aus dem Museum der Sternwarte Kremsmünster
April 2021
Nach langer Pause. Endlich, heute am 11. Jänner 1900 komme ich wieder dazu,
hier einzuschreiben. Warum so lange nicht? Einfach gesagt: Mir mangelte die Zeit.
Mit Beginn der langen Ferien gieng die Arbeit los. Viel wurde bis zum 8. Aug.
im bot. Garten ausschliesslich gearbeitet. Am 8. Aug. begann ich die Knappek-
Odelga Mineraliensammlung in die Sternwarte zu übertragen, einzureihen und
einen Zettel-Katalog der ganzen Mineraliensammlung der Sternwarte anzulegen.
Von 7 bis 8h oder 10h früh arbeitete ich in der Sternwarte, dann bis Mittag
im Garten von 1/2 2h bis 5h wieder in der Sternwarte.
Ein solcher Zettelkatalog ist nunmehr notwendig geworden. Warum?
1. Weil keiner bislang da war. 2. Weil seit den 70ger Jahren so viele
Mineralien der Sammlung zukamen, dass alle älteren Kataloge ganz unbrauchbar
wurden. Übrigens habe ich dieselben nie zu Gesicht bekommen, vielleicht liegen
sie unter Schloss und Riegel im Archiv der Sternwarte, das mir nie zugänglich
war. 3. Weil, bei dem eigenartigen System, das der durchwegs verdienstvolle
hochw. H. P. Prior Sigmund Fellöcker für die Anordnung uns. Mineralien gewählt
hat, es oft sehr schwer ist, neu erworbene und seltenere Species einzureihen.
4. Weil man bis zur Stunde weder quantitativ noch qualitativ wusste, was bislang
vorhanden ist.
Welche andere Vortheile ein solcher Zettelkatalog bietet z. B. um gestellte
Fragen zu beantworten ist geradezu unabsehbar. Ich bringe ein Format dieses
Zettelkataloges
7.5 cm
Die dazu verwendeten Zetteln sind bei 16 cm lang und bei 10 cm breit und durch
4 Querlinien in Abschnitte getheilt.
Oben der Name od. die Namen der Species, dann der Fundort, dann einige Worte
zur Charakteristik u. die größte Dimension, dann die Provenienz (in unserem
Falle Knappek-Odelga-Sammlung, weil sie Herr Knappek Josef Inspector der Versich.
Gesellschaft "Donau" gespendet i. J. 1892 und Freiherr v. Odelga gegründet hat)
und die Katalogsnummer aus dem Katalog der Odelga-Sammlung, der in 2 Exemplaren
zugleich mit der Sammlung gespendet wurde, dann der Ort, wo das Stück sich aufbewahrt
findet. Kasten III (aussen am Kasten die Nr. 3, B bedeutet das Schaufenster;
dieser Buchstabe ist immer am Fenster mit schwarzem Eisenlack aufgeschrieben.
L4 = Lade 4
Bis zum Beginn des Schuljahres gelang es mir alle Stücke zu katalogisieren, die in
den Wandschaukästen ausgestellt sind (nicht die Laden) das sind bei 2403 Stücke;
dann mit Beginn des Schuljahres wurde die Krystallsammlung in Angriff genommen.
Das ergab 1087 Stücke, dann musste ich mir die Laden, die hierauf in Angriff
genommen wurden, succesive in meine Wohnung tragen und dort bearbeiten. Hier arbeitete ich
in jeder schulfreien Zeit - nachmittags ging ich täglich 1h spazieren - einigemale
arbeitete ich bis 1/2 11 Uhr in der Nacht. Am 24. December hatte ich den Katalog
bis zu 6188 Nr. gebracht. In den Weihnachtsferien war ich krank. Es blieben noch
bei 3000 Stücke - meinte ich -
Wer immer den Katalog zur Hand bekommt, hat genug Grund, denselben zu tadeln; Meine flüchtige Schrift. Aber es musste schnell gehen und bedenke mein Freund mein Auge ist schon schwach. Jeden beiliegenden Zettel musste ich mit der Leselupe lesen! Warum hat er die Stücke nicht genauer beschrieben? Freund fange an dies zu thun und du wirst viele viele Zeit brauchen, um zu Ende zu kommen! Es lag dies nicht in meinem Ziel. Hast Du Lust dazu, ich habe Dir diese herrliche, beglückende, fruchtbare Arbeit nicht weggenommen. Warum hat er nicht ein anderes System gewählt? Freund, leicht gesagt! Welches hätte ich wählen sollen? Hätte ich eines gewählt, etwa nach Tschermaks Mineralogie, es wäre fraglich, ob es Dir oder einem andern gepasst hätte.
Foto: P. Amand Kraml
Und dann hängt das Bild des fleißigsten, besten und edelsten Kenners und Gründers
dieser Sammlung, des P. Sigmund in der Sammlung. Sein Werk ist die Aufstellung
und die Zusammmenstellung und ich bin sein Schüler. Nicht im mindesten wage ich
es, an seinen Thaten zu rütteln. Wehe thäte es ihm, wenn der Schüler seines
Meisters vergessen würde; denn nichts schmerzt mehr, als wenn der alte Lehrer
von seinen Schülern missachtet, gering geschätzet und undankbar behandelt wird.
Gottes Segen muss in einem solchen Falle weichen. (Auf meine Bitte ließ er ja
noch zu seinen Lebzeiten sein Bild in dieser Sammlung aufhängen.) Und nun gefällt
dir meine Arbeit gar nicht, so wirf die Zetteln in den Ofen, ein bischen wärmen
sie doch das Zimmer. Ich habe dem Stift dadurch keinen Schaden gemacht. Siehe
nur einmal, um zu sparen, habe ich aus den alten Aufsatztheken u. Mathematik-Theken
das benutzbare Papier herausgeschnitten (ich unterrichte ja 10 Jahre aus Deutsch
und 6 Jahre aus Mathematik) und für diesen Katalog verwendet. - Noch etwas:
Der Katalog enthält nur das was auf den den Mineralien beigelegten Zetteln sich
findet. Alle diese Zetteln - oft noch so schlecht und schmutzig - ließ ich dabei
liegen.
Du schüttelst darüber etwas deinen Kopf. Du kannst sie ja weggeben. Doch thue
dies nicht. Ehre auch die Arbeit anderer; diese Zetteln sind für die Sammlung
vielleicht Quellen zu einer Geschichte. Als ich die ganze große Käfersammlung
reinigte, behielt ich alle Zetteln bei, die der verdiente Prälat Augustin
geschrieben hat. Mit einem Worte, ich habe die Arbeiten meiner Vorgänger
stets in Ehren gehalten. Vale!
(Memorabilia, 225-232)
Nun hat sich bis heute kein "Freund" gefunden, der die Zettel in den Ofen geworfen hätte, sodass
es jetzt möglich war, all die Zettel fotografisch zu dokumentieren und die Angaben in eine
Datenbank zu übertragen. Große Wertschätzung ist auch in dieser Zeit von unserer Seite
P. Anselm für diese immense Arbeit sicher. Wir folgen seinem Vorbild und halten ebenso die
Arbeit unserer Vorgänger in Ehren.
PFEIFFER, P. Anselm 1900: Naturaliensammlung, in: 50. Programm des Kais. Kön. Ober-Gymnasiums
zu Kremsmünster für das Schuljahr 1900, Linz, 18-19
PFEIFFER, P. Anselm o. J.: Memorabilia, MS, Kustodiats-Archiv