aus dem Museum der Sternwarte Kremsmünster
Juni 2001
Das erste Messgerät zum Registrieren von Erdbeben an der Sternwarte Kremsmünster war der 1897 von Pfaundler in den Sitzungsberichten der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften vorgestellte "Erdbeben-Registrator mit elektrisch - photographischer Aufzeichnung des Zeitmomentes des Stosses".
Foto: P. Amand Kraml
Foto: P. Amand Kraml
Das linke Bild zeigt die Kugel in Erwartung eines Erdbebens. Sie liegt auf einem kegelförmigen Metalldrehkörper,
der in der Achse eine Bohrung hat. Mit viel Geschick kann man die Kugel auf den Rand dieser Bohrung auflegen. Bei Erschütterung
fällt die Kugel von ihrer labilen Lage in den Trichter und von dort nach unten in einen löffelförmigen Hebel, der nun
seinerseits über einen elektrischen Kontakt die fotografische Aufnahme des Zifferblattes der Uhr auslöst. Dazu werden im
Registriergerät (Abb. unten) zwei Glühlampen zum Leuchten gebracht. Um schließlich die Alarmeinrichtung in Gang zu
setzen, wird die Kugel in einen zweiten löffelförmigen Hebel weitergegeben, wo sie liegen bleibt bis sie wieder herausgenommen
wird und damit der Alarm gelöscht wird. Wieder in die labile Lage gebracht, kann das nächste Erdbeben abgewartet werden.
Die Geschichte der Erdbebenbeobachtungen geht in Kremsmünster aber viel weiter zurück.
Der Text lautet: Item Nota: Anno domini Millesimo quingentesimo undecimo proxima die post festum annuntiacionis dominice
circa horam secundam et terciam factus est terre motus ita ut omnia edificia monasterii mota sunt. Eciam tercio die circa
primam et secundam ita ut alique habitaciones mota [sic!] sunt. (Transskription von Dr. Hauke Fill)
Dieses Erdbeben vom 1511-03-26 zeigt übrigens sehr viele Gemeinsamkeiten mit den Friaul-Aktivitäten im Jahre 1976. Es dürfte sein Epizentrum in Tolmein-Laibach gehabt haben und war ein zerstörendes Erdbeben, das u. a. auch in der Schweiz, in Bayern, Böhmen und Mähren registriert wurde. Es sind davon insgesamt 16 Nachbeben überliefert. Davon fand das stärkste Nachbeben am 1511-08-08 (also wie 1976 ca. 4 Monate später) statt. (Diese Nachricht verdanke ich Dr. Wolfgang Lenhardt, brieflich 1985)
Aber zurück zu den seismischen Meßgeräten an der Sternwarte: Am 20. September 1897 wurde von der kaiserlichen
Akademie der Wissenschaften an die Sternwarte die Anfrage gestellt, ob sie ein Ehlert'sches Seismometer übernehmen und
betreiben wolle. Schon Ende September 1897 wurde im Keller an der SE-Seite mit den Adaptierungsarbeiten begonnen. Der Keller
wurde geteilt. Man verwendete den einen Teil für die Seismik, den anderen für die erdmagnetischen Variationsapparte.
Am 25. Februar 1898 traf dann der von Bosch in Straßburg gelieferte Ehlert'sche Seismograph, bestehend aus Pendelapparat
und Registrierapparat ein. Der Pendelapparat enthält drei Horizontalpendel, jedes mit einem Hohlspiegel versehen.
Die Registrierung erfolgte auf optischen Weg. Das ist bei den geringen Pendelmassen von Horziontalpendel der damals
einzig gangbare Weg. Man bediente sich eines Lichtstrahls, den eine Lampe, die man bei uns auf Petroleum-Betrieb umbaute,
aussendet. Dieser wird von den Hohlspiegeln auf eine mit Photopapier bespannten Trommel geworfen. Die Trommel wird von
einem Uhrwerk in Rotation gehaltenen. Ihr Durchmesser betrug etwa 34.7 cm, die Rotationsgeschwindigkeit eine Umdrehung
pro Tag. Die Aufzeichnungsstrecke für eine Stunde ist also ungefähr 47 mm. Diese optische Registrierung machte
es notwendig, die Apperatur abgedunkelt zu betreiben und die Streifen jedesmal zu entwickeln und zu fixieren. Der ca. 19
cm breite Streifen wurde zweimal in gleicher, zweimal in unterschiedlicher Richtung aufgelegt, damit konnte man die
Kosten ein wenig verringern. Jeder Steifen enthält nun die Seismogramme zweier aufeinanderfolgender Tage wobei
man den Streifenwechsel um 17 Uhr vornahm. Der erste Streifen, der im Archiv vorhanden ist, stammt vom 23. Dezember 1898,
der letzte vom 27. Dezember 1908.
