Modell der Sternwarte von P. Anselm Desing, Hofgartenseite
Holz, mehrfarbig gefasst, Höhe: (ohne Fahne) 94 cm, Breite: 54 cm, Tiefe: 41 cm (ohne Bodenplatte)
Foto: P. Amand Kraml (202507122714)
Das zweite Sternwarte-Modell von P. Anselm Desing
Nachdem der Bau einer Sternwarte am Brückentor nicht realisiert werden konnte, verfolgte man den Plan, in Kremsmünster
eine Sternwarte mit allem was damals dazugehörte zu errichten, durchaus weiter.
Und P. Anselm Desing war wohl zusammen mit dem Akademie-Direktor
P. Nonnos Stadler noch immer der
Motor, um diesen Plan wach zu halten. Die Vorstellungen, die man damals von
einem solchen Bau hatte, orientierten sich an den berühmten Sternwarte-Gebäuden in Paris oder Danzig (vgl.
Desings Brief vom 1741-02-10). In Desings
Mappe mit Zeichnungen und Plänen, die in Amberg jetzt wieder aufgetaucht ist, finden sich so einige auf Papier gebrachte
Vorbilder und Vorstellungen. Auch der Aufriss für die Südseite des ersten Kremsmünsterer
Sternwarte-Projektes ist dort zu finden.
Für die Verwirklichung eines neu konzipierten Sternwartebaues wurde ein neuer Standort gewählt. Der ist zwar nicht
der beste, den man in Kremsmünster hätte finden können, aber die Einbindung in das Klostergefüge war den Konventualen
und dem Abt wohl von Bedeutung.
Im Brief vom 12. November 1749 bittet Desing, ihm das Modell, das der lignarius Leonhard
angefertigt hat, nach
Passau zu schicken. Ein lignarius ist ein Arbeiter, dessen Werkstoff Holz ist, also ein Zimmermann oder Tischler und dieser Leonhard
ist wohl der Sohn des damaligen Maurerpoliers Wolfgang Seethaller, der dann nach dem Einsturz die Funktion seines Vaters übernimmt.
Modell zerlegt, zeigt das Erdgeschoß
Foto: P. Amand Kraml (202507122785)
Modell zerlegt, zeigt den Hohen Saal (4. Stock), die Löcher für den Schacht und die Wendeltreppe sind gebohrt.
Foto: P. Amand Kraml (202507122789)
Unser Modell ist zerlegbar. Die einzelnen Stockwerke kann man abheben. Der zentrale Teil mit dem Stiegenhaus kann auch sebstständig aufgestellt werden. Die Mauern in den Stockwerken sind ausgeführt und man sieht, wo Gewölbe geplant sind. Der Schacht ist nur im Hohen Saal ausgehöhlt. Die Wendeltreppe sollte eigentlich im Zwischenstockwerk vor dem Hohen Saal beginnen.Während des Baues ist aber übersehen worden, den Hohlraum für die Wendeltreppe dort frei zu lassen, sodass diese eben erst im heutigen Zoologischen Kabinett beginnt. (vgl. DESING, Historia, 23v) Das Modell zeigt auch nur im 4. Stock die Aushöhlung für die Wendeltreppe.
Auch bei diesem Modell können wir uns gut auf die von P. Franz Schwab gesammelten Fakten stützen:
2. Modell des mathematischen Turmes. Nach Desings Plänen schnitzte der geschickte junge Leonhard Seethaller, der Sohn des Maurerpoliers Wolfgang Seethaller, ein Modell des neuen Gebäudes, das dem früher geplanten an Größe nicht nachstand. Nach dem Modelle erheben sich über dem massiven Erdgeschoß mit dem hohen Portale Stockwerke mit je 7 Fenstern in der breiten und 3 in der schmalen Front. Das 4. Stockwerk ist aber 4 ¼ mal so hoch als die Übrigen und besitzt über den rechteckigen noch ovale Fenster. Hierauf verjüngt sich der Bau an der schmalen Seite um die Breite je zweier Fenster, wodurch auf jeder Schmalseite eine breite mit einer Steinbalustrade umgebene Altane entsteht, die vom 5. Stockwerke, der den astronomischen Beobachtungssaal enthält, zugänglich ist.
Hierauf folgt die zweite gleichfalls von einer Balustrade umschlossene Altane, die um den ganzen Turm herumläuft, aber gegen die breite Front des Turmes geräumiger ist. Darüber stehen noch zwei schmale Stockwerke, die mit einer Plattform und einem zierlichen Geländer enden. Die abgeschrägten obersten Kanten des Mauerwerkes sind mit Sonnenuhren verziert.
So das Modell. Die wirkliche Ausführung weist jedoch einige nicht unwesentliche Abweichungen auf. Als man über dem vierten Stockwerke mit seinen verhältnismäßig schlanken Pfeilern, von denen einer durch eine Wendeltreppe, der andere durch den astronomischen Brunnen ausgehöhlt war, weiterbaute, erfolgte am 23. Mai 1755 ein längst geahnter, teilweiser Einsturz. Bei der Ausbesserung des Schadens wurde das vierte Stockwerk durch Einschaltung einer Mezzanina erniedrigt, dafür aber der darüberstehende Beobachtungssaal erhöht, die obere Altane nur an der breiten Front des Gebäudes angebracht und darüber ein einziges Stockwerk mit einem Zimmer (Kapellenzimmer) und einigen Beobachtungspavillons aufgeführt.
