite der Uhr, und dort die Monatstage und durch eine kleine Öffnung die Mondesviertel weisend. Endlich ein kürzerer schwarzer Zeiger, am Tierkreise spielend, gegen die Ordnung seiner Zeichen in 18 1/2 Jahren seinen Umlauf machend und so den Gang der Knotenlinie zeigend. Unter dem Hauptzifferblatte derselben vorderen Seite ist rechts ein kleines Zifferblatt, um den Wecker zu richten, links ein Kreis, die Planeten der Wochentage zeigend. — Das Zifferblatt auf der linken Seite der Uhr zeigt die geschlagenen Stunden, das auf der rechten Seite der Uhr die geschlagenen Viertel. — Das Zifferblatt auf der Rückseite der Uhr enthält auf einer Seite nur ein halbes Jahr, auf der entgegengesetzten Seite das andere halbe Jahr, muß daher zu gehöriger Zeit umgesteckt werden.
Diese beiden ältesten Instrumente sind im neueingerichteten astronomischen Kabinett ausgestellt.
Nach dieser kurzen Abschweifung zur Beschreibung der ältesten Geräte der Sternwarte wieder zurück zum Gebäude selbst.
Die obersten Räume waren ganz der Astronomie gewidmet. Die erste Einrichtung, die Dobler teilweise aus Paris mitgebracht hatte, bestand aus Quadranten, parallaktischen Instrumenten und einigen astronomischen Uhren.
Der Zweck, der dem Erbauer dieses Musentempels vor Augen schwebte, ist auf der Inschrift über dem Portale mit den schlichten Worten ausgedrückt: „Ad gloriam Altissimi bonarumque disciplinarum ornamentum."


1. P. Placidus Fixlmillner (Direktor 1758—1791)

Nach Doblers Rückkehr in sein Mutterstift im Jahre 1762 wurde P. Placidus Fixlmillner, der Neffe des Abtes Alexander, zum Direktor der Sternwarte ernannt. Er war bisher Regens der Ritterakademie und Lehrer des kanonischen Rechtes.
Mit klarem Verständnis und großer Energie ging er sofort daran, die vorhandenen Instrumente für die Beobachtung brauchbar einzurichten und selbst neue Instrumente (bewegliche und feste Quadranten, Zenithsektor u. a.) nach den besten Mustern unter Beihilfe eines durch ihn herangebildeten Mechanikers, eines früheren Zimmermanns, zu bauen. Dieser, Johannes Illinger, arbeitete in den Jahren 1758—1800 für unsere Sternwarte. Im Volksmunde hieß er „der Thurmhansl". Er starb, 77 Jahre alt, am 1. Dezember 1800 und wurde von P. Thaddaeo Derflinger Astronomo loco Parochi begraben. Sein Porträt, in derselben Größe und von demselben Meister gemalt wie das Fixlmillners, findet sich noch in der Sternwarte 4). Auf diese Weise war Fixlmillner bald imstande, in Beobachtung von Fixsternen und Sternbedeckungen, von Sonnenflecken, Finsternissen, Kometen und Planeten, unter ihnen der neu entdeckte Uranus, mit den besten Observatorien seiner Zeit zu wetteifern.
Sämtliche astronomische Instrumente waren im hohen Beobachtungssaale (6. und 7. Stock) angebracht, der durchgehend mit Marmor gepflastert ist. Die Meridianlinie ist in der Pflasterung eigens hervorgehoben. An den Beobachtungssaal schließen sich außen zwei offene Altane, einer gegen Süden, der andere gegen Norden, um in manchen Fällen, besonders wenn lange Fernrohre zu benutzen waren, die Beobachtungen zu erleichtern.
Zum astronomischen Rüstzeug gehören neben den Instrumenten auch gute Uhren. Zur Zeit Fixlmillners waren vorhanden: eine vortreffliche Pariser Uhr von Passemant im Louvre, nach mittlerer Sonnenzeit gehend, die schon Dobler angekauft hatte, und eine andere Pendeluhr von Johannes Illinger, die die Sternzeit angab.
Auf einige Beobachtungen Fixlmillners soll noch näher eingegangen werden.
Am 1. April 1764 beobachtete er die in ganz Europa sichtbare Sonnenfinsternis und verglich dann seine Beobachtungen mit denen von London, von Madrid, wo die Finsternis ringförmig war, und von Berlin. Seine Resultate stimmten genauestens mit denen, die die berühmtesten Beobachter und Rechner (z. B. Du Sejour) damals ermittelten, überein.
Dieser Beobachtung war am 17. März die Beobachtung einer Mondesfinsternis vorangegangen. Er verglich auch diese mit den Resultaten anderer Orte. Indem er dann die bekannten Meridiandifferenzen dieser Orte mit Paris und dieselben Differenzen mit Kremsmünster verglich, erhielt er die Meridiandifferenz zwischen Paris und Kremsmünster als Mittel aus allen Beobachtungen: 11° 40' 36". Er hatte damit die bedeutend fehlerhafte Angabe der Lage Kremsmünsters auf den bisherigen geographischen Karten nachgewiesen. („Nihil dubitabam, quin crassum tabularum geographicarum errorem perspicue ostenderim.")5). Er vermutete, daß es diesem Umstande zuzuschreiben sei, daß man nach Bekanntwerden seiner Resultate in Paris meinte, Kremsmünster sei noch in Bayern, ja in der Nähe von München. (Journal des Scavans pour l'année 1766, pg. 372, Paris.)
Für astronomische Zwecke hielt Fixlmillner auch diese Resultate noch für zu ungenau und verbesserte sie ständig, so z. B. durch Beobachtung der Sonnenfinsternis vom 3. Juni 1769.
Von den selbständigen größeren Beobachtungen Fixlmillners verdienen besonders erwähnt zu werden die Berechnung der Sonnenparallaxe aus dem Venusdurchgang im Jahre 1769 und seine Berechnung der Bahn des Uranus. Dreimal machte er sich daran, die Elemente der Uranusbahn zu verbessern und teilte sie dann in den Berliner Ephemeriden 1787 der gelehrten Welt mit. Er sah die wunderbare Übereinstimmung seiner Elemente mit allen Beobachtungen, die ihm nur zur Verfügung standen und berechnete — zuerst nur für seinen eigenen Gebrauch — Tafeln, die sich bald der kaiserliche Astronom Hell ausbat, um sie in den Wiener Ephemeriden zu veröffentlichen. Fixlmillners Tafeln übertrafen alle bis dahin berechneten an Genauigkeit. (De la Lande in seinem Briefe an Fixlmillner vom 27. September 1786: „M. de Zach ecrit que dans des observations du mois de Janvier vos elemens vont mieux que ceux qui ont servi pour les tables de Herschel, qui sont dans la connaissance des temps.")
Von den theoretischen Arbeiten Fixlmillners darf eine nicht unerwähnt bleiben, nämlich diejenige, mit der er sich in den letzten Jahren seines Lebens besonders befaßte: über die Aberration des Lichtes beim Vorübergang eines Planeten vor der Sonnenscheibe. Im Archiv besitzen wir eine ausführliche Korrespondenz darüber, zwischen Fixlmillner einerseits und Hell und Triesnecker andrerseits. Am 13. August 1789 schrieb Fixlmillner an Hell: „Cum denuo visibilem Mercurii transitum ante discum solis calculi astronomici praesigiant, patere, ut meas hic considerationes circa aberrationem in similibus Veneris et Mercurii in sole apparitionibus adhibendam negligendamve subjiciam, quae difficultas ut video astronomorum peritissimos quosdam in diversas distraxit sententias."
Seine Untersuchungen sind enthalten in seinen „Acta Astronomica", pg. 448—465, unter dem Titel „De effectu aberrationis, dum planeta inferior ante discum Solis visibiliter transit."
Alle seine Beobachtungen hat er in den Handschriften „Meridianus Cremifanensis" (1765), „Decennium astronomicum" (1776) und „Acta Astronomica" (1791) niedergelegt. Sie fanden rühmlichste Anerkennung.
Le Journal des Scavans pour l'année 1766, pg. 373 (s. o.) schreibt: „Cet ouvrage nous apprend le nouvel établissement d'un Observatoir a l'Abbaye de Cremsmunster pres de Munich; le resultat de cet Ouvrage est que la latitude de l'Observatoir est de 48 degree 3 minutes 36 secondes, et qu'il est à d'Orient de Paris 46 minutes 42 secondes de temps; mais a cette occasion le P. Fixlmillner rapporte beaucoup d'observations Astronomiques et de calculs qui paroissent tresbien faits; les Astronomes Francois y verront avec plaisir que leur Ouvrages sont lüs et leurs methodes employes dans des Pays où pendant long-temps leurs noms étoient a peine connus et que le gout des Sciences les plus abstraites fait des progres continuels.
Er stand mit den größten französischen und deutschen Astronomen in brieflichem Verkehr. Seine gesamte Korrespondenz wird im Archiv der Sternwarte aufbewahrt, darunter auch mehrere Briefe von De la Lande, der Fixlmillner zu seinen Beobachtungen gratuliert.
Mit dem Jahre 1763 begannen auch regelmäßige meteorologische Aufzeichnungen, die sich vorläufig auf die Angabe der Temperatur, des Luftdruckes und der Beschreibung des allgemeinen Witterungszustandes beschränken.
Um 1771 schaffte er die magnetischen Instrumente von Brander in Augsburg an, mit denen von Zeit zu Zeit Messungen gemacht wurden. Sie sind noch heute im astronomischen Saale der Sternwarte aufbewahrt.
Hatte Placidus' Onkel, Abt Alexander Fixlmillner, einen dauerhaften Turm aus Steinen errichtet, so hatte er selbst den Grund zu einem geistigen Bau gelegt, dessen zeitgemäße Fortsetzung sich alle Nachfolger angelegen sein ließen, wobei sie von den jeweiligen Äbten stets eine materielle und moralische Stütze erhielten.
Ein solcher Theologe (Lehrer des kanonischen Rechtes), Pädagoge (Regens der Ritterakademie) und berühmter Astronome wie Placidus Fixlmillner, muß auch als Mensch, als Christ und nicht zuletzt Benediktiner seine Würdigung finden.
All seine Briefe und Schriften sind durch eine übergroße Bescheidenheit ausgezeichnet. Sie findet sich besonders in der Einleitung zu seinen großen Werken „Meridianus", „Decennium", „Acta Astronomica", mit der er diese Werke der Öffentlichkeit übergibt. Das kaiserliche Dekret, das in schmeichelnden Worten die Annahme der Dedikation seiner „Acta" enthält, teilte er niemandem mit. Es wurde erst nach seinem Tode von P. Laurenz Doberschitz gefunden. Doberschitz nennt ihn geradezu „capacem ad omnia solius incapacem superbiae 6)".
Seine Frömmigkeit war schon in jungen Jahren so groß, daß er von seinen Mitschülern zum Präfekten der Marianischen Studentenkongregation gewählt wurde. Sechs Betrachtungen, die er als Priester mit der Marianischen Sodalität hielt, sind noch vorhanden. Von Rom erhielt er die Meßlizenz für die kleine Kapelle im obersten Stockwerke der Sternwarte. Täglich las er um halb sieben Uhr morgens die heilige Messe, und noch in den letzten Wochen vor seiner Todeskrankheit schleppte er sich zum Chorgebete. Sein „Meridianus" schließt mit dem Gebete: „Interea haec sunt, quae ut summo elegantissimi huius ordinis conditori, qui lumen est non deficiens nec vere sibi famulantes tenebris immergi patietur, ad aeternam vergant gloriam tot votis quot numeris ac literarum apicibus desidero."
Die Würdigung eines solchen Lebens findet sich ausgesprochen in einem Briefe Kardinals Garampi (e monte Falisco, 14. September 1791) an unseren P. Coelestin Schiermann, anläßlich Fixlmillners Tode: „Tristis admodum mihi contigit nuntius de obitu P. Placidi Fixlmillner; deprehendo etenim eximium hinc defuisse ornamentum et ordini suo et Astronomorum reipublicae. Summa vero, qua pollebat, Religio et pietas illuc eum traxisse confido, ubi et corporis oculos et animi desideria constanter figebat."

