aus dem Museum der Sternwarte Kremsmünster
Jänner 2015
Im Archiv der Direktion befindet sich ein Bericht über die populärwissenschaftlichen Bestrebungen der Sternwarte Kremsmünster, den P. Franz Schwab im Jahr 1901 verfasst hat. Für wen er diesen Bericht geschrieben hat oder wo er publiziert wurde, ist im Moment unbekannt. Er scheint uns aber interessant genug, um ihn hier vollständig wiederzugeben. Zum besseren Verständnis sei angeführt, dass man die Schüler des Gymnasiums in Kremsmünster immer hochtrabend als "Studenten" bezeichnet hat. Wenn also P. Franz von den "Studierenden" spricht, meint er damit die Gymnasiasten.
über die bisherigen Bestrebungen der Sternwarte,
populär-wissenschaftliche Kenntnisse zu verbreiten.
Über den Punkt, in welcher Weise die Sternwarte des Benediktinerstiftes Kremsmünster bei ihrer innigen Beziehung
zum Gymnasium dem Wunsche der hohen Unterrichtsverwaltung,
populär-wissenschaftliche Kenntnisse zu verbreiten, gegenwärtig
und seit langer Zeit nachkommt, kann ich Folgendes berichten:
Bei der Durchforschung der Geschichte der Sternwarte fand ich vielfache Beweise dafür, dass zu allen Zeiten seit ihrem Bestande
außerhalb des regelmäßigen Unterrichtes nicht nur den Schülern
sondern auch anderen Personen, besonders den auf Besuch hierher
kommenden Eltern oder Angehörigen der Studierenden manches
Interessante aus jenen Wissenszweigen, deren Pflege der Sternwarte obliegt, beigebracht wurde.
Schon um 1680 wurden astronomische Instrumente (Quadranten
und Sextanten), Globen, Karten, Kunstgegenstände und Naturalien
gesammelt, welche im folgenden Jahrhunderte zu den vielbesuchten
mathematischen Museum ("mathematische Stube") anwuchsen.
Wie noch heute, beeilte man sich, diese Sehenswürdigkeiten jedem
Gaste und Bekannten zu zeigen.
Zur intensiveren Pflege des Unterrichts und der Beobachtung
im Gebiete der Naturwissenschaften wurde ein 1760 vollendetes
Gebäude ("der mathematische Thurm", jetzt kurz "Sternwarte" genannt)
aufgeführt, in welchem außer den astronomischen und physikalischen
Instrumenten auch Kunstgegenstände, später die naturgeschichtlichen Sammlungen untergebracht wurden, deren Umfang jederzeit
weit über die jeweiligen Bedürfnisse des bloßen Schulunterrichtes hinausgieng.
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Über den Verkehr der Vorsteher der Sternwarte mit den Schülern außerhalb
der Schule will ich aus alter Zeit nur ein paar Nachrichten anführen:
Im Jahre 1746 erhielt P. Eugenius Dobler als Professor Matheseos et Physicae
experimentalis die Weisung: Cum iam machinorum aliquis apparatus
fuerit, Experimenta ipsa exhibebit tam Religiosis tam Nobilibus
(es wurde eben die Ritter-Akademie gegründet), manum certe porri
gentibus Professoribus ceteris.
P. Placidus Fixlmillner (1762-1791)
unterwies manche Zöglinge privatim
in der Astronomie und nahm Schüler auf den Sommeraufenthalt mit sich.
P. Taddäus Derfflinger (1791-1824) hielt
außer den regelmäßigen Vorträgen
für seine Schüler noch solche über den "Globus" (mathematische Geographie
und populäre Astronomie).
P. Bonifaz Schwarzenbrunner (1824-1836) veranstaltete mit seinen Schülern
Übungen im practischen Feldmessen und gab speciellen Unterricht,
wovon die schönen noch vorhandenen physicalischen und
astronomischen Tafeln (zwei Bände),
welche 1818-1825 von Schülern gezeichnet wurden,
beredtes Zeugnis ablegen.
Auch in neuerer Zeit wurde von Seite der Sternwarte keine Gelegenheit
versäumt, Studierenden und deren Angehörigen - welch letztere, da nur
wenige hier wohnen, allerdings seltener kommen können - mit
Gegenständen aus den ihr unmittelbar unterstehenden Abtheilungen
bekannt zu machen als da sind: Astronomie, Meteorologie, Erd-
magnetismus und Erdbebenkunde. In diesem Behufe dienen gegenwärtig
die im Gebrauche befindlichen Instrumente, ferner die der historischen
Sammlung angehörigen Instrumente und Modelle, welche den
Entwicklungsgang der instrumentellen Hilfsmittel der genannten
Forschungsgebiete durch mindestens 200 Jahre, theilweise sogar
bis 1550 zurück veranschaulichen, ferner zahlreiche populäre
und fachwissenschaftliche Bücher, Illustrations- und Kartenwerke u. s. w.