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Zur Nachricht.
Der Gefertigte erlaubt sich, die durch ein Zirkulare vom Jänner dieses Jahres durch die k. k. meteorologische Zentral-Anstalt in Wien gemachte Mitteilung zu wieder- holen, dass hier mit Neujahr 1909 die Erdbebenbeobach- tungen eingestellt wurden. P. Thiemo Schwarz,
Direktor der Sternwarte |
Aus SCHWARZ, hinteres Deckblatt |
Die seismographischen Messungen wurde dann erst wieder nach dem Zweiten Weltkrieg mit einem Conrad-Pendel aufgenommen.
Besonders aufschlussreich erscheint uns der Beitrag, den P. Franz Schwab für den Bericht im Linzer Volksblatt 1899 abgeliefert hat.
Erdbebenbeobachtungen auf der Sternwarte in Kremsmünster.
Waren die Erdbeben wegen ihres unerwarteten Auftretens und ihrer verheerenden Wirkung von jeher ein Schrecken für die Menschheit, namentlich in gewissen öfter heimgesuchten Gegenden, so beanspruchen sie auch ein großes wissenschaftliches Interesse. Es gibt noch vieles zu erforschen über die Ursachen so gewaltiger Erschütterungen, über die Häufigkeit und Verbreitung derselben. Auch wird die genaue Beobachtung derselben einen Rückschluss ziehen lassen auf die Elasticität der erschütterten Schichten, vielleicht sogar auf die Beschaffenheit von Gebieten des Erdinnern, die sonst einer directen Beobachtung in keiner Weise zugänglich sind. Wegen der Bedeutung der Erdbebenforschung für die Erkenntnis der Erdrinde, auf der wir leben, wurde vereinbart, für alle einschlägigen Erscheinungen einen internationalen Beobachtungsdienst ins Leben zu rufen und zur Wahrnehmung auch der schwächeren Bewegungen des Erdbodens die empfindlichsten Apparate zu verwenden, welche die heutige Technik herzustellen vermag. In Oesterreich nahm die Akademie der Wissenschaften in Wien die Organisation regelmäßiger Beobachtungen in die Hand. Für jede Provinz wurde ein Referent aufgestellt, welcher alle in seinem Gebiete über Erdbeben gemachten Wahrnehmungen zu sammeln und der Akademie mitzutheilen hat. Außerdem wurden vorläufig 4 Stationen, nämlich Wien, Triest, Lemberg und Kremsmünster mit Seismographen (Erdbebenmessern) versehen. Bereits sind die Apparate in Triest und Kremsmünster in Thätigkeit. Einer der Seismographen besteht der Hauptsache nach aus einem vertical stehenden Stäbchen, das sehr spitz zuläuft und am obersten Ende hohl angeschliffen ist, so daß man mit großer Vorsicht eine kleine Kugel aufsetzen kann. Diese fällt nun bei der geringsten Erschütterung herab, bringt eine Pendeluhr, welche Stunden, Minuten und Secunden anzeigt, zum Stillstand und setzt zugleich eine gewöhnliche Lärmglocke wie beim Zimmertelegraphen in Bewegung, um auf das Erdbeben aufmerksam zu machen. Man ist nun leicht imstande, auf die Secunde den Moment, allerdings nur des ersten Stoßes, abzulesen. Dieser Apparat ist in Kremsmünster seit 1. Februar 1898 ununterbrochen im Gange, hatte aber nie die Gelegenheit, in Thätigkeit zu treten. Selbstverständlich gibt diese Vorrichtung weder über die Dauer der Erschütterung, noch über die Stärke und Richtung irgendwelche Auskunft und meldet überhaupt nur jene Beben, die unter den günstigsten Umständen vielleicht noch mit dem körperlichen Gefühle wahrgenommen werden könnten.
