Die Vogelsammlung in der Sternwarte Kremsmünster

von P. Anselm Pfeiffer, leicht verändert

1887


Ein gewaltiges Netz von ornithologischen Beobachtungs-Stationen hat sich bereits über die ganze Erde ausgespannt. Ornithologische Beobachtungen jeder Art sammelt man aus allen Gegenden; jede diesbezügliche, gewissenhaft erforschte Tatsache, möge sie auch noch so unbedeutend zu sein scheinen, wird berücksichtigt und erwogen, um über Bau, Lebensweise und geographische Verbreitung der Vögel richtige Urteile zu erzielen, (vgl. Instruction für die Mitglied. der ornithol. Beob. Stat. in Öst.-Ung. III. Aufl.) Selbstverständlich je weiter die Kreise in Raum und Zeit gezogen sind, aus welchen sich das gesammelte Material konzentriert, desto allgemeiner werden die resultierenden Schlüsse sein.

Daher pochen die Ornithologen mit voller Berechtigung an den Sammlungen der Landesmuseen, Klöster und Lehranstalten, um die seit Dezennien aufgespeicherten ornithologischen Schätze zu erschließen und zum wissenschaftlichen Gemeingut aller zu machen, (vgl. A. v. Pelzeln, Ein Beitrag zur ornithol. Faun. d. österr.-ung. Monarchie. Vrhdlg. d. zool. bot. Gesellsch. in Wien. Jhrg. 1871, pag. 689.) Dieses Motiv insbesondere führte in neuester Zeit zu einer sorgfältigen Revision und genauen Katalogisierung des ornithologischen Museums in der Sternwarte zu Kremsmünster, und folgende Schrift enthält ein systematisch angelegtes Inventar unserer Vogelsammlung. Was an zerstreuten Notizen über Fundorte, Vorkommen und Herkommen aufzufinden war, wurde bei den einzelnen Arten erwähnt. - Möge aber auch der Katalog jedem, der in dieser Sammlung zu arbeiten hat, umsomehr ein willkommener Führer sein, als eine solche Hilfe bis jetzt fehlte. Die von den Direktoren der Sternwarte Marian Koller und Augustin Reslhuber schon vor mehreren Jahrzehnten abgefassten Verzeichnisse, welche übrigens nur die Namen der damaligen Sammlungsexemplare enthalten, sind infolge der zahlreichen neueren Erwerbungen bereits unbrauchbar geworden, und Reslhuber selbst notierte im Jahre 1857 bei Gelegenheit des Empfanges von Dr. Ritter v. Gencziks Vogelsendung aus Nordostafrika, dass durch dieselbe die Vogelkollektion um ein Drittel ihres Bestandes vermehrt worden sei.

Zur Revision der Vögel, welche der österreichischen Fauna entstammen, wurden vorzüglich J. A. Naumanns Naturgeschichte der Vögel Deutschlands, l.-13. Teil. Leipzig 1822 1860 und C. G. Fridrichs vollständige Naturgeschichte der deutschen Zimmer-, Haus- und Jagdvögel. III. Aufl. Stuttgart 1876, benützt. Manche freundliche Beihilfe verdanke ich Herrn V. Ritt. v. Tschusi zu Schmidhoffen. - Zur Bestimmung der exotischen Vögel, deren größter Teil umgetauft werden musste, verwendete ich besonders M. Th. v. Heuglin, Ornithologie Nordostafrikas, 2. Bd. Cassel 1871-1873 und Brehms Thierleben, große Ausgabe, II. Aufl., Bd. 4, 5 und 6, Leipzig 1878 und 1879. Viele Anhaltspunkte boten mir Handbücher der Zoologie, wie Cuvier, Das Thierreich übers. v. Voigt, Bd. l; Leunis, Synopsis der Naturgesch. des Thierr.; Okens, Allgem. Naturgesch. und der kurze Anhang in Fridrichs vollständiger Naturgesch. "Die ausländischen Vögel" pag. 882-912. Die ausgiebigste Hilfe aber gewährte dabei Herr Kustos Aug. v. Pelzeln, welcher mir nicht nur den Besuch der ornithologischen Sammlung des k. k. Hofmuseums während der letzten Weihnachtsferien gestattete, sondern sogar selbst und unter der Mitwirkung des Herrn Assistenten Dr. Lorenz v. Liburnau zahlreiche (bei 80) mir unbekannte Exoten durch Vergleich mit Exemplaren des k. k. Hofmuseums bestimmte. Ich bin daher diesen Herren zum größten Danke verpflichtet.