2. P. Thaddäus Derfflinger (1791—1824)

Er war Schüler und Mitarbeiter seines Vorgängers und arbeitete nach dessen Tode als sein Nachfolger im Direktorate der Sternwarte in seinem Sinne weiter. Allerdings war ihm durch die Ungunst der Verhältnisse nicht derselbe glänzende Erfolg beschieden. Die größten Störungen bereiteten die wiederholten Durchzüge der Franzosen. Teils direkt durch die Kriegswirren, teils indirekt durch die finanzielle Krise, in die das Stift gestürzt wurde und von der es sich erst nach einem halben Jahrhundert nur schwach erholte. Außerdem befiel ihn sehr bald ein Augenleiden, wodurch er die astronomischen Arbeiten weitgehendst einschränken mußte. Doch wurden die meteorologischen und astronomischen Beobachtungen unter seiner Leitung anfangs von zwei weltlichen Gehilfen und später durch jüngere Stiftsmitglieder, P. Benno Waller und P. Bonifaz Schwarzenbrunner, fortgeführt. Die meteorologischen Beobachtungen fanden eine bedeutende Ausweitung durch Vermehrung der Beobachtungstermine, durch Einführung der Niederschlagsmessung (1820), der Verdunstungsmessung (1821), durch genauere Angaben über Wind, Wolken usw.
Die astronomischen Instrumente wurden teils verbessert, teils wurden neue angekauft, so z. B. ein Vollkreis von Reichenbach im Jahre 1813.
Von großer Wichtigkeit war die Mitwirkung der Sternwarte bei der Landesvermessung 1806, und besonders bei der Bestimmung des Längenunterschiedes Wien—München 1820.
Von Derfflingers Korrespondenz sind uns die Konzepte seiner Briefe, die bis 1807 zurückgehen, erhalten. Am interessantesten sind die mit Alois David, Canonicus des Prämonstratenser-Stiftes Tepl in Böhmen, der seit 1800 Direktor der Prager Sternwarte war. Es sind 111 Briefe Davids erhalten. Derfflinger verständigte David besonders von seinen Beobachtungen von Sternbedeckungen, die für die geographischen Ortsbestimmungen, die David in Böhmen durchführte, von Wert waren. Illinger verfertigte für David mehrere Geräte und David überläßt ihm einen der hiesigen Quadranten. Wesentlich unterstützte er David bei den wiederholten Versuchen auf dem Pöstlingberg bei Linz, durch Blickfeuer die Meridiandifferenz zwischen München und Wien festzulegen, wodurch er selbst auch gleichzeitig den Vorteil hatte, diese Differenz zwischen Kremsmünster und den erwähnten Städten festlegen zu können.
David zeigte sich erkenntlich durch die Besorgung und Zusendung von Instrumenten, so z. B. des Vollkreises von Reichenbach in München.
Erwähnung verdienen ferner die sechs Briefe Littrows aus den Jahren 1821—1823. Sie geben Zeugnis von dem Leben auf der Wiener Sternwarte, eine neue sollte gebaut werden, Instrumente seien schon bestellt, die „Annalen" sollen wieder auf kaiserliche Kosten erscheinen. Die gegenseitige Mitteilung über Sternbedeckungen bildet den Hauptinhalt dieser Korrespondenz. Eine persönliche Stelle aus Littrows Brief vom 10. Juni l822 sei angeführt: „Der Ueberbringer dieses Briefes ist Herr Grinzenberger, Adjunct der Wiener Sternwarte, ein sehr braver und geschickter Mann, und das Bürschgen, das ihn begleitet, ist mein Sohn Karl, ein geborener Asiate. Ich bitte beide gütig aufzunehmen und ihnen, wenn es Ihnen anders nicht lästig fällt, Ihre schöne Sternwarte zeigen zu lassen." (Der hier erwähnte Sohn Karl ist Karl L. von Littrow, geb. 1811 zu Kasan; er wurde 1840 Direktor der Wiener Sternwarte.)
Außerhalb der damaligen Monarchie korrespondierte Derfflinger besonders mit Bode in Berlin, Freiherrn von Zach in Gotha und Stark in Augsburg.

