aus dem Museum der Sternwarte Kremsmünster
Juni 2002
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5 1/2 Zoll-Refraktor in der Kuppel der Sternwarte Inv. Nr.: 18121105 nach einer Ansichtskarte um 1948 |
Über den im Jahre 1857 in der dafür errichteten Kuppel aufgestellten Refraktor informiert uns P. Sigmund Fellöcker in seiner Sternwarte-Geschichte:
P. Marian Koller's grösstes Verdienst jedoch um die
Beobachtungsmittel unserer Sternwarte dürfte sein Anteil an dem Zustandekommen
eines grossen parallaktisch montirten Refraktors für dieselbe sein.
Die erste Anregung dazu findet sich in
Kollers Brief an P. Augustin Reslhuber vom 28.
Jänner 1852.
[1]
Die Möglichkeit der Aufstellung eines solchen Instrumentes auf dem Plateau der
Sternwarte zu prüfen, bat er um einen "Querschnitt derselben in der Höhe
des Plafonds des Observations-Saales mit genauer Rücksichtnahme auf die
Dimensionen der Hauptmauern"; seinem Dank an Reslhuber "für den
geschickten Querschnitt" am 5. April 1852 fügt er die Worte bei: "Ich
will die Sache mit Stampfer nun besprechen und das Uebrige wird, se Dio lo
vuole, folgen." Aber eine Pause von mehr als 3 Jahren trat ein. Erst Ende
August 1855, wo Koller mit Stampfer und Kunzek mehrere Tage hier zubrachte,
wurde im persönlichen Verkehr mit Reslhuber die Sache wieder und jetzt mit
allem Eifer aufgegriffen. Es entspann sich jetzt vom 11. September 1855 bis 23.
September 1857 eine Korrespondenz zwischen Stampfer und Koller einerseits und
Reslhuber andererseits, deren vornehmstes Objekt der Refractor war. Aus den
Mitteilungen Reslhuber's über die beantragte Lokalität schöpfte Stampfer
zuerst die Ueberzeugung, dass ein Fernrohr mit 5 ½ Zoll Oeffnung und 7 FUSS
Länge, welches einen inneren Durchmesser der Kuppel von wenigstens 9 ½ FUSS
erforderte, hinsichtlich der Aufstellung keine Schwierigkeit machen würde.
(Stampfer's Briefe an Reslhuber vom 15. September und 18. November 1855.) Dann
dachte man, zuerst die ganze Bestellung bei Plössl in Wien zu machen, und
Stampfer hatte bereits Unterhandlungen mit ihm gepflogen;
[2]
später entschied man sich aber doch, das Fernrohr aus dem Fraunhofer'schen
Institute, von Herrn Merz in München, kommen zu lassen, die Montirung aber der
astronomisch-mechanischen Werkstätte des k. k. Polytechnikums in Wien, d. i.
den Herrn Starke Vater und Sohn anzuvertrauen.
[3]
Nach eingeholten Ueberschlagen galt es der Geldfrage. Koller und Stampfer
richteten abgesonderte Schreiben an Abt Thomas Mitterndorfer, das Ansuchen
Reslhuber's zu unterstützen (Stampfer's Briefe an Reslhuber vom 15. September
und 18. November 1855); Koller erklärte sich sogar bereit, einen namhaften
Geldbeitrag zu dem Instrumente zu liefern (den er seiner Zeit auch wirklich
geleistet hat). Und siehe da am 13. Dezember 1855 konnte Stampfer Reslhuber
schon beglückwünschen über die Einwilligung von Seite des
Herrn Prälaten.
[4]
Ende desselben Monats noch reichte Stampfer die definitive Bestellung des
Instrumentes bei der Instituts-Direktion ein. Diese bestellte das Fernrohr bei
Merz in München, und selbes kam im August 1856 in
Wien an.
[5]
Es ging nun an die Montirung desselben in der Werkstätte des Polytechnikums; am
21. Juli 1857 konnte Stampfer die Vollendung der Hauptbestandteile bis auf die
Teilung der Kreise, am 8. September 1857 auch die Vollendung der Okulare, der
Mikrometer u. s. w. melden. Das bewegliche Lichtpunkt-Mikrometer, zum ersten
Male an dem Instrumente versucht, hatte besondere
Mühe und Zeit gekostet.
[6]
Inzwischen war eben so eifrig in Kremsmünster nach dem. Plane des k. k.
Finanzrates Latzel der Umbau des nordöstlichen Pavillons auf dem Plateau der
Sternwarte, als in Wien durch den Schlossermeister Bernd die Konstruktion der
Drehkuppel betrieben worden.