Der systematischen Anordnung und der Nomenklatur legte ich das Verzeichnis der bisher in Österreich-Ungarn beobachteten Vögel von V. Ritt. v. Tschusi z. Schmidh. und Eug. Ferd. v. Homeyer zugrunde (Ornis, Jhrg. 1886, pag. 186); die Einreihung der exotischen Vögel geschah (mit nur seltenen Ausnahmen) nach G. R. Grays Handlist of Genera and Species of Birds. Part I-III, London 1869-1871. Die beigefügten Notizen entstammen einem "Notizenbuch für die Sammlungen der Sternwarte", welches von P. Thaddäus Derflinger vom 22. Mai 1819-1821 und dann vom Mechaniker Simon Lettenmayr junior bis März 1834 geführt wurde; den Tagebüchern der Sternwarte, welche von Augustin Reslhuber vom l. November 1853 bis 15. April 1875 und von Gabriel Strasser bis Juli 1876 redigiert wurden; den Gymnasialprogrammen und meinen "Anmerkungen für die naturhistorischen Museen der Sternwarte" seit dem Jahre 1877. Für die folgende kurze Geschichte unserer Vogelsammlung fand ich ausreichendes Material in P. Sigmund Fellöckers "Geschichte der Sternwarte der Benedictiner-Abtei Kremsmünster", Linz 1864.




Die erste Anlage unserer ornithologischen Sammlung fällt in die Zeit des Abtes Alexander Fixlmillner (1731-1759), des Erbauers der Sternwarte. Zur Förderung des mathematisch-naturwissenschaftlichen Studiums ließ er im Jahre 1747 den großen Saal im sogenannten Schlafhause als "Museum physico-mathematicum" einrichten, wo neben astronomischen und physikalischen Instrumenten, Modellen und einigen Antiquitäten auch zoologische Objekte, darunter Vogelbälge und Vogeleier aufbewahrt und ausgestellt wurden.

Nachdem der Bau der Sternwarte im Jahre 1758 vollendet war, wurde auch den Naturalien neben den physikalischen Instrumenten im zweiten Stocke der Sternwarte ein Platz eingeräumt. Den ornithologischen Objekten wendeten der aus Irsee in Bayern (1746) berufene Benediktiner P. Eugen Dobler und unser P. Marian Pachmayr viel Aufmerksamkeit zu. Als besonders nennenswerte Stücke werden ein Steinadler, welcher (1768) in Scharnstein in einer Falle gefangen wurde, und ein Straußenei, welches sich heute noch in der Eiersammlung befindet, hervorgehoben. Die Sammlung enthielt damals auch viele Abbildungen von Vögeln, welche von einem hiesigen Laienbruder, Fr. Lukas Gerr (auch Geer), gemalt waren.

Einer wesentlichen Bereicherung erfreute sich die Sammlung innerhalb der Jahre 1801-1805 durch die Einverleibung zweier Vogelsammlungen, der Privatsammlung des Abtes Erenbert Meyer und der des P. Leopold Vogel von Lambach. Abt Erenbert Meyer (1771-1800) war ein besonderer Verehrer der Naturgeschichte und ließ sich in der Sommerabtei anschließend an den großen Saal neben mancherlei Kollektionen von Schmetterlingen, Conchylien, sogar Höhlenbärenknochen, eine ansehnliche Sammlung von inländischen Vögeln in sechs Kästen aufstellen. P. Laurenz Doberschitz bezeichnet sie als eine "uberrima collectio ex regno animalium, omnis fere generis avium ... ad invidiam turris mathematicae". Auch die Einrichtung dieser Sammlung besorgte P. Eugen Dobler. Durch einen so bedeutenden Zuwachs wurde es notwendig, einen besonderen Raum in der Sternwarte der ornithologischen Sammlung zu widmen; man wählte dafür den langen, westwärts im ersten Stocke gelegenen Saal. Hier verblieb die Sammlung bis ungefähr 1840. Während dieser Zeit fand sie einen besonderen Gönner an dem gelehrten P. Ulrich Hartenschneider, welcher vom Jahre 1830-1835 auch Naturgeschichte lehrte. Seinem regsten Bemühen gelang es, aus den Revieren des Stiftes im Gebiete des Almflusses und der Traun zahlreiche Stücke aus der oberösterreichischen Vogelfauna der Sammlung einzuverleiben. Das Ausstopfen der eingelieferten Vögel besorgte seit 1809 der Diener und Mechaniker an der Sternwarte, Simon Lettenmayr junior, welcher unbeschadet seiner Verwendung in Astronomie, Meteorologie und Physik noch Zeit genug fand, sich viele Verdienste um die Erhaltung und Pflege der Naturalien, insbesondere der ornithologischen Sammlung, zu erwerben. Manche interessante Notiz hat er auf die Gestelle der von ihm präparierten Vögel geschrieben. An Josef Lindenmayr, dem jetzigen Mechaniker der Sternwarte, hat er einen würdigen Nachfolger gefunden.