3. P. Bonifaz Schwarzenbrunner (1824—1830)

Er war ein Mann von reichen Kenntnissen in allen Wissenschaften und ein ungemein fleißiger Beobachter. Anfangs mußte er sich allerdings noch mit den überkommenen, vielfach schon veralterten Instrumenten behelfen. Er verwendete viel Zeit und Mühe auf ihre Verbesserung.
Am 24. Juni 1826 besuchte S. M. der Kaiser Franz I. unsere Sternwarte, und durch seine Freigebigkeit kam Schwarzenbrunner in den Besitz eines zweischuhigen Meridiankreises und eines zwölfzölligen Theodoliten. 1828 erhielt er aus dem Nachlasse des Obersten Fallon eine ausgezeichnete astronomische Pendeluhr von Jürgensen. Das von ihm bestellte Äquatoriale kam erst nach seinem allzufrühen Tode (1830) hier an.
Von seiner wissenschaftlichen Tätigkeit zeugen die in der Stiftsbibliothek aufbewahrten acht Bände, von je wenigstens 400 Seiten „Vorarbeiten zu einer Geschichte Kremsmünsters". Er arbeitete fortwährend an seiner eigenen mathematischen Fortbildung. Seine Manuskripte zeigen das Streben, den Schülern der Humanitäts-Klassen das Fach Mathematik, das er damals vortrug, so klar und interessant als möglich zu machen.
Derselben Liebe zur Jugend und zum Fache entsprangen die zwei Arbeiten: „Elementa Arithmeticae in usum studiosorum Iae et IIae Humanitatis classis in linquam latinam translata", und „Elementorum Euclidis libri IV".
Im Jahre 1812 war nämlich ein Dekret erschienen, daß von nun ab die Arithmetik und die Elemente Euklids in den beiden Humanitäts-Klassen lateinisch vorgetragen werden sollten. Schwarzenbrunner übersetzte daraufhin die deutschen Lehrbücher ins Lateinische. Diese Übersetzung wurde an die k. k. Studien-Hofkommission in Wien gesandt und zur Verfügung gestellt. Sie kam (vielleicht ungelesen) zurück mit der Bemerkung, daß man eine Übersetzung nicht nötig fände. Trotzdem erschien 1816 eine fast wörtliche Übersetzung von einem Wiener Professor, die dann allgemein vorgeschrieben wurde.
Als Physikprofessor verfaßte er einen Quartband mit 536 klein beschriebenen Seiten mit dem Titel: „Erläuterungen zu den Elementis Physicae mathematico-experimentalis Remigii Döttler." Das Motto war: Multa rogare, rogata tenere, retenta notare. Diese Schrift ist in deutscher Sprache abgefaßt. Seine „Notae ad Elementa Physicae R. Döttler", 516 Seiten, sind lateinisch geschrieben.
Seine Vielseitigkeit zeigt eine 414 Seiten in Quart umfassende Handschrift: „Versuch einer Vereinfachung der Musikzeichen und eine kurze Geschichte der Musik 7)".
Von seinen astronomischen Arbeiten wurden „Adnotationes aliquae astronomiam practicam concernentes", Tom. I. und II. schon verfaßt, als er noch Schüler und Mitarbeiter Derfflingers war. Die Fortsetzung im Tom. III. und seine Auszüge und Bemerkungen zu La Landes Astronomie fallen schon in die Zeit, da er die Leitung der Sternwarte übernommen hatte.
So wie sein Vorgänger hielt auch er eine reiche und weite astronomische Korrespondenz aufrecht. Sie ist in drei Quartbänden im Archiv der Sternwarte aufbewahrt. Mit Bode in Berlin blieb er in Verkehr bis zu dessen Tode. Nachher sandte er seine Aufsätze an Schumacher in Altona. Auch mit David in Prag setzte er den brieflichen Verkehr fort. Die bei weitem umfangreichste und wissenschaftlich bedeutendste Korrespondenz aber führte er mit dem schon erwähnten Littrow in Wien. Ein Brief von Josef Fraunhofer in München behandelt astronomische Instrumente, die Schwarzenbrunner bezog (einen vierschuhigen Achromaten, einen Kometensucher). Die Korrespondenz mit A. Jaworski, Werkmeister im k. k. polytechnischen Institut in Wien, bezieht sich auf den Meridiankreis, den Jaworski für unsere Sternwarte ausgeführt hat. (Geschenk des Kaisers Franz. Siehe oben.)
Schwarzenbrunners astronomische Tätigkeit betraf die Bestimmung der Lage der Sternwarte für den Ort des Meridiankreises, Sternbedeckungen, Verfinsterung der Jupitertrabanten, Kometenbeobachtungen und Beobachtungen von Sonnenflecken. Die meteorologischen Beobachtungen wurden sorgfältigst fortgesetzt und von 1829 an wurden monatliche regelmäßige Beobachtungen der magnetischen Deklination gemacht.