Jeder Schüler hat die Erlaubnis, falls er sich für ein Wissensgebiet
irgendwie interessiert, unter persönlicher Leitung des Directors oder
Adjuncten einschlägige Bücher zu lesen, Bilderwerke anzusehen, die
Einrichtung von Instrumenten kennenzulernen oder mancherlei
Erscheinungen zu beobachten, wozu sich natürlich am besten der
gestirnte Himmel eignet.
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Im Anschlusse an den Unterricht in der mathematischen Geographie,
Physik und Mathematik werden ganzen Klassen unter entsprechender
Anleitung Instrumente oder Objecte des Sternenhimmels gezeigt, so bei
Tag die Sonne mit ihren Flecken, die Sichel der Venus, in den
Abendstunden der Mond, Jupiter, Saturn, Fixsterne, Doppelsterne,
Sternhaufen und Nebelflecken -
Pleiadasque Hyaderoque immunemque aequaris Arctan
Atque Orionis ensem.
Hiezu wurde auch mitunter einzelnen Schülern, oder mehreren, die
in einem Hause beisammen wohnen - regelmäßig einzelnen
Abtheilungen des Convictes - oder auch gerade anwesenden oder hier
ansäßigen Angehörigen von Studierenden Gelegenheit geboten,
wobei meist auch andere Instrumente und Sehenswürdigkeiten
unter leicht fasslichen Erläuterungen besichtigt wurden, die
sonst wie anderwärts aus leicht begreiflichen Gründen dem großen
Publicum unzugänglich sind.
Auf diese Weise wurde mancher, der örtlichen Verhältnisse halber
allerdings seltener Angehörige derselben, im Laufe der Jahre mit
der gegenwärtigen und noch ziemlich, vollständig vorhandenen alten
Einrichtung der verschiedenen Abtheilungen unseres Observatoriums
wenigstens in der Hauptsache bekannt.
Im heurigen Schuljahre 1900/1 wurden während eines großen
Theiles des zweiten Semesters wöchentlich mehrere Stunden derartigen,
den Kenntnissen der Schüler genau angepassten, im übrigen
zwanglosen Unterweisungen gewidmet.
Außer den oberen Abtheilungen der hiesigen Volksschulen kommen
jährlich Volksschüler der benachbarten Orte unter Führung der
Lehrer und Katecheten oder eine Gesellschaft von Lehrern allein,
selbst aus Vöcklabruck, Wels und Kirchdorf, die evangelische Schule
in Neukematen nicht ausgenommen. Jedesmal wird dafür gesorgt, dass
der Besuch der Sammlungen ein möglichst belehrender werde.
Dasselbe gilt von den verschiedenartigsten Vereinen, die bei Gelegenheit
eines Ausfluges die Sammlungen besichtigen. (Ferien-Colonie 1900)
Bei Ausflügen, die der Unterzeichnete jährlich zu Ostern und
Pfingsten mit einer kleinen Schaar Studierender seit etwa 18
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Jahren unternimmt, wurde überall auf besondere geographische,
geologische und botanische Verhältnisse aufmerksam gemacht.
Eine Zeitlang wurden für die Theilnehmer der Bezirks-Lehrerconferenzen
eigene physicalische oder astronomische Vorträge gehalten.
Von Zeit zu Zeit werden in den Tagesblättern interessante astronomische
und meteorologische Fragen besprochen, ebenso werden die
Resultate der meteorologischen Beobachtungen dadurch Schülern
und Eltern bekannt, dass dieselben von 1900 an jährlich im
Gymnasialprogramme veröffentlicht werden (auch an Bezirks-Lehrerbibl. vertheilt)
Die allgemein dem Publicum zugänglichen naturhistorischen und
physicalischen Sammlungen wurden unter Führung gut instruierter
Diener im vorigen Jahre von etwa 3000 Personen
besucht.
Die Direction der Sternwarte wird sich bestreben, getreu den mehr
als hundertjährigen Traditionen auch künftig nach Möglichkeit
für die Verbreitung von Kenntnissen aus dem ihren Wirkungskreis
betreffenden Wissensbereiche zu sorgen, und dabei stets in ganz besonderer
Weise auf die Studierenden und deren Angehörigen
bedacht sein.
Kremsmünster, Juni 1901
Prof. P. Franz Schwab,
Dir. d. Sternwarte.
SCHWAB, P. Franz 1901: Bericht über die bisherigen Bestrebungen der Sternwarte populär-wissenschaftliche Kenntnisse zu verbreiten, MS im Direktions-Archiv der Sternwarte Kremsmünster, Kremsmünster