Durch Kauf und Tausch wurde die Zahl der Vögel unter Marian Kollers Direktorat (1830-1847) abermals bedeutend vermehrt. In solchen Verbindungen stand Koller mit Professor Dr. Waltl in Passau, dem Naturalien-Händler Steinmann in Basel und Herrn Heckel, Inspektor der k. k. naturhistor. Hofmuseen in Wien. Infolge dieser Bereicherungen wurde der Vogelsammlung auch noch der nordöstlich sich anschließende Saal überlassen.

Im Jahre 1847 kam die Sammlung in die Hände des Direktors Augustin Reslhuber; es scheint jedoch, dass er auf dieselbe schon als Adjunkt der Sternwarte (1834-1847) und Professor der Naturgeschichte (1841-1854) den besten Einfluss ausübte. Reslhuber war ein vortrefflicher Naturhistoriker. Durch seine vielen phänologischen Beobachtungen namentlich aus der Vogelwelt, welche er (seit 1842) in seinen Notizbüchern niederschrieb (vgl. K. Fritsch, Normale Zeiten für den Zug der Vögel und verwandte Erscheinungen, Denkschrift, d. math. naturw. Cl. d. kais. Akad. d. Wissensch. XXXIII. Bd. l874), charakterisierte er sowol seine vorzüglichen Kenntnisse in der einheimischen Vogelfauna als insbesondere seine scharfsinnige Beobachtungsgabe. Er hat korrekt bestimmt, die neuen Erwerbungen genau verzeichnet und gegen Woltäter der Sammlung stets eine tiefgefühlte Dankbarkeit gehegt. Daher vermehrte sich die Zahl der Gönner unter Reslhuber auffallend, und die großartigste Spende, deren sich unsere Vogelsammlung überhaupt zu erfreuen hat, fällt in Reslhubers Zeit. Dr. med. August Ritter v. Genczik, ein gebürtiger Oberösterreicher (vgl. dessen Biographie in Wurzbachs biogr. Lexik.), überschickte an das ihm befreundete Kremsmünster aus Chartum am 3. Mai 1857 20, am 11. November durch Herrn F. v. Pausinger 43 und am 6. December desselben Jahres 161 Bälge von Vögeln, welche er während seines Aufenthaltes in Kairo und im Sudan (1849-1852) und dann wiederum während einer zweiten Afrikareise als Sekretär des Österreichischen Konsulates in Chartum erworben und gesammelt hatte. Manche Bälge waren freilich bereits so verdorben, dass sie nicht mehr gestopft werden konnten.

Obwohl Reslhuber, im Jahre 1860 zum Abte des Stiftes erwählt, die Sternwarte verlassen musste, so behielt er doch die Leitung der naturhistorischen Museen so in den Händen, dass P. Gotthard Hofstädter, Professor der Naturgeschichte vom Jahre 1854-1864, der Arbeit in diesen Räumen, mit Ausnahme der botanischen Sammlung und "Droguen - Collection", völlig enthoben war. Ebenso verhielt es sich unter Hofstädters Nachfolger, P. Claudius Viehaus, welcher als Autodidakt in der Naturgeschichte und Stenographie diese Gegenstände vom Jahre 1864 an ungefähr ein Dezennium hindurch an dem Gymnasium mit großer Gründlichkeit lehrte. Dieser eminent fleißige Mann beschäftigte sich seit vielen Jahren mit nomenclatorischen Studien und hinterließ nach seinem Tode am 26. Juli 1886 eine große Menge von Manuskripten, unter welchen ein allgemeiner "Nomenclator botanicus" die erste Stelle einnimmt. Derselbe umfasst 332 Schachteln und jede Schachtel durchschnittlich 400 Blätter; auf jedem Blatte stehen zahlreiche Pflanzennamen, welche Viehaus aus allen ihm zugebote stehenden botanischen Büchern exzerpierte. Man wird eine solche Leistung nur begreifen können, wenn man weiß, dass P. Claudius Viehaus jede Mußestunde dieser Arbeit widmete, täglich bis tief in die Nacht hinein arbeitete und fast täglich um 3 Uhr morgens die Feder schon wieder in der Hand hielt. Sein Lieblingsthema verfolgte er auch im Gebiete der Zoologie, und wir besitzen von ihm die Anfänge eines "Nomenclator zoologicus" in 32 gleich umfangreichen Schachteln, wovon 10 den Namen der Vögel gewidmet sind. Demnach hat auch P. Claudius Viehaus einen dankenswerten, brauchbaren ornithologischen Schatz hinterlassen.