Die Höhe blieb dabei nahe dieselbe, die geplant war, die Gliederung und das Mauerwerk über der unteren Altane wurde jedoch bedeutend vereinfacht.
Die Architektur des neuen mathematischen Turmes, dessen Aufbau die Zeit von 1748-1758 beanspruchte, ist im Äußeren einfacher gehalten als im ersten Modelle, der Bau ist jedoch durch seine massigen Dimensionen durch seine alle übrigen Gebäude überragende Höhe und seine exponierte Stellung am Rande eines steilen, 50 m hohen Abhanges zu einem Wahrzeichen Kremsmünsters geworden.
P. Laurenz Doberschitz führt das Modell an unter Mechanica Nr. 12,
P. Marian Koller unter Nr. 317.
Einige Originalpläne von Desing, die Abänderungsvorschläge von Blasius Frank (schon 1744, 1745) sowie spätere Pläne einzelner Stockwerke sind enthalten in Cod. Mss der Münchner Universitätsbibliothek Nr. 701-704, 707-708. Skizzen 702 fol. 405, 703 fol 453, 464, 472; 704 fol. 17, 18, 164, 704 fol. 396-399.
In der Beschreibung der Specula Cremifanensis von P. Laurenz Doberschitz treffen wir zweimal auf dieses Modell. Da kommt ein Hinweis bei der Abänderung des Planes nach dem Einsturz: daß man wegen den schon einmal erlittenen Einsturz ein wenig schüchtern wurde, und sich nicht getraute, die Speculam ober den zwo Altonen in jener proportionirten Höhe aufzuführen, als es in dem zuvor gemachten Modelle war aufgezeichnet gewesen. (DOBERSCHITZ, 14) Die konkrete Anführung als Sammlungsobjekt unter Mechanica fällt dann aber sehr knapp aus: 12. Der mathematische Thurn in dem Modelle. (DOBERSCHITZ, 247)
Zur Person des Leonhard Seethaller kann noch einiges hinzugefügt werden. Leonhard Seethaller ist der Sohn von Wolfgang Seethaller,
dem Stifts-Maurerpolier Wolfgang Seethaller, der meist als Meister Wolf bezeichnet wird. Nach dem Einsturz der Sternwarte 1755 übernahm
Leonhard die Bauleitung vor Ort. Desing schreibt in seinem Brief vom 1. Februar 1756: Ich werde mich oft an die Seele von Meister Wolff am Altar erinnern. Wenn der Ingenieur [= Blasius Frank] ein etwas umgänglicherer Mann wäre, würde ich persönlich empfehlen, ihm die Aufgabe anzuvertrauen. Aber ich glaube, dass Leonards Sachverstand in dieser Hinsicht nicht geringer ist. Leonard, wenn er, wie ich ihm geraten habe, noch ein paar Jahre an anderen Orten lebte, wie Wien, Prag usw., damit er einige Sprachen lernen könnte, Französisch oder Italienisch, wird er nicht nur ein ausgezeichneter Maurermeister, sondern für Kremsmünster ein wahrer Architekt. [= Übersetzung]
Später begab sich Leonhard Seethaller auf Antrieb seines Weibes, einer Kremsner-Tochter, nach Regensburg
und bekannte sich daselbst zum Lutherismus. Ein Sohn von ihm trat ins Stift Seitenstetten ein (SCHWARZENBRUNNER, II, 124)
Quellen und Literatur:
DESING, Anselm o. J. : Architetture di pugno, Amberg, Provinzialbibliothek, 2 MS 66
DESING, Anselm o. J: Historia Observatorii Cremifanensis in Austria Superiore, Codex latinus 11486 fol. 17r - 29v, MS mit Transkription und
Übersetzung von P. Ansgar RABENALT zusammengestellt als Typoskript von P. Amand KRAML, Kremsmünster
DOBERSCHITZ, P. Laurenz 1999: Specula Cremifanensis, 1. Band. Beschreibung der in dem mathematischen Thurne zu Kremsmünster befindlichen Naturalien, Instrumenten, und Seltenheiten, hrsg. von P. Amand Kraml, Berichte des Anselm Desing Vereins, 40, Kremsmünster
FELLÖCKER, P. Sigmund 1864: Geschichte der Sternwarte der Benediktiner-Abtei Kremsmünster, Linz
PÜHRINGER-ZWANOWETZ, Leonore 1977: Alte Ansichten, Modelle und Pläne, in: Österreichische Kunsttopographie Bd XLIII. Die Kunstdenkmäler des Benediktinerstiftes Kremsmünster, Bd. I, Wien, 27-33
SCHWAB, P. Franz o. J. [1906/07]: Korresp. Desing, [Konvolut von Abschriften der Desing-Briefe aus der Universitätsbibliothek München] MS, Direktions-Archiv der Sternwarte, Kremsmünster
SCHWARZENBRUNNER, P. Bonifaz o. J.: Astronomischer Briefwechsel der Kremsm. Sternwarte, geführt von P. Bonifaz Schwarzenbrunner. Ites Heft
enthält Briefe vom J 1741 bis August 1826, MS Direktionsarchiv der Sternwarte
SCHWARZENBRUNNER, P. Bonifaz o. J.: Astronomischer Briefwechsel der Kremsm. Sternwarte, geführt von P. Bonifaz Jacob Schwarzenbrunner. IItes Heft welches Briefe vom August 1826 bis 24. Dec. 1828 enthält. Nebst Auszügen aus älteren Briefen, MS Direktionsarchiv der Sternwarte.