Objekt des Monats

aus dem Museum der Sternwarte Kremsmünster

April 2017



Rußworm, Titelseite
Titelseite von Wilhelm Friedrich von Gleichen, Mikroskopische Untersuchungen und Beobachtungen..., Nürnberg 1790
Signatur: V 16, neu: 050016
Buchdeckel: 40 x 26 cm


Buch von W. F. von Gleichen [Rußworm], Mikroskopische Untersuchungen


Und endlich glaube ich auch, daß jede Bemühung, etwas zur Erweiterung der Naturgeschichte beizutragen, so wenig es auch ist, mehr Dank verdiene, als die politische Weisheit des Staatsmannes, der die Welt verwirret, und die Kriegskünste der Helden, der sie verwüstet.
Rußworm, 4 § 15

Die Mikroskopie war und ist heute wieder eine faszinierende Methode im Bereich der Biologie an unserer Sternwarte. Anfänglich war das Interesse an der Mikroskopie eher von seiten der Physik her gespeist. Bald aber überholte die Neugier an den bestaunten Objekten die Demonstration optischer Phänomene. Man wollte wissen, was steckt denn hinter den jetzt neu zu sehenden Details an Organen von Pflanzen und Tieren?
So nimmt es nicht Wunder, dass auch bei uns bald Bücher eingestellt wurden, die halfen, gesehene Strukturen auch zu erklären. Eines von denen ist das hier vorgestellte Werk, das in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung ist. Mit dem Kapitel Beschreibung des zu diesem Werke erfundenen Universalmikroskops (RUSSWORM, ohne Paginierung) liefert es einmal mit den schönen Kupfertafeln die genaue Darstellung eines brauchbaren Mikroskopes aus der zweiten Hälfte des 18. Jh. Und zwar setzt Rußworm ganz auf die Qualität des einfachen Mikroskopes, welchem er dem zusammengesetzten gegenüber entschieden den Vorzug gibt. Ja er zitiert auch D. Hill, der schreibt, dass diejenigen, denen blos der Gebrauch des Spielzeuges des gedoppelten Mikroskopii bekant ist, sich nicht wundern, daß sie den Entdeckungen solcher Männer nicht folgen können, die sich der einfachen Gläser bedienet haben... Das doppelte Mikroskopium ist ein Instrument für diejenigen, die sich an den Vergröserungskräften belustigen wollen; dieses [= das einfache Mikroskop] aber müssen diejenigen kennen und gebrauchen, die wirkliche Entdeckungen zu machen willens sind. Die Verschiedenheit des Lichts, so bei dem Gebrauch der gedoppelten Vergröserungsgläser auf die Obiekte fält, gibt den Dingen oft ein so verschiedenes Ansehen, daß dasselbe Ding kaum dasselbe zu seyn scheinet.. (RUSSWORM, 10)
Im Hauptteil des Buches beschäftigt sich der Autor mit seinen botanischen Erkenntnissen von dem Geschlechte und den Blüthen der Pflanzen. (RUSSWORM, 11)
Die diesem Hauptteil eingefügten Kupfertafeln geben uns über die hohe Auflösung dieses Mikroskops Bescheid. Unser Exemplar ist zudem wunderschön koloriert. Das Werk bietet im Gegensatz zu den alten Kräuterbüchern, wo alles ohne Ordnung und Wahl unter einander geworfen ist, (RUSSWORM 11) einen Zugang zur damals modernen Botanik, die ihre Systematik auf die Unterschiede derjenigen geheimen Theile, welche zur Fortpflanzung bestimmt sind, (RUSSWORM, 11) begründet. Damit zerfällt das Reich der Pflanzen in drei Geschlechter: nämlich die Hermaphroditen, die Dyphyten und die Monophyten. Gemeint ist damit die Verteilung der Geschlechter auf den Pflanzen bzw. in den Blüten, wie wir sie heute meist als zwittrig, zweihäusig und einhäusig bezeichnen.

Der Ledereinband in dem RUSSWORMs Werk zusammen mit einem weiteren biologischen Werk zusammengebunden ist, trägt am Rücken unten die Buchstaben P. C. S. P. C. Diese stehen für Pater Cölestin Schirmann Professus Cremifanensis. Und damit öffnet sich ein interessanter Blick auf unsere Hausgeschichte. Wie wir unter anderem von P. Laurenz Doberschitz wissen, war P. Cölestin als Pfarrer von Thalheim bei Wels ein enthusiastischer Bücherfreund:
Ich gab das Geleit, aber nicht weiter denn bis Thalham, wo uns der dasige würdige Herr Pfarrer, nachdeme er uns seine ungewöhnlich an Büchern, und Bänden kostbare Privatbibliothek, wie auch seinen schon bald vollendeten recht anmuthigen Kirchenbau zeigte, mit einem guten Mittagsmahle bewürthete. (DOBERSCHITZ, 33-34, 1773)
Und drei Jahre später:
Darauf ging es erst ernstlich über Neubau, Marientrenk [=Marchtrenk], und Wels nach Thalham [=Thalheim], wo die reich und kostbare Bibliothek nicht genug zu beloben, und wo wir mittagmahlten, nach mein Mutterstift Kremsmünster, wo man mich bestens empfing. (DOBERSCHITZ, 170, 1776)
Über die Anschaffung modernerer naturhistorischer Bücher berichtet auch Karl von MOLLs Bemerkung aufschlussreich, dass so manche Neuerwerbung aus diesen Disziplinen der Wissenschaft durch Konventmitglieder aus privaten Mitteln erfolgte. (MOLL, 318-320)


Quellen und Literatur:


P. L. D. P. C. [P. Laurenz Doberschitz, Professus Cremifanensis] o. J.: Beichtvaterreiseln, CCn 306, Stiftsbibliothek Kremsmünster

GLEICHEN, Wilhelm Friedrich Freiherr von, genannt Rußworm, 1790: Mikroskopische Untersuchungen und Beobachtungen der geheimen Zeugungstheile der Pflanzen in ihren Blüten, und der in derselben befindlichen Insekten; nebst einigen Versuchen über dem Keim, und einen Anhang vermischter Beobachtungen, Nürnberg

KRAML, P. Amand 2015: Mathematisch-physikalische Museen und Naturaliensammlungen niederbayerischer Klöster in den "Beichtvaterreiseln" von P. Laurenz Doberschitz OSB, in: Netzwerke gelehrter Mönche. St. Emmeram im Zeitalter der Aufklärung hrsg. von Bernhard Löffler - Maria Rottler - Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte, Beiheft 44, 283-295

MOLL, Karl Ehrenbert von 1783: Briefe an den Herrn Professor Heinrich Sander in Karlsruhe über eine Reise von Kremsmünster nach Moßheim im Salzburgischen. Im Herbste 1780, Erste Abteilung. Reise bis Salzburg. In: Bernoulli, Johann (Hg.): Sammlung kurzer Reisebeschreibungen und anderer zur Erweiterung der Länder- und Menschenkenntnis dienender Nachrichten 11. Berlin. 283-358



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