Vom Jahre 1872-1878 lehrte Professor P. Lambert Guppenberger, jetzt Pfarrer in Adlwang, die Naturgeschichte und beherrschte seit dem Tode des Abtes Reslhuber am 29. September 1875 die naturhistorischen Museen. Seinem energischen Fleiße und tüchtigen Kenntnissen verdanken die Sammlungen die Ordnung und Katalogisierung der naturhistorischen Bibliothek, insbesondere aber den ehrenvollen Ruf, dass sie beim naturgeschichtlichen Unterrichte in ausgedehntem Maße praktische Verwendung fanden. Bald erkannten Freunde und Woltäter unseres Hauses die schönen Ziele, welche durch einen solchen Unterricht erreicht wurden, und unter Guppenbergers Leitung hatte gerade die ornithologische Sammlung sich namhafter Spenden zu erfreuen. - Nachdem die Gemäldegalerie aus dem vierten Stock der Sternwarte entfernt worden war, wurde im Jahre 1880 diese schönste Räumlichkeit der ganzen Sternwarte den zoologischen Sammlungen überlassen. Der außerordentlichen Huld und Bereitwilligkeit des damaligen Abtes Cölestin Ganglbauer verdankt die Sammlung die Beistellung von 24 Kästen aus Eichenholz, welche in der Stiftstischlerei verfertigt wurden. Sechzehn derselben wurden für die Aufstellung unserer vielbesuchten ornithologischen Sammlung im Mittel- und Südtrakt des großen Saales verwendet (2.-12. August 1880). - Die Sammlung ist sich der bedeutenden Auslagen bewusst, welche das Stift der neuen Adaptierung opferte und dankt dabei der unterstützenden und vielfach leitenden Beihilfe des hochwürdigen Herrn Stiftspriors P. Sigmund Fellöcker, dessen Verdienste hierin der k. k. Landesschulrat in einem Erlass vom 22. Mai 1881 anerkennend würdigte.

Die ornithologische Sammlung enthält jetzt 1269 Exemplare, welche sich im folgenden Katalog auf 447 Species, 302 Genera, 77 Familien und 18 Ordnungen verteilen; nur einige Stücke blieben noch unbestimmt.


P. Leopold Vogl (auch Vogel) wurde als Sohn des Stiftsmusikers von Kremsmünster Franz Wolfgang Vogl und seiner Frau Maria Anna am 27. Jan. 1734 in Kremsmünster geboren. Am selben Tag wurde er auf die Namen Johannes Chrysostomus Adam getauft. 1745 begann er seine Studien in Kremsmünster mit den Prinzipia, durchlief die übliche Schülerlaufbahn (1747 Rudimenta, 1748 Grammatik, 1749 Syntax, 1750 Poetik, 1751 Rhetorik). 1753-54 absolvierte er an der Ritterakademie sein Philosophicum und war 1755-56 Hörer der Theologie an der gleichen Institution. Erst danach trat er in das nahegelegene Benediktinerstift Lambach ein, erhielt den Ordensnamen Leopold und machte am 8. Dez. 1757 seine Profess. Am 22. Dez. 1759 wurde P. Leopold zum Priester geweiht. Er war Aushilfspriester, Fisch- und Forstmeister, Subprior und zuletzt Profess- und Priesterjubilar. Bei seiner Sekundizfeier 1810 predigte er selbst. Er starb am 27. Juli 1820.
Von Vogl erschien im Druck: Über die Zeisignester, Linz (Trattner) 1782.


Quellen und Literatur:

EILENSTEIN, P. Arno, 1936: Die Benediktinerabtei Lambach in Österreich ob der Enns und ihre Mönche, Linz

KELLNER, P. Altman, 1956: Musikgeschichte des Stiftes Kremsmünster. Nach Quellen dargestellt, Kassel - Basel

LETTENMAYR, Simon jun, 1819..1834: Notizenbuch für die Sammlungen der Sternwarte, Manuskript, Archiv der Sternwarte

PFEIFFER, Anselm, 1887: Die Vogelsammlung in der Sternwarte Kremsmünster, in: 37. Programm des k. k. Ober-Gymnasiums zu Kremsmünster für das Schuljahr 1887



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(c) P. Amand Kraml, 2002-09-05
Letzte Änderung: 2021-09-16