4. P. Marian Koller (1830—1847)

Unter Bürgs Leitung widmete er sich in Wien dem Studium der höheren Mathematik und trat 1816 in unser Stift ein. Bald fand er als Professor der Mathematik, Physik und Naturgeschichte Verwendung. Nach Schwarzenbrunners Tod übernahm er die Leitung der Sternwarte.
Seine erste Arbeit galt der Rektifizierung der neuen Instrumente, wobei ihm die Freundschaft mit Stampfer (Professor und Geodät in Wien), einem ebenso gefälligen wie praktischen Manne, sehr zustatten kam. Anschließend beobachtete er Kometen, Planeten und Fixsterne. 1837 und 1838 unternahm er auf Einladung der britischen astronomischen Gesellschaft die Neubestimmung der Positionen von 208 Fixsternen. Als Mitarbeiter hatte er 1830—1836 P. Wolfgang Danner, vom November 1834 an P. Augustin Reslhuber und vom Oktober 1840 an P. Sigmund Fellöcker, der unter seiner Anleitung das sternenreiche Blatt VII der Berliner akademischen Sternkarten mit der ihm eigenen Sorgfalt anfertigte.
Von großer Wichtigkeit waren auch die persönlichen Beziehungen Kollers zu hervorragenden Gelehrten, die durch seine Reisen nach Italien, Frankreich und England angeknüpft und durch einen herzlichen Briefwechsel rege erhalten wurden. Ein engerer Freundeskreis bildete sich in Wien aus.
Es war sein Verdienst, daß in unserer Sternwarte ein magnetisches Observatorium errichtet wurde (1838), das er mit Gauss'schen Instrumenten ausrüstete.
Neben astronomischen und erdmagnetischen Beobachtungen veröffentlichte er auch klimatologische Arbeiten und einige theoretische Abhandlungen.
Am 30. Oktober 1847 erfolgte die Ernennung Kollers zum k. k. Regierungsrat, Referenten für die philosophischen Studienanstalten bei der k. k. Studienhofkommission und Präses der philosophischen Fakultät der Wiener Universität. Am 7. Mai 1851 wurde er mit allerhöchster Entschließung zum k. k. Ministerialrat ernannt.
So wie er dort sein Hauptaugenmerk auf die Reorganisation des Polytechnikums und die Umgestaltung der Realschulen richtete, nahm er auch wesentlichen Anteil an der Gründung der meteorologischen Zentralanstalt (1851) und der meteorologischen Gesellschaft (1865), denen er auch späterhin stets seine volle Aufmerksamkeit widmete.
Er blieb dabei stets mit Kremsmünster in persönlichem und wissenschaftlichem Verkehr. Alljährlich besuchte er das Stift und die Sternwarte und wurde Veranlassung, daß sich während seiner Anwesenheit oft eine Gruppe wissenschaftlicher Größen in Kremsmünster zusammenfand: Professor Stampfer, Direktor Kreil und andere.
1866 entriß ihn die Cholera unerwartet seiner verdienstvollen Tätigkeit. Zahlreich sind Kollers hinterlassene Manuskripte, mathematische, physikalische, astronomische, über Erdmagnetismus und Meteorologie.
Die schon oben erwähnte Korrespondenz ist vorwiegend astronomisch. Die wichtigste und ausgedehnteste mit Professor Stampfer in Wien. Sie bietet ein reiches Material für die Geschichte unserer Sternwarte, insbesondere die Instrumente und Beobachtungen betreffend.
Neben Stampfer waren es J. J. Littrow, Direktor der Wiener Sternwarte, und dessen Sohn und Nachfolger Carl von Littrow, mit denen Koller in regem Briefwechsel stand.
Weiters seien noch Schumacher in Altona und Encke in Berlin genannt, mit denen P. Marian in brieflichem Verkehr stand.
Nicht unerwähnt darf der Briefwechsel mit Lamont in Bogenhausen bei München und Karl Kreil (erster Direktor der Zentralanstalt für Meteorologie in Wien) bleiben. Diese Briefe betreffen Erdmagnetismus und Meteorologie. Viele Jahre (bis zur Gründung der Zentralanstalt) war das magnetische Observatorium in Kremsmünster das einzige in der österreichischen Monarchie.
Im Jahre 1838 bestellte Koller bei einem unter persönlicher Leitung von Gauss arbeitenden Mechaniker in Göttingen ein Unifilar-Magnetometer mit einem vierpfündigen Magnetstabe. Schon im folgenden Jahre wurde es durch ein Bifilar-Magnetometer mit 25pfündigem Magnetstabe ergänzt. Beide Instrumente wurden im ehemaligen astronomischen Saale aufgestellt, das erste im magnetischen Meridian, das zweite senkrecht dazu. Für jedes Magnetometer wurde ein kleines Fernrohr mit festem Stativ aufgestellt. Der Saal wurde so zum magnetischen Observatorium. Auch ein Repsoldsches Inklinatorium wurde erworben, wodurch auch unser magnetisches Observatorium vollständig und vorzüglich eingerichtet war. Seit Anfang 1841 wurde der Stand der Instrumente täglich dreimal abgelesen und die Ablesungen durch Jahrzehnte fortgesetzt.
Kollers Freundschaft mit Kreil verdanken wir auch einen der ersten Barographen Kreils. Er war bis zum Jahre 1947 in Betrieb. Heute noch zählt er zu den wertvollsten historischen Instrumenten unserer Sternwarte.

5. P. Augustin Reslhuber (1847—1873)

Er war 1842—1857 Professor der Naturgeschichte und leitete seit 1843 faktisch die Sternwarte, da seit März dieses Jahres Koller durch die Geschäfte als Prodirektor der philosophischen Anstalt und Direktor des Konviktes vollauf in Anspruch genommen war.
Unter Reslhuber wurde an der Sternwarte im Geiste und mit dem Fleiße seines Vorgängers weitergearbeitet. Als Mitarbeiter erhielt er 1849 im Oktober Professor P. Gabriel Strasser.
Zum laufenden astronomischen und meteorologischen Arbeitsprogramm fügte er noch die Beobachtung des Ozons, der Luftelektrizität, des Wasserstandes der Krems, der Temperatur von Quellen und phänomenologischer Erscheinungen hinzu.
Die rege wissenschaftliche Tätigkeit und auch das Streben, mit den Anforderungen der Zeit Schritt zu halten, können wir uns vergegenwärtigen, wenn wir uns die Neuanschaffung an Instrumenten vor Augen führen:
Ein Repsoldsches Inklinatorium (Juni 1850); das Foucaultsche Pendel (Dezember 1851) im 50 Meter hohen Schacht, dem astronomischen Brunnen, angebracht. Ein Elektrometer von Lamont (Mai 1855); ein Kupferdraht- Thermograph von Kreil (Juni 1855); neuer Vertikalkreis (August 1861); Barograph Kreil (August 1862); Anemometer mit Zählwerk (1872); Universal-Sternspektroskop (1873). Als 1873 das metrische Maßsystem eingeführt wurde, besorgte Reslhuber neue meteorologische Instrumente: Barometer, Psychrometer, Maximum-Minimum Thermometer Casella, Regenmesser.
Eigens hervorgehoben werden muß die Anschaffung und Aufstellung des 5 1/2 zölligen Refraktors in der Kuppel der Sternwarte.
Es war Kollers größtes Verdienst um die Sternwarte, sich um das Zustandekommen der Anschaffung eines großen parallaktisch montierten Refraktors bemüht zu haben. Die erste Anregung dazu finden wir in einem Briefe Kollers an Reslhuber vom 28. Jänner 1852. Nach einer Pause von drei Jahren wurde Ende August 1855 anläßlich eines Besuches Kollers und Stampfers in Kremsmünster die Sache mit Reslhuber allen Ernstes wieder aufgegriffen. Zuerst dachte man die Bestellung bei Plößl in Wien zu machen, später aber faßte man den Entschluß, das Fernrohr aus dem Fraunhoferschen Institut von Herrn Merz in München kommen zu lassen. Die Montierung wurde der astronomisch-mechanischen Werkstätte des k. k. Polytechnikums in Wien, nämlich den Herrn Starke Vater und Sohn, übergeben. Nach günstiger Erledigung der finanziellen Seite durch die Großzügigkeit des Abtes Thomas Mitterndorfer und eines namhaften Beitrages Kollers wurde Ende Dezember 1855 das Instrument definitiv bestellt. Im August 1856 kam es in Wien an und nun ging es an die Montierung. Im September 1857 waren Okulare, Mikrometer, Kreise samt Teilung vollendet. Inzwischen war in Kremsmünster selbst der Umbau des obersten Teiles der Sternwarte vollendet und auch in Wien die Drehkuppel gebaut worden. Am 27. September 1857 begleiteten Koller, Stampfer, Starke und andere Beteiligte den neuen Refraktor auf seinem Wege auf einem Schiffe donauaufwärts. Anfang Oktober wurde es von Reslhuber im Beisein der genannten Herren aufgestellt und rektifiziert.
Das Fernrohr hat eine Objektiv-Linse von 68 Pariser Linien (15,37 cm) und 87 Zoll (235,9 cm) Brennweite. Außer dem Punktmikrometer ist noch ein genaues Fadenmikrometer im Rohre angebracht. Der Deklinationskreis mißt 14 1/2 Zoll, der Stundenkreis 12 Zoll (39,3 und 32,5 cm). Die gesamten Anschaffungskosten einschließlich Drehkuppel, Fracht und Nebenauslagen betrugen 5367 fl, worin die Kosten für die baulichen Umänderungen auf der Sternwarte nicht inbegriffen sind.
Dieses Instrument war die Frucht des langjährigen Zusammenwirkens Kollers mit seinen Freunden. Es wurde mit ihm auch Reslhuber „ein bis dahin schwer entbehrtes Mittel geboten, in der beobachtenden Sternkunde gleichen Schritt mit den besten Observatorien halten zu können". (Koller an Reslhuber am 31. Dezember 1855.) Der Tag der vollendeten Aufstellung war ein Freudentag für unser ganzes Haus, für die Sternwarte der Anfang einer neuen Epoche.
Die astronomische Haupttätigkeit Reslhubers fällt in die Jahre 1854 bis 1860, da er vom Unterrichte befreit war. Aber selbst nachdem er 1860 zum Abte gewählt worden war, behielt er die Leitung der Sternwarte nicht bloß dem Namen nach bei, sondern setzte auch, soviel es ihm nur möglich war, seine beobachtende und literarische Tätigkeit fort.
In den Jahren 1871—1874 wurden durch das militärgeographische Institut die Koordinaten von Kremsmünster neu bestimmt und auf telegraphischem Wege die Längendifferenzen der hiesigen Sternwarte gegen Wien (1871), Pola (1873), Krakau, Bregenz und Prag (1874) ermittelt. Die Beobachter fanden bei Reslhuber gastliche Aufnahme und freundliches Entgegenkommen.
Die Resultate seiner Beobachtungen legte Reslhuber in einer langen Reihe von Arbeiten nieder, die in den verschiedensten Fachzeitschriften veröffentlicht wurden. Nur einige seien aufgezählt: Über das Magnetische Observatorium in Kremsmünster und die vom Jahre 1839—1850 aus den Beobachtungen abgeleiteten Resultate (Wien 1854, Staatsdruckerei); Planetenbeobachtungen in Kremsmünster (1865) (Faszikel im Sternwartearchiv, Domestica R.); Die Constanten von Kremsmünster (Linz 1853, Feichtingers Erben); Leistungen eines nach der Erfindung des Herrn K. Kreil construierten Kupferdraht-Thermographen (Wien 1858, Staatsdruckerei) u. a. m.
Durch zunehmende Kränklichkeit gezwungen, übergab er die Leitung der Sternwarte mit 1. Oktober 1873 seinem langjährigen Mitarbeiter:

6. P. Gabriel Strasser (1873—1882)

Die erste Aufgabe des neuen Direktors war die Organisierung aller Beobachtungen nach dem neuen metrischen Maßsysteme. Die Beobachtung der Kometen, Planeten und Fixsterne wurde fleißig fortgesetzt. Als Jubiläumsgabe zur elfhundertjährigen Gründungsfeier des Stiftes wurde aus den Beobachtungen am Meridiankreis ein Katalog von 700 Sternen zusammengestellt.
In der Meteorologie wurden die Beobachtungen der Temperatur, die bis auf diese Zeit vorlagen, übersichtlich bearbeitet. Unter Leitung Osnaghis, des Vizedirektors der Zentralanstalt für Meteorologie, wurde 1878 ein Anemometer mit elektrischer Registrierung der Windrichtung und Windstärke aufgestellt. Im Jahre 1879 wurden die meteorologischen Instrumente, die sich bisher im ersten Stockwerk der Sternwarte befanden, in den Garten übertragen und dort auch ein Hippscher-Thermograph aufgestellt. Dadurch war die Möglichkeit gegeben, von nun an 24stündige Mittel für Luftdruck, Temperatur, Windstärke und -richtung zu erhalten, mit denen auch die früheren Terminbeobachtungen auf 24stündige Mittel reduziert werden können.
Strasser sollte die Früchte dieser Verbesserungen nicht mehr selbst ernten können, ein mehrjähriges böses Leiden machte seiner unermüdlichen Tätigkeit ein frühes Ende.
Von seinen astronomischen Beobachtungen, die er veröffentlichte, sei besonders hervorgehoben: Mittlere Örter von Fixsternen bezogen auf das Mittlere Aequinoctium 1870,0 abgeleitet aus den Beobachtungen der Sternwarte Kremsmünster (Linz 1877, Feichtingers Erben). Diese Arbeit zum elfhundertjährigen Jubiläum des Stiftes.

7. P. Coloman Wagner (1882—1895)

Er hatte nach Vollendung der Studien an der Wiener Universität erst einige Zeit an der Sternwarte in Leipzig zugebracht und war dann Mathematik- und Physikprofessor am Gymnasium.
Bald begann Wagner die meteorologischen Beobachtungen der vergangenen Jahrzehnte zu verarbeiten („Niederschläge und Gewitter", Linz 1888, Feichtingers Erben). Die seit Beginn der ständigen Niederschlagsmessungen im Jahre 1821 aufgelaufenen Beobachtungen werden in dieser Arbeit zusammengefaßt und systematisch untersucht. In Xenia Austriaca, Festschrift der österreichischen Mittelschulen zur 42. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner in Wien, veröffentlichte Wagner in der VI. Abteilung, Physik und Chemie, 1893 „Die tägliche Periode der Geschwindigkeit und der Richtung des Windes in Kremsmünster".
Der Refraktor wurde unter seiner Leitung gründlich gereinigt und der Meridiankreis, der sich auf dem zwar sehr massiven Turme in einer Höhe von 40 m befand und dessen Stabilität immer zu wünschen übrigließ, wurde im Garten in einem zweckentsprechenden Häuschen aufgestellt.
Die meteorologischen Instrumente, deren Standort im Garten sich als minder günstig erwiesen hatte, versetzte er an eine günstigere Stelle (24. Mai 1892). Im Jahre 1893 erwarb er einen Autographen für die Sonnenscheindauer (Campbell) und einen für die Regenmessung (Usteri).
Die Beobachtung von Kometen, Planeten, veränderlichen Sternen, Sonnenflecken und dergleichen führte seit 1885 sein Adjunkt P. Franz Schwab aus. Wagner selbst führte die meteorologischen und magnetischen Beobachtungen fort und machte die Zeitbestimmungen am Meridiankreis.
Um bei den Beobachtungen am Refraktor einen Gehilfen zum Zählen der Sekunden entbehren zu können, wurde ein Chronometer (Molyneux) in Pola angekauft.
Da nun das meteorologische Observatorium den Anforderungen entsprechend eingerichtet war, regte sich der Wunsch, auch die astronomischen Instrumente allmählich durch bessere zu ersetzen. (Meridiankreis 3 Zoll, 1826; Refraktor 5 1/2 Zoll, 1857.) Es wurde daher 1891 eine jährliche Sammlung unter den Ordensmitbrüdern begonnen, um einen Fond für den Ankauf eines besseren Refraktors zu erhalten. In hochherziger Weise fand dieser Vorgang allgemeinen Anklang.
Nach 13jähriger Tätigkeit als Direktor der Sternwarte übernahm P. Coloman den frei gewordenen Posten eines Stiftshofmeisters in Wien und eine Professur an einem Gymnasium daselbst. Seine Sternwarte unterstützte er aber auch weiterhin mit Rat und Tat.
Die Sorge um die im mathematischen Turm untergebrachten Sammlungen oblag früher dem jeweiligen Direktor. Erst 1881 wurde ein eigener Kustos der naturhistorischen Sammlungen, deren Räumlichkeiten im Jahre 1877 um den Raum der Bildergalerie im 4. Stockwerk vergrößert worden waren, eingesetzt.