[7]
Am 27. September 1857 trug dasselbe Dampfschiff Koller, Latzel, Stampfer, Herr
und Gustav Starke und den fertigen Refraktor Donau aufwärts, Anfangs Oktober
wurde derselbe vom Direktor A. Reslhuber im Beisein und mit Beihilfe der genannten
Herrn auf seinem Standorte aufgestellt und rektifizirt.
Rechnung v. 26. October 1857. Parallaktisch aufgestellter
Refractor 87 Zoll Brennweite, 68 Linien Öffnung.
sammt allem Zugehör & Verpackung
Conv. Münze F 3730.-
Archiv der Sternwarte-Direktion -
Dieser Auszug enthält weiter unten auch die Rechnung für den
Vertikalkreis vom 30. Juli 1861.
Mit diesem Instrumente ward dem vieljährigen Zusammenwirken Koller's, Stampfer's und Starke's, aber zugleich der Sternwarte die Krone aufgesetzt, und ihrem Direktor A. Reslhuber "ein bis dahin schwer entbehrtes Mittel geboten, in der beobachtenden Sternkunde gleichen Schritt mit den besten Observatorien halten zu können." (Koller an Reslhuber am 31. Dezember 1855.) Der Tag der vollendeten Aufstellung war ein Freudenfest für unser ganzes Haus, für die Sternwarte der Anfang einer neuen Epoche!
(vgl. Fellöcker, 282-283)
In den Astronomischen Nachrichten päsentierte P. Augustin Reslhuber stolz seine
neueste Erungenschaft:
Ich kann Ihnen zu meiner grössten Freude berichten, dass unsere Sternwarte in
jüngster Zeit durch die Munifzenz unseres Hochw. Stifts-Vorstandes des Abtes
Thomas Mitterndorfer, kais. Rathes, Ritters des kais. österr. Leopold-Ordens,
und des Hrn. Dr. Marian Koller, k. k. Ministerial-Rathes im hohen Ministerium des
Cultus und Unterrichtes (früheren Directors der Sternwarte) einen siebenschuhigen
Refractor von 5 1/2 Pariser-Zollen Objectiv-Oeffnung erhalten hat.
Das Fernrohr ist aus dem berühmten optischen Institute der Herren Georg Merz und
Söhne in München, die parallactische Montirung sammt den Micrometern wurde
von der unter der Leitung des ausgezeichneten Mechanikers Christoph Starke
stehenden astronomisch-mechanischen Werkstätte des k. k. polytechnischen
Instituts in Wien besorgt.
Das Fernrohr ruht auf einer soliden Säule aus Gusseisen mit Dreifuss; der
Kopf der Säule, in welchem die Stunden-Axe ruht, ist horizontal beweglich
mit den nöthigen Schrauben für die Drehung im Azimuthe. Der massive
Stundenkreis in einem Durchmesser von 11 Zoll ist getheilt in halbe
Zeit-Minuten, die Nonien geben halbe Zeit-Sekunden. Der gleichfalls
massive Declinations-Kreis in einem Durchmesser von 15 Zoll ist getheilt
in Intervalle von 5 zu 5 Bogenminuten, die Nonien geben die Lesungen von
4 zu 4 Secunden.
Das Fernrohr ist versehen mit sieben Ocularen für directe Einsätze, und
mit fünf Ocularen für den prismatischen Einsatz ; stärkste Vergrösserung
400 mal.
Nebst den Ringmikrometern ist das Fernrohr ausgestattet
a) mit einem
Faden-Mikrometer, bestehend aus drei Stundenfäden, drei Paaren
Declinations-Fäden und zwei Paaren durch eine
Mikrometer-Schraube beweglicher Declinations-Fäden
b) mit einem Lichtpunkt-Micrometer nach der höchst sinnreichen Idee
des Herrn Prof. Stampfer (zum erstenmale bei einem Refractor ausgeführt),
bestehend aus zwei Paaren fixer Lichtpunkte, und zwei
Paaren durch eine Micrometer-Vorrichtung In Declination beweglicher Lichtpunkte.
Nachdem im Laufe des Sommers ein passendes Locale zur Aufnahme des Refractors,
in Form einer Rotonde, auf der obersten Zinne der Sternwarte nach dem Entwurfe
des Herrn Ignaz Latzl, k. k. Finanzrathes, hergestellt war, begann am 22sten
Septemb. die Aufstellung der nach dem Plane und unter der Aufsicht des eben
benannten Herrn Finanzrathes von dem Kunstschlosser Joseph Bernd in Wien mit
Meisterschaft ausgefertigten Drehkuppel in einem Durchmesser von zwei Klaftern;
die Bewegung der Kuppel, obgleich sie an Eisen- und Kupfer-Bestandtheilen ein
Gewicht von mehr als 30 Centnern hat, wird durch Rollen auf einer ebenen
Kreisbahn mittels eines einfachen Getriebes mit überraschender Leichtigkeit
bewerkstelligt.
