Objekt des Monats

aus dem Museum der Sternwarte Kremsmünster

November 2019



Anamorphose
Nachbau des Zylinderspiegels von G. F. Brander
Inv.-Nr.: 20030701
Spiegelanamorphose von Daniel Volckert in Augsburg
Inv.-Nr.: 11022210, Federzeichnung aquarelliert auf Zeichenkarton, 26 x 34 cm
Foto: P. Amand Kraml


Zylinderspiegel mit Anamorphosen von Georg Friedrich Brander


Beschriftung
Beschriftung der Zylinderanamorphose:
Ein Schiff mit
Contra Windt
durch
Daniel Volckert
In Augsburg

Mit den beiden im Physikalischen Kabinett vorhandenen Zylinderspiegeln (Inv.-Nr. 16062003 und 11022105) ist das Betrachten der zahlreich vorhandenen Anamorphosen nicht mehr möglich. Ihre Spiegelfläche reflektiert nicht mehr gut genug. So war es naheliegend, einen solchen Zylinderspiegel in der Werkstätte der Sternwarte nachzubauen.


In Doberschitzens Specula wird unter Nr. 16 Ein Cylinderspiegel (Speculum cylindricum), nur mit einem Frauenglase überzogen, der verschiedene verkehrte Figuren, auf deren Mittelpunct er muß gesetzet werden, in ihrer rechtmässigen Stellung repraesentiret vorgestellt. (DOBERSCHITZ, 297-298) Ein solcher Spiegel mit einem Glimmerüberzug (= Frauenglas) ist heute nicht mehr erhalten. In diesem Zusammenhang ist ein Zitat bei Inge Keil interessant, wo ein Bericht von Johann Konrad Beuther wiedergegeben ist, der Daniel Volkert besuchte und darüber schreibt: ... machet auch Conische, Cylindrische, Prismatische Spiegel von einer seiner Meinung nach, ihm eigenen Composition von Metallen ... Er macht sie auch von Moscovitischem FrauenEiß. (KEIL, 190) Da stellt sich natürlich die Frage, ob nicht zumindest einer unserer beiden alten Zylinderspiegel einmal mit Glimmer überzogen gewesen sein könnte.

In seinem Brief vom 9. März 1771 bietet der Instrumentenbauer Georg Friedrich Brander aus Augsburg P. Plazidus Fixlmillner sowohl einen Kegel- wie auch einen Zylinderspiegel zum ermäßigten Preis von 20 Fl. an:
Ich weis nicht ob Ew. Hochwürden schon in dem Musaeo mit einem Conisch und Cylindrischen Spiegel samt deformirten Figuren versehen seyn. Würklich besize ich beyde und erstrer hat 8 leztrer 6 Blatt extra schön gemahlte Figuren. Ehemals habe ich verschiedne versandt pro f. 32. Diese aber weil es die lezten seyn, will wenn sie Ew. Hochwürden noch abgehen aus besondrem Betracht pro f. 20 erlaßen. (vgl. RABENALT, 158) Im Brief vom 28. März 1771 kommt Brander nochmals auf sein Angebot vom letzten Brief zurück und versucht mit der Draufgabe von jeweils 6 Anamorphosen zu jedem Spiegel den Kauf noch schmackhafter zu machen:
Was den Conisch und Cylindrischen Spiegel samt figuren, ein großes Prospect und ein großes Brennglas betrifft, so ersehe aus Ew. Hochwürden Schreiben so viel, als ob ich sämtliches überschicken sollte um bey deren Einsicht bey Sr. Hochwürden und Gnaden willigere gnädige Bewährung sich zu versprechen. Solle ich diese Sachen auf solche Art überschicken so bitte mir von Ew. Hochwürden mit umlaufender Post eine geneigte Antwort aus, damit sie nicht indeßen in andre Hände gerathen. Ich werde sodann aus besondrem Betracht zu jedem Spiegel noch 6 Blatt schöne deformirte Figuren von einem andern Meister beylegen, ohne deswegen den Preis zu erhöhen. (RABENALT, 161)

Der Brief vom 20. April 1771 vermeldet nun endlich den Versand der Spiegel samt 15 Blatt Anamorphosen und noch 20 Blatt für den Kegelspiegel als Draufgabe:
Wenn nun das Kästgen heraus ist so befindet sich unter demselben auf einem Zwischen Boden, der Conisch und Cylindrische Spiegel jeder in seinem hölzernen Futteral. Ein Kästgen mit 15 Blatt deformirten Figuren. ... festgemacht unter demselben aber ist das verlangte Prospect-Glas so zwischen 20 Blat deformirter Conischer Figuren gepackt ist, befindlich, welche ich Ew. Hochwürden als ein Surplus versprochen.
Als Beilage zum diesem 10. Brief Branders finden wir auch die entsprechende Rechnung:

Brander-Brief 10

Nota über
die neuerdings abgesandten Stücke
Den großen 18zölligen Brennspiegel
Die Zwey Brenngläser
Conus und Cylinder Spiegel samt 15 Blatt Figuren
Das große Prospect-Glas von 8 Zoll


Emballage



Augsburg d. 20. apr. 1771




..... f. 75
..... f. 75
..... f. 20
..... f. 12
--------------
f. 182
3
--------------
f. 185

G. Fr. Brander

Die Beschriftungen der zehn Blätter sind - soweit sie eine solche tragen - von einer Hand. Man kann sie dann wohl alle Daniel Vol(c)kert (ca. 1677-1761) zuordnen.

Herauszubekommen, welche Bilder nun schon vor der Lieferung Branders vorhanden waren und welche da als Draufgabe dazukamen, ist wohl nicht mehr möglich. Erhalten sind jedenfalls über die zehn hier angeführten rechteckigen Bilder von Volkert hinaus noch neun rechteckige Bilder von Elias Bäck (1679–1747). Dann haben wir noch zwei Serien von kreisförmigen Bildern, die alle von Christian Heinrich Weng (1710-1771) stammen. Davon haben acht einen Durchmesser von 42 cm und sechs einen von 30 cm.

P. Sigmund Fellöcker bringt in seinem Katalog von 1871 drei Zylinderspiegel unter den Nummern 34, 35 und 36 wobei er jeweils die Höhen angibt 7 1/2, 6 1/2 und 4 3/4 Zoll (ca 19, 16,5 und 12 cm). Die Nummer 36 hat bereits jemand durchgestrichen. Sie ist nicht mehr auffindbar.


Anamorphose 1 Romulus und Remus mit Wölfin
6
Inv.-Nr.: 11022202
Anamorphose 2 Simsohn mit dem Kien Backen
7
vgl. Ri 15, 15-16
Inv.-Nr.: 11022203
Anamorphose 3 Jacob wie er die Schafe
5
Inv.-Nr.: 11022204
Anamorphose 4 David et Golia
9
vgl. 1. Sam 17, 51
Inv.-Nr.: 11022205
Anamorphose 5 Loth mit seyne 2 Töchter
2
vgl. Gen 12, 33
Inv.-Nr.: 11022206
Anamorphose 6 Simsohn mit dem Loe.
8
vgl. Ri 14, 6
Inv.-Nr.: 11022207
Anamorphose 7 Inv.-Nr.: 11022209
Anamorphose 8 Ein Schifff mit Contra Windt
durch Daniel Volckert
in Augsburg
Inv.-Nr.: 11022210
Anamorphose 9 12
Inv.-Nr.: 11022208
Anamorphose 10 Eine Augsburgerin Inv.-Nr.: 11022201


Quellen und Literatur:


BRACHNER, Alto et al. 1983: G. F. Brander 1713 - 1783. Wissenschaftliche Instrumente aus seiner Werkstatt, München

DOBERSCHITZ, P. Laurenz 1999: Specula Cremifanensis, 1. Band. Beschreibung der in dem mathematischen Thurne zu Kremsmünster befindlichen Naturalien, Instrumenten, und Seltenheiten, hrsg. von P. Amand Kraml, ADV-Ber. 40, Kremsmünster

ESER, Thomas 2001: Augsburger Anamorphosen des 18. Jahrhunderts, in: Paas, John Roger (Hrsg.), Augsburg, die Bilderfabrik Europas: Essays zur Augsburger Druckgraphik der Frühen Neuzeit - Schwäbische Geschichtsquellen und Forschungen, 21, Augsburg, 173-188

FÜSSLIN, Georg, HENTZE, Ewald 1999: Anamorphosen. Geheime Bilderwelten, Stuttgart

FELLÖCKER, P. Sigmund 1864: Geschichte der Sternwarte der Benediktiner-Abtei Kremsmünster, Linz

FELLÖCKER, P. Sigmund 1871: Catalog des physikalischen Cabinetes zum Schlusse des Schuljahrs 1871. Manuskript, ASK

KEIL, Inge 2000: Augustanus Opticus. Johann Wiesel (1583-1662) und 200 Jahre optisches Handwerk in Augsburg - Colliquia Augustana, 12, Berlin

RABENALT, P. Ansgar 1985: Briefe Georg Friedrich Branders, mechanici in Augsburg an Placidus Fixlmillner OSB 1. Direktor der Sternwarte Kremsmünster. Ein Beitrag zur Gründungsgeschichte des „Mathematischen Turmes“ von Kremsmünster, Studien u. Mitteilungen zur Geschichte des Benediktiner-Ordens u. seiner Zweige, Bd. 96, St. Ottilien, 144-195



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