8. P. Franz Schwab (1895—1906)

In dieser zehnjährigen Periode wurde das bisherige Arbeitsprogramm genau weitergeführt. Als Adjunkten für Meteorologie hatte er bis November 1899 P. Gallus Wenzel, als Assistenten für erdmagnetische Beobachtungen und für die Zeitbestimmung P. Thiemo Schwarz. Von 1899 an war dieser der alleinige Mitarbeiter.
Zur Zahl der bereits regelmäßig angestellten Beobachtungen wurden noch einige aus verwandten Gebieten hinzugefügt, wozu sich besonders die Lage der Station auf dem Lande als sehr vorteilhaft erwies. So wurde ab 1896 die Bewölkung tagsüber stündlich aufgezeichnet, die Güte der Fernsicht wurde ab 1897 ständig registriert, die Schneetiefe von 1900 an regelmäßig gemessen. Ein Schwarzkugelthermometer wurde 1897 aufgestellt, die Radiation vom selben Jahr an beobachtet. Ein Blitzschreiber von Fenyi wurde 1902 aufgestellt. Durch elf Jahre hindurch (1897—1908) wurde auch die photochemische Intensität des Gesamtlichtes, des diffusen und orientierten, nach der Methode Wiesner registriert. Wasserstand und Temperatur der Krems wurden von 1892 an gemessen, die Temperaturen einiger Quellen in der Umgebung Kremsmünsters von 1892—1907. Mit der Beobachtung von Erdbeben begab sich die Sternwarte im Februar 1898 auf ein hier bisher noch nicht betretenes Gebiet. Nach Bosch-Ehlert wurden die Beben bis 1908 photographisch registriert. Die Elektrizitätszerstreuung (Elster-Geitel) wurde 1901—1905 beobachtet. In dieser Zeit begannen auch die Messungen des luftelektrischen Potentialgefälles (Benndorf). Ein Aktinometer (Elster-Geitel) zur Ermittlung der direkten Sonnenstrahlung und diffusen Himmelsstrahlung war 1903—1905 in Verwendung. Pflanzenphänologische Beobachtungen nebst Untersuchung der floristischen Verhältnisse der Umgebung begannen 1896.
Die meisten Beobachtungen wurden entweder an die entsprechenden Zentralstellen eingeschickt oder sind in den Publikationen diesbezüglicher Gesellschaften oder in selbständigen Schriften veröffentlicht worden. Ab 1899 wurde durch viele Jahre eine Übersicht der meteorologischen Beobachtungen in den Jahresberichten des Gymnasiums herausgegeben.
Für die Ausführungen von meteorologischen Beobachtungen in Spital a. P. wurde ein Lehrer daselbst gewonnen (1895), und ebenso verfolgte ein Lehrer in Stoder seit 1896 für die Sternwarte in Kremsmünster die temporäre Schneegrenze von 600 bis 2500 Meter. An mehreren Orten Oberösterreichs wurden infolge einer von der Sternwarte ergangenen Einladung korrespondierende phänomenologische Aufzeichnungen und Gewitterbeobachtungen gemacht.
An internationalen Beobachtungen hat unsere Sternwarte in jenen Jahren insofern teilgenommen, als während der Südpolexpedition erdmagnetische Beobachtungen hier gemacht und zur Verfügung gestellt wurden.
Den Berechnern von Bahnen älterer Kometen wurden auf Wunsch unsere Originalbeobachtungen zur Verfügung gestellt; ebenso fanden ältere Bestimmungen von Fixsternpositionen Verwendung. Die hier gemachten Sonnenfleckenzählungen (1802—1830) wurden nach Zürich an die Zentrale gesandt, neu reduziert und hiernach die Relativzahl verbessert. Es wurden ferner die Verdunstungsmessungen (1821—1844) und die meteorologischen Aufzeichnungen eines Försters in Grünau (Almtal) (1819—1838) bearbeitet, sowie alle älteren Notizen über Erdbeben und Nordlichter zusammengestellt.
Unter dem Direktorate Franz Schwabs wurden 1896—1899 auch die 240 Porträts der Zöglinge der Ritterakademie (1740—1780) von sachkundiger Hand restauriert.
Vielleicht ist es auch interessant, Persönlichkeiten anzuführen, durch deren anregenden und ehrenden Besuch Sternwarte und Stift in gleicher Weise erfreut wurden: Prof. O. Abel (Wien), Benndorf (Wien), Exner (Wien), Commenda (Linz), Hann (Wien), Harder (Kopenhagen), Konrad (Wien), Lüdeling (Potsdam), Trabert (Wien) u. v. a.
Ende August 1903 wurde im Anschluß an den Geologenkongreß in Wien bei einer Exkursion längs des nördlichen Alpenvorlandes auch Kremsmünster von einer Gesellschaft von 30 Glazialgeologen aus allen Kulturländern besucht.
Ein sehr wichtiges Ereignis, vielleicht einen gewissen Wendepunkt in der Geschichte der Sternwarte, mindestens aber einen Markstein, bildete die testamentarische Schenkung des uns bisher persönlich unbekannten, am 10. März 1896 verstorbenen Hofrates Leopold Kurzmayer, eines Liebhabers der Astronomie in Wien. Er vermachte der Sternwarte seine Bibliothek, seine verschiedenartigen astronomischen Instrumente, einiges Vermögen und einen Hausanteil (durch Bomben zerstört, aus den Mitteln des Wohnungswiederaufbaufonds 1952 wiederhergestellt), dessen Erträgnis ausschließlich astronomischen Zwecken zu widmen ist.
Nach Einholen der Ratschläge erfahrener Astronomen wurde beschlossen, das Vermächtnis zur Aufstellung eines neuen Meridiankreises zu verwenden. Es wurde also am 5. Dezember 1898 bei Repsold ein fünfzölliger Meridiankreis mit elektrischer Beleuchtung bestellt, der im März 1902 hier ankam. (Preis 18.400 Mark.) Die optischen Teile lieferte Reinfelder in München.
Die Höhe des Voranschlages für einen nach den neuesten Erfahrungen eingerichteten Meridiansaal sowie die vorherige Ausbildung eines jüngeren geschulten Beobachters ließen es dringend geboten erscheinen, die Aufstellung des Instrumentes noch einige Jahre zu verschieben.
P. Bonifaz Zölß, der zur Mitarbeit an der Sternwarte ausersehen war, vollendete im Juli 1904 seine Universitätsstudien in Wien und begann seine wissenschaftliche Tätigkeit mit einer ausgezeichneten Bearbeitung der bis dahin zu Kremsmünster angestellten luftelektrischen Beobachtungen, bei denen er selbst häufig beteiligt war. Im Jahre 1904/05 beobachtete er an der von-Kuffnerschen-Sternwarte in Wien 818 Anhaltssterne der vatikanischen photographischen Zone. Er wurde dadurch unter der bewährten Leitung des Direktors L. de Ball theoretisch und praktisch mit allen Arbeiten am Meridiankreis vertraut gemacht. Im Sommer 1905 unternahm er eine längere Reise durch Deutschland, Dänemark, Belgien und die Niederlande, um überall aus eigener Anschauung die Einrichtung der Meridiankreise zu studieren. Hiedurch sowie durch das liebenswürdige Entgegenkommen der einzelnen Fachleute wurde er aufs genaueste mit den Vorteilen und Nachteilen der verschiedenen Meridiankreisanlagen bekannt. Jetzt erst war der richtige Augenblick gekommen, das angefangene Unternehmen mit der Hoffnung auf sicheres Gelingen fortzusetzen.
Mit Beginn des Jahres 1906 sah sich der bisherige Direktor wegen häufiger Kränklichkeit gezwungen, die Leitung der Sternwarte namentlich in Hinsicht auf die große Wichtigkeit der bevorstehenden Arbeiten einer jüngeren und frischeren Kraft zu überlassen.
Von den vielen wissenschaftlichen Veröffentlichungen, die P. Franz herausgegeben hat, seien nur die bedeutendsten aufgezählt:
Über Bewegungswahrnehmungen des Auges, 1884, Faszikel im Sternwartearchiv, Domestica S.; Volksthümliches über Witterung, Linz 1886, Verlag des Vereines für Naturkunde; Beiträge zur Witterungskunde von Oberösterreich, Linz 1897, derselbe Verlag; Bericht über Erdbebenbeobachtungen in Kremsmünster, Wien 1900, in Commission bei Carl Gerold's Sohn; Über den mutmaßlichen „Mattigsee", Braunau 1900, Separatabdruck aus „Neue Warte am Inn"; Über das photochemische Klima von Kremsmünster, Wien 1904, in Commission bei Carl Gerold's Sohn; Über die Verdunstungsmessungen in Kremsmünster, Braunschweig 1906, Friedrich Vieweg und Sohn; Über die Schneeverhältnisse im Gebiete von Stoder nach den Beobachtungen des Oberlehrers J. Angerhofer, Linz 1907, Verlag des Vereines für Naturkunde.