Am 10ten October wurde der Refractor in seine neue Behausung eingeführt,
die Aufstellung unter der Leitung des Herrn Professors S. Stampfer, des
vieljährigen Gönners und Freundes unserer Sternwarte, von dem trefflich
gebildeten und gewandten jungen Mechaniker Hrn. Gustav Starke vollführt,
und sogleich die genaue Rectification des Instrumentes vorgenommen.
Das Instrument ist sowohl was die Güte und Vollkommenheit des Fernrohres,
als die parallactische Montirung und Ausstattung mit Micrometern anbelangt,
ein Vorzügliches, bildet eine der ersten Zierden unserer Sternwarte, und ist
ein würdiges Angebinde zu der im nächsten Jahre eintretenden Erinnerungsfeier
des einhundertjährigen Bestehens der Sternwarte.
Zu gleicher Zeit mit dein Refractor erhielt die Sternwarte noch ein zweites
sehr werthvolles Geschenk vom Herrn Dr. Marian Koller in einem vortrefflichen
dialytischen Fernrohre von 40 Zollen Länge und 37 Linien Objectiv-Oeffnung,
auf einem Stative aus einer meseingenen Säule mit Dreifuss, mit horizontaler
und verticaler sanfter Bewegung durch Triebwerk; zur näherungsweisen
Einstellung dienen ein Horizontal-und ein Vertical-Kreis, beide in ganze
Grade getheilt, die Nonien lassen noch 1/10 Grad ablesen.
Ich erfülle eine mir sehr angenehme Pflicht, indem ich Namens der Sternwarte
den beiden hohen Wohlthätern für diese höchst werthvollen und erwünschten
Geschenke, dem Herrn Prof. S. Stampfer für die liebevolle Theilnahme bei
der Anregung, sowie für die allseitige und umsichtige Mühewaltung bei der
Construction, Aufstellung und Rectification des Refractors, dem
Herrn Finanzrathe I. Lattl für die vielen freundlich geleisteten Dienste bei
der Anfertigung und Aufstellung der Drehkuppel in diesen Blättern öffentlich
meinen grössten, wärmsten Dank ausspreche.
Kremsmünster 1857 Oct. 26. A. Reslhuber,
(RESLHUBER No. 1116, 183-186)
Das besondere - von Simon Stampfer erdachte - Lichtpunkt-Mikrometer beschreibt Reslhuber ausführlich
in seinem Schreiben an den Herausgeber der
Astronomischen Nachrichten in Altona vom 10. April 1858:
Schreiben des Herrn Prof. Reslhuber, Dir. der Sternwarte in Kremsmünster, an den Herausgeber.
Indem ich Ihnen die ersten mit dem neuen Refractor der hiesigen Sternwarte gemachten Beobachtungen
übersende, bemerke ich, dass sie unter Anwendung des sehr sinnreich eingerichteten Stampfer'schen
Lichtpunkt-Micrometers ausgeführt sind. Ich behalte mir vor, Ihnen nach eingeholter Erlaubniss von
Seite des Erfinders seiner Zeit eine genaue Beschreibung der Mikrometer-Vorrichtung zu übersenden
und bemerke vorläufig, dass dieses Mikrometer sich wesentlich in der Einrichtung von dem unterscheidet,
welches am Meridiankreise angebracht ist.
Der Beleuchtungs-Lampe gegenüber befindet sich auf der Innenwand des Fernrohres die Fassung mit
zwei Paaren feiner Stahlstiften, deren obere Enden genau abgerundet und gut polirt sind; das auf die
Glanzflächen auffallende Licht wird gegen die Oculare reflectirt, eine achromatische Linse, deren
Brennpunkt mit dem der Ocular-Linse zusammenfällt, fängt die Lichtstrahlen auf, und so
entstehen im Gesichtsfelde zwei Paare künstlicher Sterne, deren Helligkeit nach Belieben
modificirt werden kann. Die Stellung der Lichtpunkte ist
Die Fassung mit den Stahlstiften ist durch eine Charnière beweglich: die Bewegung wird
durch einen mit der Fassung verbundenen Hebel vermittelt, mit dessen äusserstem Ende
(gegen das Ocular hin) eine Mikrometerschraube A in Verbindung steht, die auf der Aussenseite
des Fernrohres eine genau eingetheilte Scheibe mit Nonius hat. Durch diese Einrichtung kann die
Fassung im Sinne der Declination bewegt werden, so dass man die Lichtpunkte durch das ganze
Gesichtsfeld auf oder ab fuhren kann.
