aus dem Museum der Sternwarte Kremsmünste November 2020
Und nun folge das geistige und leibliche Gegenbild Bedas [P. Beda Piringer].
Ein untersetztes, wohlbeleibtes Männchen, zuckend und nervös im Gesicht, mit einer blechernen,
schnarrenden Stimme, ewig schwankend zwischen halber Verlegenheit und plötzlich ausbrechendem Zorn,
immer in Angst um seine Autorität, aber auch maßlos in Rache, so steht Siegmund Fellöcker, der
Physiker, dessen Lehrbuch wir büffeln mussten, unauslöschlich in meiner Erinnerung. Er trug den
Spitznamen »der Bauch«. Wie oft er sich an meinen langen Haaren vergriff, wenn er mich in der
Zwischenpause außerhalb der Schulbank traf, habe ich glücklich vergessen.
Seine Aufgabe war es, uns zu physikalischen Experimenten in den hiezu eingerichteten altberühmten
astronomischen (oder, wie er im Volksmund hieß) mathematischen Turm zu führen.
Die Stunde, in der er das Sonnenmikroskop zur Darstellung zu bringen pflegte, war für ihn die
gefährlichste Probe seiner Autorität, für seine Schüler die süßeste Rache für unwürdige Behandlung.
Im Hochpunkte dieses, bei verschlossenen Fensterladen in schwärzester Dunkelheit sich vollziehenden
Experimentes kam - wenn auch ohne Schaden - sein nicht allzu sehr beliebtes Bäuchlein in
ängstliche Bedrängnis. Wieso? Wird man fragen. Versetzen wir uns also in jene denkwürdige
Lehrstunde hinein. Am oberen, schmalen Ende einer langen Tafel, deren Längsseiten beiderseits
von den Schülern in dichter Reihe umstellt sind, steht der Professor, das Gesicht gegen die
Tafel, den Rücken gegen das hohe Turmfenster gekehrt; neben ihm, als hilfreicher Famulus,
der dienstbeflissene »chemische Josef«.
Die blecherne Stimme ruft scharf und fast drohend, während er an die Brille greift und mit
der Oberlippe nervöse Zuckungen vollzieht: »Also, jetzt aufpassen und ordentlich achtgeben!
Wo stehen Sie denn schon wieder, Keim? — Josef! Schließen Sie die Fensterbalken! -
Ich werde durch diese Lichtritze des Fensters einen Floh und eine Laus vergrößert an die
gegenüberliegende Wand projizieren.«
Nochmals warf er einen funkelnden Orientierungsblick auf die Reihen der Schüler rechts und
links. Alle standen so fest und ruhig da, jeder an seinem Platz, wie eine Mauer. Der
chemische Josef schloss gehorsam die massiven, schweren Fensterladen. Ägyptische Finsternis
erfüllte den hohen Raum, sodass keiner seinen nächsten Nachbar erblicken konnte. Nur eine
schmale Ritze, dort, wo sich der Floh und die Laus im Fensterladen auf Glas eingestellt
befanden, ließ von draußen einen hellen Strahl des Sonnenlichts herein gegen die bezeichnete
Stelle hin und malte das gewaltig vergrößerte Bild des Flohes und der Laus gleich Lindwürmern
an die Wand. Eine Zauberei, die uns alle für wenige Minuten fesselte und regungslos
zusammenhielt. Aber die Häupter der Verschwörung wollten den günstigen Augenblick nicht
gänzlich ungenützt vorüberziehen lassen. Von den beiden Enden her rückten sich, wie auf
Kommando, die beiderseitigen Reihen, erst kaum um Fußesbreite, dann um einen halben
Schritt gegen den Platz des Professors zusammen. Ein Drängen, wieder ein Ruck, halb
freiwillig, halb unfreiwillig, jetzt ein Druck und die gellende, zornängstliche Stimme
des gequetschten Professors rief befehlend: »Josef! Die Laden auf! Licht!« Der im Dunkeln
selbst bedrängte Josef sprang zu Hilfe, riss die Holzladen auf und helles Licht erfüllte
den Raum. Alles stand festgenagelt an seinem Platz, nur der Physikus fuchtelte, ergrimmt
über die Ellenbogen, die im Dunkeln sein würdiges Bäuchlein nur ganz zufällig berührt hatten.
Es hat sich die Sage gebildet, dass dieses seltsame Experiment oft zwei- bis dreimal durch den
Schlachtruf: »Josef, Licht!« unterbrochen werden musste. Niemals aber ist es vorgekommen, dass
ein Mensch mit Bestimmtheit schuldig gesprochen werden konnte. Alle Schuld hatte offenbar -
nur das Sonnenmikroskop. Mit der Wissenschaft ist nicht zu spaßen! - (KEIM, 29-31)
Aus den Programmen des Gymnasiums lassen sich für die Schuljahre Keims die Lehrinhalte und seine Professoren in den Fächern der Naturgeschichte und Physik (im Untergymnasium) und den Naturwissenschaften (im Obergymnasium) gut zusammenstellen.
1852/53 - 1. Klasse
2 Stunden Zoologie. 1. Semester: Säugethiere, 2. Semester: Vögel, Amphibien und Fische
nach schriftlichen Mittheilungen, denen die Handbücher von Lüben und Schwaab zu Grunde liegen, und
Benützung des Zonengemäldes.