9. P. Thiemo Schwarz (1906—1947)

Er absolvierte seine Universitätsstudien in den Jahren 1891—1895 in Wien. Von April bis August 1895 arbeitete er an der Sternwarte in München.
Da die übrigen Arbeiten an der Sternwarte ihren Fortgang nahmen, ging P. Thiemo sofort daran, das Meridianhaus zu bauen und den Meridiankreis darin aufzustellen. Während er selbst dabei hauptsächlich den geschäftlichen Teil besorgte, leitete und überwachte P. Bonifaz auf Grund seiner reichen Erfahrung mit Umsicht und Ausdauer den Entwurf der Pläne und deren genaue Ausführung. Nach Ausarbeitung eines ganz neuen Planes für das Meridianhaus durch Prof. Schleyer in Hannover konnte am 2. Mai 1906 der erste Spatenstich gefeiert werden. Am 2. Juni kam die Eisenkonstruktion für den Oberbau des Meridiansaales, von der Firma Franz Mosenthin in Leipzig geliefert. Am 6. August war das Meridianhaus äußerlich vollendet. Vom 2. bis 11. September vollzog sich die Montierung des Instrumentes durch einen Mechaniker der Repsoldschen Werkstätte. Im Dezember 1907 wurde ein kleines Elektrizitätswerk neben der Säge im Hofgarten eingerichtet (AEG), das Licht und Kraft sowohl für den physikalischen Lehrsaal im Gymnasium als auch für den Meridiankreis lieferte. Im Sommer 1908 wurden die Uhren (Jürgensen-Kopenhagen und eine zweite aus dem Kurzmayerschen Nachlasse) mit dem Chronographen (Peyer, Neuchatel) aufgestellt. Bei der Astronomenversammlung in Wien Mitte September 1908 wurden vom Direktor die Versammelten eingeladen, das Stift und die Sternwarte zu besuchen. Es fanden sich ein: Franz (Breslau), Pechüle (Kopenhagen), Schorn (Hamburg), Hartwig (Bamberg), Kudrijewzev (Pulkowa), Tetens (Cordoba), Prey (Wien), Herz (Wien), Wolf (Heidelberg), v. Biesbroeck (Uccle), Gabba (Mailand), P. Hagen (Specola Vaticana). Alle erklärten die ganze Anlage des Meridiankreises für vollkommen gelungen. Nach dieser fachmännischen Kollaudierung und nach Ausführung der wichtigsten Rektifikationen wurde das Meridianhaus am Jubiläumsfeste Seiner Majestät des Kaisers Franz Josef am 2. Dezember 1908 durch den Abt Leander Czerny im Beisein vieler Mitbrüder feierlich eingeweiht.
Leider ruhte auf dem neuen Gebäude mit seinem vorzüglichen Instrumente von Anfang an ein eigenes Schicksal. P. Bonifaz, der, wie erwähnt, eigens für diese Spezialarbeit ausgebildet war, mußte nach dem Tode P. Franz Schwabs (1910) dessen Unterrichtsgegenstände am Gymnasium übernehmen und konnte daher nicht die gewünschte Zeit dem Meridiankreise widmen. Ein anderes Stiftsmitglied, P. Anselm Blumenschein, wurde dafür ausgebildet. Er blieb im ersten Weltkrieg als Militärkaplan am Schlachtfelde des Col di Lana. P. Richard Rankl, der nun die Arbeit übernehmen sollte, wurde auch sehr bald völlig als Professor ans Gymnasium abgezogen. Trotzdem aber arbeitete er in der ihm verbleibenden Zeit am neuen Instrumente und veröffentlichte im 78. Jahresbericht des Gymnasiums zu Kremsmünster (1928) 8) seine Beobachtungen, die genaue Länge des Meridianhauses betreffend. Er bestimmte sie zu — 56m 32,023s oder 14° 8' 0,4" östl. von Greenwich. Da im folgenden Jahre P. Bonifaz völlig vom Gymnasium abgezogen wurde, um sich den wirtschaftlichen Fragen des Stiftes widmen zu können, mußte P. Richard auch dessen Schulstunden übernehmen und fand so keine Zeit mehr, am Meridiankreise zu arbeiten. Der Personalmangel des Stiftes in den zwanziger und den ersten dreißiger Jahren sowie der dann folgende zweite Weltkrieg, die Konfiskation des Stiftes, die schweren personellen Verluste in diesem Kriege, unter denen wir bis heute noch leiden, zwangen, die Beobachtungen mit dem Meridiankreise völlig einzustellen. Stift und Sternwarte aber hoffen, daß, nach entsprechender Vorbildung, sich unter den nun wieder in größerer Zahl sich unserer Gemeinschaft anschließenden jungen Menschen einer finden wird, der nach nötigen Verbesserungen am Instrumente die Arbeiten damit aufnehmen wird.
P. Thiemo Schwarz widmete sich vor allem der Fortsetzung der auf der Sternwarte seit jeher gemachten meteorologischen Beobachtungen und hier wieder der systematischen Bearbeitung des in dem langen Zeitraum aufgelaufenen Materials.
Zunächst veröffentlichte er alljährlich alle jährlich anfallenden Witterungsdaten. 1919 erschien eine große Arbeit über die Klimatographie von Oberösterreich 9). Die Ausarbeitung dieses Gebietes wurde über Vorschlag des Hofrates J. v. Hann von dem emeritierten Direktor der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, Hofrat W. Trabert, P. Thiemo Schwarz übertragen.
Im Jänner 1909 wurden die meteorologischen Instrumente wieder von ihrer Aufstellung im Konventgarten zurück in den ersten Stock der Sternwarte ins NE-Fenster gebracht, wo sie ohnedies bis 1878 gestanden hatten. Dadurch war es notwendig geworden, die Beobachtungsreihen verschiedener Aufstellungsplätze aufeinander abzustimmen. Durch vier Jahre wurden Parallelbeobachtungen im Garten und in der Sternwarte gemacht. Die Resultate hat P. Thiemo in einer eigenen Arbeit festgehalten 10).
Im 79. Jahresberichte des Gymnasiums (1929) veröffentlichte er eine kürzere Abhandlung über den täglichen Gang der Temperatur in Kremsmünster 11).
Eine kleinere Veröffentlichung über die Strahlungsmessungen während der Sonnenfinsternis am 8. April 1921 erschien in der „Meteorologischen Zeitschrift", Heft 8, 1921 (Verlag Fr. Vieweg und Sohn, Braunschweig).
Auch die magnetischen Beobachtungen, die bis 1908 regelmäßig gemacht wurden, hat P. Thiemo alljährlich veröffentlicht. Die Resultate des Jahres 1899 erschienen im Gymnasialprogramme 1900, die Resultate der Jahre 1900—1904 beim Preßverein Wels, 1905—1908 im Preßverein Linz 11).
Seine letzten Arbeiten wurden in Jahresberichten des Gymnasiums veröffentlicht: „Klimaschwankungen" (90. Jahresbericht 1947) 11) sowie „Der Jahresverlauf der Temperatur (C°) in Kremsmünster". Diese Arbeit hat P. Thiemo wenige Wochen vor seinem Tode dem damaligen Gymnasialdirektor Dr. P. Richard Rankl für die Festschrift anläßlich der 400-Jahrfeier des Gymnasiums übergeben 12).
Neben den meteorologischen Beobachtungen wurden unter Schwarz auch die luftelektrischen Beobachtungen fortgesetzt und veröffentlicht. (P. Richard Rankl, in „Beiträge zur Kenntnis der atmosphärischen Elektrizität", Nr. 57: Das luftelektrische Potentialgefälle in Kremsmünster in den Jahren 1912—1916. (Wien 1917, in Kommission bei Alfred Hödler.)
Die Bestimmung des genauen Meridians von Kremsmünster, die P. Richard am neuen Instrumente unter Schwarz ausführte, wurde oben schon erwähnt.
Die großen finanziellen Sorgen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die dem ersten Weltkriege folgten, brachten es natürlich mit sich, daß die wissenschaftlichen Beobachtungen an der Sternwarte sehr eingeschränkt bzw. manche ganz unterbrochen wurden. „Inter bella silent Musae." Kaum hatten Stift und Sternwarte begonnen sich zu erholen, kam eine größere Umwälzung und der zweite Weltkrieg.
Noch erlebte P. Thiemo Schwarz die Rückgabe des Stiftes mit all seinem Besitze und die Heimkehr der vertriebenen Mitbrüder ins Kloster mit dem Abte an der Spitze, als er am 19. April 1947 nach einem arbeitsreichen, aber von Weltereignissen sehr stürmisch bewegten Leben seine Augen für immer schloß.
Aus dem Nachrufe, den P. Richard Rankl ihm schrieb (s. o.), seien die folgenden Sätze genommen: „52 Jahre lang machte er die meteorologischen Beobachtungen und Berechnungen mit einer Genauigkeit, Gewissenhaftigkeit, Pünktlichkeit und Sauberkeit, die kaum ihresgleichen findet. In selbstloser Weise hatte er auch Beobachtungen über Luftelektrizität jahrelang gemacht, deren Resultate er jüngeren Mitbrüdern zum Zwecke wissenschaftlicher Publikationen zur Verfügung stellte. Seine Tagesordnung war jahraus, jahrein dieselbe: vor 5 Uhr früh auf, dann hl. Messe, Chorgebet und tagsüber Schule, Wissenschaft und Gebet... Er war ein frommer Priester und ein echter Benediktiner, der trotz seiner vielen Arbeit sich immer Zeit nahm, am Chorgebete teilzunehmen. Er verließ nur selten sein Kloster; er führte ein echt klösterlich-monastisches Leben, in idealer Erfüllung der wesentlichen Aufgaben eines Benediktiners: ora et labora."