Die Linse, welche die Bilder der künstlichen Sterne im Brennpunkte der Oculare erzeugt, ist in
ihrer Mitte durchschnitten, die eine Hälfte derselben steht fest, die andere ist durch eine
Mikrometer-Vorrichtung in Declination bewegbar. Stehen die beiden Linsenhälften genau neben
einander, so habe ich nur ein Bild der beiden Lichtpunkte-Paare, verschiebe ich die bewegliche
Linsenhälfte, so erhalte ich zwei genau übereinander stehende Bilder
: :
Die Methode bei Differenz-Beobachtungen ist folgende: zuerst untersucht man den Stand der Microrneter-Schraube
B bei vollkommener Deckung der beiden Bilder der zwei Lichtpunkte-Paare, ich heisse diesen Stand = C; stelle
dann das Fernrohr so, dass die beiden zu beobachtenden Gestirne das Gesichtsfeld in den bestmöglichen
Abständen vom Mittelpunkte desselben passiren, führe nun mit der Micrometerschraube A das von dem
feststehenden Theile der Linsenhälfte erzeugte Bild der beiden Punktepaare auf den vorausgehenden Stern,
beobachte die Durchgangszeiten bei jedem Punktepaare, und vollführe die genaue Einstellung auf die Mitte
mittels der Declinationsschraube des Refractors. Nach dem Durchgange des ersten Gestirnes darf in der
Stellung des Fernrohres nichts mehr geändert werden.
Mit der Micrometerschraube B führt man das von der beweglichen Linsenhälfte gegebene Bild der
Lichtpunkte auf den zweiten, nachfolgenden Stern, dass dieser genau zwischen den Punkten durchgeht, fasst
die Durchgangszeiten auf, und liesst zuletzt den Stand der Micrometerschraube B ab, er heisse = D.
Die Differenz der Durchgangszeiten gibt die Rectascensions-Differenz, (C – D) die Declinations-Differenz
der beiden Gestirne.
Da man beide Gestirne in demselben Stundenwinkel beobachtet, so ist der Einfluss der Refraction auf den
Stundenwinkel für beide Gestirne völlig gleich , also in der Differenz nicht zu berücksichtigen,
darf aber bei der Declination nicht vernachlässigt werden, besonders wenn bei grösseren
Zenithdistanzen die Differenz, der Declinationen mehrere Minuten beträgt.
Die Leichtigkeit der Handhabung des Micrometers, die Einfachheit der Beobachtungsweise, und besonders der
Reduction der erlangten Beobachtungen, die Schnelligkeit, mit welcher die Beobachtungen wiederholt werden
können, und der Umstand, dass man eine freiere Auswahl der Vergleichsterne hat, sind sehr empfehlende
Vorzüge des neuen mit mechanischer Vollkommenheit ausgeführten Micrometers.
(RESLHUBER, No. 1138, 149-152)
Faszikel P. Marian Koller Conto's astronomische, physikalische und geometrische Instrumente betreffend, Manuskripte VII,
Koller 3 im Archiv der Sternwartedirektion
FELLÖCKER, P. Sigmund 1864: Die Geschichte der Sternwarte der Benediktiner-Abtei
Kremsmünster, Linz
KOST, Jürgen 2014: Wissenschaftlicher Instrumentenbau der Firma Merz in München (1838-1932), DISS Hamburg
KRAML, P. Amand 2008: 250 Jahre Sternwarte Kremsmünster, in: Öffentliches Stiftsgymnasium
Kremsmünster 151. Jahresbericht, 33-83, Thalheim
MERZ, Sigmund o. J.: Verzeichniss der Instrumente, welche in dem optischen
Institute v. Sigmund Merz für nachstehende Preise geliefert werden, o. O.
RESLHUBER, Augustin 1858: Schreiben des Herrn Prof. Reslhuber, Dir. der Sternw. zu Kremsmünster, an den
Herausgeber, in: Astronomische Nachrichten begründet von H. C. Schumacher, 47. Bd., Nr. 1116, Altona, 183-186
RESLHUBER, Augustin 1858: Schreiben des Herrn Prof. Reslhuber, Dir. der Sternwarte in Kremsmünster, an den
Herausgeber, in: Astronomische Nachrichten, 48. Bd., Nr. 1138, Altona, 149-158