Objekt des Monats

aus dem Museum der Sternwarte Kremsmünster

Mai 2025



Sternwarte-Modell
Modell des nicht verwirklichten Sternwarte-Baus
Holz, mehrfarbig gefasst,
Höhe: 76 cm, Breite: 53 cm, Tiefe: 34 cm (ohne Sockelplatte)
Foto: P. Amand Kraml (202507122839)


Modell des nicht verwirklichten Sternwarte-Baus


Modell Südost-Seite
Modell der Sternwarte, Blick auf die Südseite
Foto: P. Amand Kraml (199902240035)
Anlässlich des 250. Todestages von Anselm Desing veranstaltete die Provinzialbibliothek Amberg am 02. Juli 2022 einen Vortrag, zu dem Georg Schrott, mit dem ich schon lange Zeit in Kontakt bin, als Referent eingeladen wurde. Desings Bedeutung für unsere Sternwarte und die Ritterakademie lockten mich nach Amberg. Bei dieser Gelegenheit wurde mir auch dankenswerter Weise die Möglichkeit eingeräumt, die beiden damals jüngst wiederentdeckten Grafikmappen Desings anzuschauen. Zwei Dinge fielen mir schon damals gleich ins Auge. In der einen Mappe waren Sonnenmakel-Zeichnungen aus Desings Zeit in Salzburg. Das musste ich dann natürlich möglichst bald Hisashi Hayakawa nach Japan melden, der ja über die Geschichte der Sonnenflecken-Beobachtung forscht. Und im anderen Band fanden sich Abbildungen, die schon auf den ersten Blick irgendwie mit der Planung unserer Sternwarte im Zusammenhang stehen. Da hat wohl Desing Vorbilder gesammelt und auch einige wenige Pläne erstellt, wie die Sternwarte hier verwirklicht werden sollte. Ein Blatt, das wir hier wiedergeben, zeigt nun deutlich eine Version des Aufrisses der Südseite des ersten Sternwarte-Modells. Das ist insofern von größerer Bedeutung, weil man mehrfach versucht hat, das Modell dem Steyrer Baumeister Johann Georg Hayberger (1695-1764) zuzuschreiben. Man sollte also zu klären versuchen, ob die Zeichnung von Desing selbst stammt, ob er sie angefertigt hat, nachdem er das (fremde) Modell zu sehen bekommen hatte, oder ob sie ihm zugesendet worden war und sie eben hier unter seinen Skizzen eingeklebt hatte.

