Objekt des Monats

aus dem Museum der Sternwarte Kremsmünster

September 2004



Porzellan-Etikette
Porzellan-Etikette im Botanischen Garten für Achillea millefolium
Kustodiats-Archiv der Sternwarte Kremsmünster
Foto: P. Amand Kraml


Der Botanische Garten im Stift Kremsmünster

Die vorgestellte Porzellan-Etikette stellt eines der wenigen Relikte des Kremsmünsterer Botanischen Gartens dar, die im Archiv der Sternwarte erhalten sind. Diese Etikette stammt von der Firma Nicol. Kißling in Vegesak-Bremen, von welcher im Jahre 1906 501, 1913 404 und 1914 42 Stück bestellt wurden.

Die Vorstellung, dass zu den naturwissenschaftlichen Sammlungen des "Mathematischen Turmes" auch ein botanischer Garten gehöre, finden wir bereits in einem Konzept des 3. Direktors der Sternwarte P. Bonifaz Schwarzenbrunner (1824-1830). Im Jahr 1889 begann dann dieser Plan Wirklichkeit zu werden. Im alten Forstgarten im Zwickel zwischen Haderbach (heute Gunterweg) und der Linzer Straße (heute Burgfried) östlich des Gunterteiches wurde 1843/44 die Schwimmschule des Konvikts gebaut. Der Schwimmlehrer Johann Paul Kehl, ein Tiroler, holte sich offenbar mit der Anlage eines winzigen Alpinums die Erinnerung an seine Heimat hierher. Als Kehl 1889 den Schuldienst aufgibt, entsteht die Idee, der Naturgeschichtsprofessor und Kustos der Sternwarte P. Anselm Pfeiffer solle für das Gymnasium aus den wenigen Beeten einen botanischen Garten entwickeln. Diese Idee wurde dann auch verwirklicht.

Interessant in diesem Zusammenhang ist auch eine Passage aus einem Brief, den P. Leonhard Angerer an P. Anselm am 7. Mai 1890 richtet. P. Leonhard war damals zum Lehramtsstudium der Naturgeschichte in Wien:
Zugleich möchte ich ein Thema ausführlicher besprechen, das ich Ihnen gegenüber einmal nur kurz angedeutet habe, nämlich: auf dem Platze um das neue Gymnasium herum einen kleinen botanischen Schulgarten anzulegen. Beiliegende Zeichnung[1] wird Ihnen schneller erklären, wie ich mir das Ding vorstelle, als ich es durch eine lange Expositio ermag. In rothen Linien wären die einzelnen Gruppen angedeutet, die Species könnten z. B. durch Steinränder angedeutet werden, zwischen den einzelnen Gruppen wäre Rasen anzulegen; die einzelnen Gruppen denke ich mir so, wie am hiesigen bot. Garten die Sedum- und Sempervivum-Gruppe angelegt ist, die einzelnen Species fast aneinander, nur durch Steineinfriedungen begrenzt. Ich halte es nicht für gar zu schwer, daß wir für diesen Zweck den Platz, der ja noch vacant ist, erhalten, die ersten Arbeiten damit hätte ja auch der Gärtner zu leisten, wenn es einfach Ziergarten werden soll; es bliebe also die Arbeit übrig, die einzelnen Gruppen abzugrenzen und zu bepflanzen.
Daß eine solche Anlage dem Unterrichte in Botanik förderlich ist, halte ich für selbstverständlich. Die vielen Wege habe ich deshalb eingezeichnet, um alle Gruppen direkt am Wege anlegen zu können.
Zugleich habe ich von ... erfahren, daß dergleichen Schulgärten eine Specialität des Ministers Gautsch
[2] sind, der heuer verordnet hat, daß im hiesigen bot. Garten ein eigener "Schulgarten" angelegt werde.
Schließlich bemercke ich auch, daß ich mir deshalb jetzt besonders Mühe gebe, Ihr Placet für den Plan zu erhalten, weil ich glaube, daß wir den Platz zu erhalten, bekommen können, jetzt, da er noch eine "res nullius" deshalb "primi occupantis" ist. Ich bitte mir dieses nicht übel zu nehmen, daß ich neuerdings diese Angelegenheit in Discussion bringe...