Lehrer Columban Fruhwirth
1853/54 - 2. Klasse
2 Stunden, 1. Semester: Zoologie der Krustazeen, Arachniden, Insekten u. s. w. wie nach schriftlichen Mittheilungen,
denen die Handbücher von Lüben und Schwaab zu Grunde liegen, und mit Benützung des Zonengemäldes
2. Semester: Botanik nach A. Pokorny's Naturgeschichte des Pflanzenreichs
Lehrer: Columban Fruhwirth
1854/55 - 3. Klasse
Im 1. Semester: 2 Stunden, im 2. Semester: 3 Stunden
1. Semester: Mineralogie nach dem vom Lehrer selbst verfaßten Handbuche "Anfangsgründe, der Mineralogie
für Untergymnasien".
2. Semester: Physik. Eigenschaften und Veränderungen der Körper, Wirkungen der Molekularkräfte,
Gleichgewicht der festen, tropfbaren und gasförmigen Körper.
Lehrbuch: Jakob Schabus' Anfangsgründe der Naturlehre.
Lehrer in Mineralogie und Physik: Sigmund Fellöcker
1855/56 - 4. Klasse
3 Stunden Physik. Bewegung der festen und flüssigen Körper, Magnetismus, Elektrizität,
Schall, Licht, Wärme und die Hauptlehren der Astronomie, physischen Geographie und Meteorologie.
Lehrbuch:
Jakob Schabus' Anfangsgründe der Naturlehre,
Lehrer: Sigmund Fellöcker.
1856/57 - 5. Klasse
2 Stunden Systematische Naturgeschichte. 1. Semester: Systematische Mineralogie
in Verbindung mit Geognosie nach dem vom Lehrer selbst bearbeiteten Leitfaden der Mineralogie und
Geognosie.
Lehrer: Sigmund Fellöcker
2. Semester: Systematische Botanik mit Paläontologie und geographischer Verbreitung der
Pflanzen nach Dr. G. Bill's Botanik
Lehrer: Gotthard Hofstädter
1857/58 - 6. Klasse
2 Stunden Systematische Naturgeschichte.
1. und 2. Semester: Systematische Zoologie in enger Verbindung mit Paläontologie und
geographischer Verbreitung der Thiere nach Dr. Schmarda's Lehrbuch
Lehrer: Gotthard Hofstädter
1858/59 - 7. Klasse
3 Stunden Physik
1. Semester: Eigenschaften und Unterschiede der Körper, Statik der Wärme, das Wichtigste
der Chemie.
2. Semester: Mechanik, Wellenlehre, Akustik.
Lehrbuch: Dr. A. Ritter von Ettingshausen's Physik, 3. Auflage
Lehrer: Sigmund Fellöcker
1859/60 - 8. Klasse
3 Stunden Physik. 1. Semester: Magnetismus, Elektrizität und Astronomie.
2. Semester: Optik und Dynamik der Wärme. Die meteorologischen Partien wurden bei den betreffenden
Naturgesetzen eingeschaltet
Lehrbuch: Dr. A. Ritter von Ettingshausen's Physik, 3. Auflage.
Lehrer: Sigmund Fellöcker
BILL, Georg J. 1854: Grundriß der Botanik für Schulen, Wien
ETTINGSHAUSEN, Andreas v. 1853: Anfangsgründe der Physik. 3. Aufl. Mit 144 Holzschnitten, Wien
FELLÖCKER, P. Sigmund 1853: Anfangsgründe der Mineralogie. Für Unter-Gymnasien und Unter-Realschulen, Wien
FELLÖCKER, P. Sigmund 1857: Leitfaden der Mineralogie und Geognosie. Für Ober-Gymnasien, Wien
KEIM, Franz 1912: Aus dem Bilderbuch meines Lebens , Gesammelte Werke, Bd. 1, München
LÜBEN, August 1848: Vollständige Naturgeschichte der Säugethiere, Eilenburg
POKORNY, Alois 1852: Naturgeschichte des Pflanzenreiches für die k. k. österreichischen Unter-Gymnasien und Unter-
Realschulen, Wien
Programm des kaiserl. königl. akademischen Gymnasiums zu Kremsmünster für das Schuljahr 1853, Linz 1853
Programm des kaiserl. königl. akademischen Gymnasiums zu Kremsmünster für das Schuljahr 1854, Linz 1854
Programm des kaiserl. königl. akademischen Gymnasiums zu Kremsmünster für das Schuljahr 1855, Linz 1855
Programm des kaiserl. königl. Gymnasiums zu Kremsmünster für das Schuljahr 1856, Linz 1856
Programm des kaiserl. königl. Gymnasiums zu Kremsmünster für das Schuljahr 1857, Linz 1857
Programm des kaiserl. königl. Gymnasiums zu Kremsmünster für das Schuljahr 1858, Linz 1858
Programm des kaiserl. königl. Gymnasiums zu Kremsmünster für das Schuljahr 1859, Linz 1859
Programm des kaiserl. königl. Gymnasiums zu Kremsmünster für das Schuljahr 1860, Linz 1860
SCHABUS, Jakob 1854: Leichtfaßliche Anfangsgründe der Naturlehre. Zum Gebrauche an Unter-Realschulen und
Unter-Gymnasien, 2. Aufl. Wien
SCHEUERMANN, Emanuel 1837: Zonengemälde oder Darstellung der jedem Himmelsstriche eigenthümlichen organischen
Naturgeschöpfe. Siebenhundert Abbildungen der merkwürdigsten Menschengattungen, Thiere, Pflanzen und Gegenden
der Erde, Zürich
SCHMARDA, Ludwig K. 1853: Grundzüge der Zoologie Zum Gebrauche an den k. k. Ober-Gymnasien, Wien
SCHWAAB, Wilhelm 1845: Die zweite Stufe des naturgeschichtlichen Unterrichts. Ein Leitfaden für Gewerbschulen,
Gymnasien und Realschulen, Kassel