P. Franz Schwab hat wohl am fleißigsten Unterlagen zu unserem nicht ausgeführten Sternwarte-Modell gesammelt. 1. Erstes Modell eines mathematischen Turmes. Die Einfahrt vom Wassergraben in den inneren Stiftshof wurde im Jahre 1594 durch Abt Johannes Spindler (1589-1600) wegen des drohenden Vorrückens der Türken durch einen mächtigen Turm befestigt. Schon 1667 wurde dieser nebst den anstoßenden Stiftsgebäuden von Abt Placidus Buechauer teilweise umgebaut; über dem Portale wurden die drei Marmorstatuen aufgestellt, die sich noch an ihrer Stelle befinden. Unter Abt Alexander Fixlmillner (1731-1759) war dieser Platz zu einem Bau ganz anderer Art ausersehen; es handelte sich um ein Gebäude, das der Pflege der Künste und besonders der Naturwissenschaften gewidmet wäre. Den Anlaß dazu gab die Gründung der adeligen Akademie, einer höheren Lehranstalt mit philosophischen und juridischen Studien für adelige Zöglinge. Der Urheber der Idee war P. Nonosus Stadler (1696-1783), Professor der lateinischen Sprache, der Poesie und der Rhetorik, von 1739 an Schaffner des Stiftes und 1748-1756 zugleich Rector der Akademie. Im Einverständnisse mit dem Abt Alexander Fixlmillner besprach er mit seinem Freunde P. Anselm Desing, Benedictiner von Ensdorf in der Oberpfalz, der nebst einem staunenswerten Wissen und feinem pädagogischem und didaktischem Scharfblicke über tüchtige Kenntnisse in der Baukunst verfügte, alle Einzelheiten des Planes. Es sollte, wie aus der Korrespondenz noch zu ersehen ist, ein Gebäude entstehen, das in seinem Inneren die Schätze der Kunst, die Sammlungen der Naturwissenschaften, wenn möglich das Theater, vielleicht auch Fremdenzimmer, zu ebener Erde sogar, da die Torhalle den Haupteingang ins Stift bildet, einige Geschütze zur Verteidigung beherbergen, in den obersten Räumlichkeiten aber jedenfalls astronomischen und meteorologischen Beobachtungen dienen könnte. Während der Abt an den Flanken des Gebäudes zwei Türme wünschte, drang Desing mit Rücksicht auf die astronomischen Zwecke nach dem Vorbilde der Sternwarte in Danzig und Paris auf die Form eines die Stiftsgebäude hoch überragenden palastartigen Baues mit einer geräumigen Altane, welcher Vorschlag auch den Sieg davontrug. Nachdem Desing den Grundriß vorausgeschickt hatte (29. Sept. 1740), folgte zu Anfang des Jahres 1741 ein von ihm gefertigtes Modell. Am 5. Mai 1741 fragt er sich bei seinem Freunde Stadler an: „Wie gefallt Reverendissimo Praesuli das Modell? Es wird ihm vielleicht zu prope vorkommen, indem es doch ziemlich gesparsam ausgezieret.“
Nach dem noch vorhandenen, gut erhaltenen Modelle war wirklich ein schönes, für die damaligen Beobachtungsverhältnisse sogar praktisches Gebäude zu erwarten. Es hat eine Gesammtlänge von 54 cm, nach Weglassung der anstoßenden Stiftsgebäude von 35,5 cm, eine Breite von 24 cm, wobei es über die anderen Stiftsgebäude nur wenig vorspringt, und eine Höhe von 75 cm, die Stiftsgebäude von 32 cm. Da der Maßstab etwa 1 : 67 beträgt, so war für den Palast der Urania eine Länge von 24 m, eine Breite von 16 m und eine Höhe von 50 m [das entspricht auch in etwa der Maßangaben auf der Zeichnung in Amberg] in Aussicht genommen. Die Front gegen den äußeren Stiftshof (NW) hat mit Beibehaltung des alten Marmorportales mit den drei Statuen über dem massiven Erdgeschoß 4 Stockwerke, in jedem 6 Fenster, die 2 mittleren zu einem Doppelfenster vereinigt. Das fünfte Stockwerk schließt sich in dieser Front unmittelbar an, auf den übrigen Seiten aber tritt es zurück, besonders gegen den innern Stiftshof (SE), um einer breiten, mit einer steinernen Brüstung und daraufgestellten Steinfiguren versehenen Altane Raum zu geben. Die Front endigt mit einer in den allgemeinen Umrissen dreieckigen zierlichen Giebelwand. Das fünfte Stockwerk verjüngt sich nach oben und geht in das vierseitige Bogendach über, dem eine nach vier Seiten offene Krönung (Laterne) aufgesetzt ist. Den obersten Abschluß bildet eine vergoldete Kugel. Gegen den inneren Stiftshof hat die Torhalle drei Bögen, von denen die zwei seitlichen durch Brunnen geziert sind. Der Aufbau ist ähnlich der gegenüberliegenden Front. Von der Altane aus tritt der Bau weit zurück; die dreiseitige, durch ein Zifferblatt, eine Sonnenuhr und dgl. verzierte Giebelwand bildet zugleich eine Seitenwand des fünften Stockwerkes. Die freien Flächen der Wände sind durch Lisenen mit ihren Kapitälen und durch Gesimse gegliedert.
In den Jahren 1741 und 1742 wurden mit teilweiser Verwendung alten Mauerwerks die Torhalle und zwei Stockwerke fertig gemacht. Dann aber kam der Bau infolge der großen Opfer, welche der bairische Sukzessionskrieg vom Stifte forderte, ins Stocken und man gab dem oberen Teil des Gebäudes einen im ganzen gefälligen, aber einfachen und niedrigen Abschluss. Dieser Bau, der kaum die halbe geplante Höhe erreichte, endete nach einer Inschrift im Jahre 1745.
(SCHWAB, 1906, 5-7)

Quellen und Literatur:


DESING, Anselm o. J. : Architetture di pugno, Amberg, Provinzialbibliothek, 2 MS 66

DOBERSCHITZ, P. Laurenz 1999: Specula Cremifanensis, 1. Band. Beschreibung der in dem mathematischen Thurne zu Kremsmünster befindlichen Naturalien, Instrumenten, und Seltenheiten, hrsg. von P. Amand Kraml, Berichte des Anselm Desing Vereins, 40, Kremsmünster

FELLÖCKER, P. Sigmund 1864: Geschichte der Sternwarte der Benediktiner-Abtei Kremsmünster, Linz

KLAMT, Johann-Christian 1999: Sternwarte und Museum im Zeitalter der Aufklärung: der Mathematische Turm zu Kremsmünster (1749-1758), Mainz

PÖTSCH, P. Altman 2013: Tres Portae. Eichentor - Brückentor - Kirchenportal, in: Öffentliches Stiftsgymnasium Kremsmünster. 156. Jahresbericht 2013, Kremsmünster, 49-70

PÜHRINGER-ZWANOWETZ, Leonore 1977: Alte Ansichten, Modelle und Pläne, in: Österreichische Kunsttopographie Bd XLIII. Die Kunstdenkmäler des Benediktinerstiftes Kremsmünster, Bd. I, Wien 27-33

PÜHRINGER-ZWANOWETZ, Leonore 1977: III. Hofgarten und dort befindliche Bauwerke, in: Österreichische Kunsttopographie Bd XLIII. Die Kunstdenkmäler des Benediktinerstiftes Kremsmünster, Bd. I, Wien 458-478

PÜHRINGER-ZWANOWETZ, Leonore 1979: Bemerkungen zur Sternwarte des Stiftes Kremsmünster, Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte Bd. XXXII, Wien-Köln-Graz

SCHWAB, P. Franz 1906: Die Modelle des Physikalischen Kabinettes (transkribiert von P. Amand Kraml), Typoskript, Archiv der Sternwarte Kremsmünder

SCHWAB, P. Franz o. J. [1906/07]: Korresp. Desing, [Konvolut von Abschriften der Desing-Briefe aus der Universitätsbibliothek München] MS, Direktions-Archiv der Sternwarte, Kremsmünster



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Letzte Änderung: 2025-07-19