Objekt des Monats

aus dem Museum der Sternwarte Kremsmünster

Februar 2004


Repsold'scher Meridiankreis Meridiankreisgerät
Inv. Nr.: 18111018
Foto: P. Amand Kraml


Meridiankreis-Instrument von Repsold

Unter dem Titel "Der neue Meridian" gibt P. Richard Rankl folgende Schilderung zum Erwerb, zur Aufstellung und zur ersten Benützung dieses Instrumentes:

Am 10. März 1896 starb in Wien Hofrat Leopold Kurzmayr, damals in Kremsmünster noch völlig unbekannt – aber zu Lebzeiten über die Tätigkeit der alten Kremsmünsterer Astronomen aus Fellöckers Geschichte der Sternwarte genau orientiert und für diese Stätte der Wissenschaft voll Begeisterung. Dieser hatte testamentarisch das Stift Kremsmünster zum Universalerben seines Vermögens eingesetzt mit der ausdrücklichen Bestimmung, daß dasselbe ausschließlich für astronomische Zwecke verwendet werde. Da das Hauptinstrument der messenden Astronomie, der Meridiankreis von Jaworski ohnehin schon veraltet und die Aufstellung auch nicht mehr zeitgemäß war, so entschloß sich der damalige Direktor P. Franz Schwab auf den Rat des Direktors der Kuffner'schen Sternwarte in Wien, Leo de Ball, bei Repsold in Hamburg ein Meridianinstrument zu bestellen; es wurde im Jahre 1901 geliefert: ein Instrument, wie es in seiner Ausstattung an keiner österreichischen Sternwarte zu finden ist.

Im Mai 1906, als Professor P. Thiemo Schwarz das Direktorat der Sternwarte übernommen hatte, wurde darangegangen, das Instrument an einer freien Stelle des Hofgartens aufzustellen. Diese schwierige Aufgabe wurde durch Dr. P. Bonifaz Zölß durchgeführt, der sich ein Jahr hindurch 1904 auf 1905 am Meridianhaus der Kuffnerischen Sternwarte in Wien praktisch ausbildete[1] und im Sommer 1905 auf einer astronomischen Reise die modernen Einrichtungen der Sternwarten von Prag, Leipzig, Berlin, Potsdam, Kiel, Hamburg, Bonn, Heidelberg, Straßburg, München, Kopenhagen, Leyden, Brüssel und Lüttich besichtigen konnte. Am 6. Mai 1906 wurde der erste Spatenstich zum Unterbau des neuen Meridianhauses gemacht. Der ganze Bau wurde nach den Plänen von Geheimrat Prof. Wilhelm Schleyer in Hannover durchgeführt. Die Mauerarbeiten, die durch den hiesigen Baumeister Michael Narbeshuber ausgeführt wurden, waren bis Ende Juli fertig. Im Sommer 1907 wurde das Eisendach durch die Firma Mosenthin in Leipzig aufgestellt und das Instrument montiert. Nach den mühsamen Bestimmungen der Instrumentalkonstanten konnte am 4. Oktober 1908 die erste Zeitbestimmung durchgeführt werden. Das Jahr 1909 war ein Jahr intensiver astronomischer Tätigkeit.

Zur Prüfung der Güte des neuen Instrumentes hat P. Bonifaz vier Zonenbeobachtungen durchgeführt und für 42 Sterne 6. bis 9. Größe, AR: 12h - 14h, Dekl: 55° - 64° die Positionen genau bestimmt. Er erhält als mittleren Fehler einer Positionsbestimmung in AR: 0,031 sec δ, in Deklination: 0,38", als systematische Fehler der Zonen bei Kreis Ost: in α: -0,007s, in δ: 0,07", bei Kreis West: für α: 0,007s, für δ: -0,07". Für den Rotationswert der Rektaszensionsschraube bestimmte er aus 100 Rotationen an 15 Beobachtungstagen den Wert: 5,6065s +/- 0,00041, für den Wert der Deklinationsschraube erhielt er durch zwei Methoden: mit Hilfe von Polsternen und durch den Quecksilberhorizont dasselbe Resultat: 25,168" +/- 0,0060". Er machte ferner die Bestimmung der Exzentrizität und Schiefe des Teilkreises, sowie der Elliptiziät des Kreiszapfens und außerdem die für die Beobachtung nötigen Fehlerbestimmungen wie Run, Neigung, Azimut und Kollimation. Für die Länge errechnete er aus den oben angeführten Messungen des Gradmessungsbureaus die Länge Wien - Greenwich:  -1h 5m 21,438s und Kremsmünster - Wien: 8m 49,766s und erhält somit für die Länge des Hauptpunktes der Sternwarte: 56m 31,672s, woraus er auf Grund der Tinter'schen Angaben und eigener Messungen für den neuen Meridiankreis den Wert: -56m 32,126s als Länge von Greenwich ableitete. Für die Breite erhält er unter Zugrundelegung des Tinter'schen Polhöhenwertes[2] 48° 3' 23,8" auf die gleiche Weise für den Repsold'schen Meridiankreis: 48° 3' 30,09".