Weit vollkommener ist ein zweiter Apparat, der zu seiner Aufstellung den Raum eines kleinen Zimmers beansprucht, während der vorhin besprochene leicht oben auf dem Uhrgehäuse Platz findet. Auf einem isolierten, im Erdboden fundierten Backsteinpfeiler steht ein gusseisernes Gehäuse, das auf der oberen und vorderen Seite durch Glasplatten verschlossen werden kann, um jeden Luftzug abzuhalten. Im Innern befinden sich 4 Hohlspiegel; einer derselben ist festgestellt, die 3 anderen hängen an außerordentlich empfindlichen Horizontalpendeln (Pendel mit nur wenig von der verticalen Linie abweichenden Drehungsachse), die um 1/3 des Kreises von einander abstehen. In einer Entfernung von 3 ½ m steht ein zweiter Apparat: Durch ein Uhrwerk wird eine Trommel, die mit lichtempfindlichem Papier überspannt ist, in 24 Stunden einmal um eine horizontale Achse umgedreht. Neben der Trommel befindet sich eine Lampe, die Tag und Nacht zu brennen hat. Ist alles richtig eingestellt, was eine nicht geringe Geduld erfordert, so fällt von der Lampe das Licht durch die vorderen Fensterchen des Pendelgehäuses auf die 4 Hohlspiegel, wird von dort durch die Fensterchen zurück auf eine vor der Trommel aufgestellte Cylinderlinse geworfen und es entstehen auf dem höchst empfindlichen photographischen Papiere in gerader Linie und in gleichen Abständen 4 helle scharfe Lichtpunkte. Sowie sich die Trommel dreht, werden andere Stellen des Papieres von den Lichtpunkten getroffen und es werden um die Trommel herum 4 Linien einphotographiert. Der von dem festen Spiegel herrührende Punkt kann sich gar nicht bewegen; er zeichnet daher stets eine gerade Linie, von der aus die Entfernung der anderen gemessen werden kann; außerdem lässt das Uhrwerk vor Beginn einer jeden Stunde einen Schirm herunterfallen, der den Punkt auf einige Minuten verdeckt, aber mit der ersten Secunde der Stunde wieder leuchten lässt. Aus dieser Unterbrechung der Linie kann man die Zeit bestimmen. Da die 3 anderen Spiegel auf beweglichen Pendeln hängen, werden sich die Punkte, wenn die Pendel nur im geringsten durch eine Erschütterung in Schwingung kommen, auf dem Papiere hin und her bewegen und keine gerade Linie, sondern eine Figur zeichnen, die einem kunstreich gedrechselten Stabe am ähnlichsten sieht, bei stärkeren Stößen aber von Querstrichen durchsetzt ist. Bei dem großen Abstande der Registriertrommel wird die Schwingung der Pendel außerordentlich vergrößert. Da auf dem Papiere die Stunden markiert sind, kann man die Zeit einer Störung ausmessen; aus der Größe der ins Papier eingezeichneten Ausschläge kann man die Stärke erkennen und , weil die Pendel nach verschiedenen Richtungen aufgehängt sind, kann man die Richtung einer Erschütterung bestimmen. Der Betrieb dieses Seismographen ist wegen seiner Subtilität sehr umständlich, namentlich auch deshalb, weil die Streifen täglich zu wechseln und dann dem photographischen Processe zu unterwerfen sind wie eine andere photographische Platte, freilich mit dem Unterschiede, daß so ein Blatt 180 cm lang und 20 cm breit ist. Der in Straßburg angefertigte Seismograph kostete 1100 Mark, der Betrieb dürfte jährlich mit 200 fl. kaum zu bestreiten sein.
Der zuletzt besprochene Apparat wurde zu Weihnachten vorigen Jahres aufgestellt und hat schon sehr zufriedenstellende Proben seiner Leistungsfähigkeit abgelegt. Er liefert den Beweis, dass unsere Erdkruste selten in absoluter Ruhe ist, sondern sehr häufig, manchmal tagelang in einer für unser Gefühl nicht wahrnehmbaren Unruhe ist (mikroseismische Bewegungen); außerdem registrierte er Störungen an den Tagen, als Griechenland (22. Jänner), Mexiko (25. Jänner) und jüngst Japan (7. März) von heftigen Erdbeben heimgesucht wurden. Wenn man bedenkt, daß der erste Erdbebenherd 1500 Kilometer, der zweite 10.000 Kilometer (1/4 Erdumfang), der letztere 9100 Kilometer entfernt ist, kann man ersehen, welch ein großer Theil der Erdrinde an solchen Erschütterungen theilnimmt, welche Kraft aber auch entwickelt werden muss, um den ganzen zwischen Kremsmünster und beispielsweise Japan liegenden Erdboden eine Stunde lang in Schwingungen zu versetzen. Es ist demnach dieser Apparat ein ganz ausgezeichnetes Hilfsmittel zur Erweiterung unserer Kenntnisse über die Erdbeben. (SCHWAB 1899, 1)
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