P. Anselm führte von Beginn an ein recht ausführliches Tagebuch, in dem er neben den notwendigen Arbeiten und dem anfallenden Ärger, den er sich von der Seele schreibt, alle kultivierten Pflanzen und deren Herkunft verzeichnet. P. Leonhard Angerer, sein Nachfolger übernimmt nach dem Tod von P. Anselm 1902 auch die Leitung des Gartens. Er führt dieses Tagebuch bis zum Jahre 1933 weiter. "Seit 1933 leistet P. Reinhard die Arbeit im Botanischen Garten. Ich kann nicht mehr." Das ist die letzte Eintragung in diesem Tagebuch. (S. 325) P. Reinhard Windischbauer berichtet dann später (1965) über das Ende des botanischen Gartens: "Mit Ausschließung der geistlichen Benediktiner-Professoren im Jahre 1939 war auch das Todesurteil über den Botanischen Garten gesprochen. Die Freizeitgestaltung musste von den neuen Herrn in den Dienst der NS-Erziehung gestellt werden."



Anmerkungen

[1] die Zeichnung liegt z. Z. dem Brief nicht bei.

[2] Paul Gautsch Freiherr von Frankenthurn (1851-1918) war von 1879 im Kabinett Taaffe bis zum Sturz Taaffes im November 1893 Unterrichtsminister.



Eine Fortsetzung der Geschichte des Kremsmünsterer Botanischen Gartens ist geplant.


Quellen und Literatur:


ANGERER, P. Leonhard 1890: Brief an P. Anselm Pfeiffer, Wien 7. Mai 1890, MS, Kustodiatsarchiv der Sternwarte, AP1.1, Mappe: P. Leonhard Angerer

ANGERER, P. Leonhard 1906: Naturhistorische Sammlungen, in: Sechsundfünfzigstes Programm des kais. kön. Obergymnasiums der Benediktiner zu Kremsmünster für das Schuljahr 1906, Linz, 24-27

ANGERER, P. Leonhard 1913: Naturhistorische Sammlungen, in: Dreiundsechzigstes Programm des kais. kön. Obergymnasiums der Benediktiner zu Kremsmünster für das Schuljahr 1913, Linz, 22-24

ANGERER, P. Leonhard 1914: Naturhistorische Sammlungen, in: Vierundsechzigstes Programm des kais. kön. Obergymnasiums der Benediktiner zu Kremsmünster für das Schuljahr 1914, Linz, 22-27

KRAML, Gerhard (P. Amand) 2001: Flora Cremifanensis. Analyse historischer und aktueller Verbreitungsmuster der Farn- und Blütenpflanzen in der Umgebung von Kremsmünster (Oberösterreich) auf Grundlage einer Feinrasterkartierung, Diss, Universität Wien

KRAML, P. Amand 2008: 250 Jahre Sternwarte Kremsmünster, in: Öffentliches Stiftsgymnasium Kremsmünster 151. Jahresbericht, 33-83, Thalheim

KRAML, Amand 2012: Geschichte des Botanischen Gartens in Kremsmünster, in: Verhandlungen der Zoologisch-Botanischen Gesellschaft Österreich, Bd. 148/149, Wien, 125-131

PFEIFFER, P. Anselm & ANGERER, P. Leonhard 1889..: Zur Geschichte des botanischen Gartens in Kremsmünster, MS, Kustodiatsarchiv der Sternwarte Kremsmünster

WINDISCHBAUER, Reinhard 1965: Bericht über den Botanischen Garten, 1. 3. 1965, MS, Kustodiatsarchiv der Sternwarte


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Letzte Änderung: 2021-09-16