Nach seinem Tode wurden die übernommenen wissenschaftlichen Arbeiten der Zeit und den Verhältnissen entsprechend weitergeführt. Noch immer lastet der Personalmangel schwer auf unserer Sternwarte. Viele Aufgaben können nicht erfüllt werden, weil die Kräfte fehlen. Was möglich ist, wird fortgesetzt.
Im Jahre 1952 wurde ein in der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik hergestellter Seismograph aufgestellt und damit nach jahrzehntelanger Unterbrechung die Erdbebenregistrierung wieder aufgenommen. Pläne bestehen, die gerade in unseren Tagen interessante Messung der Luftelektrizität wieder zu beginnen.
Zur 200-Jahrfeier wurde der große ehemalige Astronomische Saal, in dem dann durch Jahrzehnte magnetische Beobachtungen angestellt worden waren, durch die großzügige finanzielle Unterstützung des derzeitigen Wirtschaftsdirektors und Priors Prof. Dr. P. Rudolf Hundstorfer als Astronomisches Museum eingerichtet. Was immer an astronomischen, geodätischen, gnomischen, magnetischen Geräten sich in unserer Sternwarte fand, wurde dort systematisch aufgestellt und für Besucher freigegeben. Ein eigener Schrank zeigt die sorgfältigst handschriftlich niedergelegten ersten meteorologischen und astronomischen Beobachtungsdaten. Am 29. April 1958, dem 30. Weihetage des Abtes Ignatius Schachermair, wurde dieser Saal im Beisein des Priors und vieler Mitglieder des Konventes feierlich vom Abte eingeweiht und eröffnet.
Möge es uns gelingen im nun beginnenden 3. Jahrhundert des Bestandes der Sternwarte, die von unseren verstorbenen Mitbrüdern uns hinterlassenen Verpflichtungen fortzuführen im Interesse der Wissenschaft, zur Ehre unseres Hauses, ut in omnibus glorificetur Deus.



1) P. Sigmund Fellöcker, Geschichte der Sternwarte der Benediktiner-Abtei Kremsmünster, S. 5. Linz 1864, Feichtingers Erben.

2) Theodorich Hagn, Das Wirken der Benediktiner-Abtei Kremsmünster für Wissenschaft, Kunst und Jugendbildung, S. 224. Linz 1848. In Commission bei Quirin Haslinger.

3) Die Beschreibung der folgenden beiden ältesten Instrumente aus: P. Sigmund Fellöcker, 1. c. S. 4.

4) Sigmund Fellöcker, l. c. S. 58.

5) Placidus Fixlmillner: Decennium astronomicum (Handschrift), pg. 100.

6) P. Sigmund Fellöcker, l. c. S. 88—90.

7) Dr. P. Altman Kellner, Musikgeschichte des Stiftes Kremsmünster, S. 615—620, Bärenreiterverlag Kassel und Basel (1956).

8) Dr. P. Richard Rankl, Der Meridian von Kremsmünster, 78. Jahresbericht des Obergymnasiums zu Kremsmünster, Wels 1928, im Selbstverlag d. Direktion des Gymnasiums.

9) P. Thiemo Schwarz, Klimatographie von Oberösterreich, Wien 1919, in Kommission bei Gerold & Co.

10) Derselbe: Einfluß der Thermometeraufstellung auf die Beobachtungsresultate der Temperatur in Kremsmünster, Wien 1926, Holder, Pichler, Tempsky.

11) Siehe Literatur- und Quellennachweis am Schluße der Arbeit.

12) P. Richard Rankl, Hofrat P. Thiemo Schwarz. Sein Lebensbild. 90. Jahresbericht des Gymnasiums Kremsmünster, 1947, im Kommissionsverlag bei Verlag „Welsermühl", Wels.



LITERATUR- UND QUELLENNACHWEIS


1. P. Sigmund Fellöcker, Geschichte der Sternwarte der Benediktiner-Abtei Kremsmünster, Linz 1864, Feichtingers Erben.

2. P. Laurentius Doberschitz, Specula Cremifanensis, 1764. Handschrift, Archiv der Sternwarte.

3. Archiv der Sternwarte Kremsmünster, Korrespondenz der einzelnen Direktoren der Sternwarte.

4. Archiv der Sternwarte Kremsmünster, Manuskripte.

5. P. Laurentius Doberschitz, Handschriften, Stiftsbibliothek Kremsmünster.

6. 78. Jahresbericht des Obergymnasiums zu Kremsmünster, Wels 1928, im Selbstverlag der Direktion des Gymnasiums.

7. 79. Jahresbericht des Obergymnasiums zu Kremsmünster, Wels 1929, im Selbstverlag der Direktion des Gymnasiums.

8. 90. Jahresbericht des Obergymnasiums zu Kremsmünster, Wels 1947, im Kommissionsverlag bei Verlag „Welsermühl", Wels.

9. Festschrift zum 400jährigen Bestande des öffentlichen Obergymnasiums der Benediktiner zu Kremsmünster. Herausgegeben vom Professorenkollegium, 1949, im Kommissionsverlag bei Verlag „Welsermühl", Wels.


Quelle

RABENALT, P. Ansgar 1958: Geschichte der Sternwarte von Kremsmünster. Eine kurze Zusammenfassung anlässlich des 200jährigen Jubiläums, in: 101. Jahresbericht Schuljahr 1958 Öffentl. Gymnasium der Benediktiner zu Kremsmünster, Kremsmünster, 7-27


(c) P. Amand Kraml, 2018-10-15
Letzte Änderung: 2021-09-16