Als im Jahre 1910 das Stift ein Elektrizitätswerk baute, wurde dessen Leitung P. Bonifaz übertragen. Da er außerdem am Gymnasium Unterricht aus Mathematik und Physik erteilen mußte, so blieb ihm natürlich unmöglich noch Zeit für astronomische Arbeiten und der neue Meridiankreis mußte auf Dr. P. Anselm Blumenschein[3] warten, der im Frühjahr 1914 als absolvierter Lehramtskandidat für Mathematik und Physik ins Mutterkloster zurückkehrte und hier von P. Bonifaz Zölß in die Beobachtungsarbeit eingeführt wurde. Er hatte sich mit größtem Eifer und Interesse ans Werk gemacht und versuchte es gleich in den ersten Monaten mit einer Polhöhenbestimmung, die als Mittel aus 10 Beobachtungen den mit den sonstigen Angaben überraschend gut übereinstimmenden Wert: 48° 3' 30,109" ergibt; der durchschnittliche Fehler einer Beobachtung ist jedoch 0,565", was wieder nicht zu verwundern ist, da sie seine erste Deklinationsbeobachtung vorstellt, in der möglicherweise die Fehler noch nicht alle in Rechnung gezogen wurden. Im Juli 1914 begann er nun gleich mit einer größeren Rektaszensionsarbeit, die zumindest auf zwei Beobachtungsjahre angelegt war. Er wollte den Versuch machen, mit Hilfe des Meridiankreises Fixsternparallaxen zu bestimmen, und beobachtete zu diesem Zweck 21 Zonen zu je 24 Sternen zwischen 60° - 65° nördl. Deklination nebst 8 Fundamentalsternen für die Zeit- und Fehlerbestimmung. Leider sind die vielen zum größten Teil auch noch unreduzierten Beobachtungen für den vermeinten Zweck unbrauchbar, da der rauhe Krieg die Beobachtungsreihe gewaltsam unterbrach, indem er unseren guten P. Anselm zum Kriegsdienst als Feldkuraten am 14. Juni 1915 nach dem italienischen Kriegsschauplatz abrief, wo er schon am 17. April 1916 am Col di Lana sein Leben fürs Vaterland opferte: Für ihn ein Triumph der Nächstenliebe, fürs Vaterland das Opfer eines seiner besten Patrioten, für Kremsmünster und seine Sternwarte ein unersetzlicher Verlust.

Nach dem Krieg hatte das Radio einen ungeahnten Aufschwung genommen und dadurch auch der astronomischen Wissenschaft ein bequemes Hilfsmittel für den Vergleich astronomischer Uhrzeiten geliefert. Diese Tatsache nahm der Verfasser zum Anlaß, mit Hilfe der von Nauen und Paris gegebenen drahtlosen Koinzidenzsignale und einer Reihe von Zeitbestimmungen am Repsold'schen Meridiankreis eine Längenbestimmung für diesen Ort durchzuführen. (RANKL, 10-12)



[1]  Er veröffentlichte seine dortigen Beobachtungen in den Publikationen der Kuffnerischen Sternwarte, 6. Bd., 6. Teil. Wien 1909: Katalog von 818 Sternen zwischen 54 und 66° nördlicher Deklination.

[2] Denkschrift der Akad. der Wiss. Wien, Bd. 148, S. 238

[3] Programm des Gymn. Kremsmünster 1918, S. 3-13 enthält sein Lebensbild


Quellen und Literatur:


KRAML, P. Amand 2008: 250 Jahre Sternwarte Kremsmünster, in: Öffentliches Stiftsgymnasium Kremsmünster 151. Jahresbericht, 33-83, Thalheim

RABENALT, P. Ansgar 1958: Geschichte der Sternwarte von Kremsmünster. Eine kurze Zusammenfassung anlässlich des 200jährigen Jubiläums, in: 101. Jahresbericht Schuljahr 1958 Öffentl. Gymnasium der Benediktiner zu Kremsmünster, Kremsmünster, 7-27

RANKL, P. Richard 1928: Der Meridian von Kremsmünster, in: 78. Jahresbericht des Obergymnasiums zu Kremsmünster, Linz


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