aus dem Museum der Sternwarte Kremsmünster
Mai 2002
= Bythiospeum pfeifferi
Bereits im November 2000 wurde mit dem Scalpellum pfeifferi WEITHOFER eine neubeschriebene
Art vorgestellt, die zu Ehren von P. Anselm Pfeiffer benannt wurde.
Seit 7. III. 1886 stand Pfeiffer in brieflichem Kontakt mit Stefan Clessin in Ochsenfurt a. M. Clessin bestimmte Pfeiffers
kritische Schneckenarten für seine Publikation Zur Naturgeschichte der Land- und Süsswasserschnecken von
Kremsmünster (vgl. S. 4).
Aus einer Postkarte, die dann Clessin am 2. III. 1888 an Pfeiffer verfasste, erfahren wir nur kurz: Bis jetzt hatte
ich nur Zeit, dieselbe [Pfeiffers Sendung] flüchtig durchzusehen. Die Vitrella ist neu. Schon am 6. III. 1888
kommt ein Brief aus Ochsenfurt mit der für uns interessanten Angabe: Ihr Brief bestätigt mir den Empfang der
zurückgesandten Conchylien und ich beeile mich, Ihnen mitzutheilen, daß ich die neue Vitrelle nach Ihrem Finder
Herrn Ans. Pfeiffer in Kremsmünster benannt habe. Ich danke Ihnen für die mir gütigst überlassenen
Stücke, von denen ich vorläufig genügend habe. Gelegentlich werde ich die Art publiziren und deren Abbildung
in meiner eben im Erscheinen begriffenen Molusk.-Fauna von Oesterreich-Ungarn bringen. Sammeln Sie doch gelegentlich lebende
Exemplare von denen (in Alkohol gelegt) Kiefer und Zunge untersucht werden können.
Der eigentliche Entdecker dieser Schnecke war P. Anselms Schüler Theodor Berger (1875-1956), der später
Lehrer in Kimpling und Neumarkt
am Hausruck wurde. Er schreibt in einem Brief darüber: P. Anselm verstand es ausgezeichnet, die jungen
Studenten
[so nannte man die Gymnasiasten in Kremsmünster] zu naturwissenschaftlichem Sammeln anzueifern und sie
planmäßig von
spielerischer Tätigkeit zu jugendlichem Forschungseifer überzuleiten. Allsonntäglich brachten wir
Sammler unsere
Schätze zu ihm zum Bestimmen, d. h. wir mußten dies durch Vergleich mit seiner Sammlung selbst
vornehmen.
Zwei zierliche Turmschnecken wollten einmal zu keinem Vergleichsobjekt passen, was ich ihm meldete. "Da
bin ich aber
neugierig", meinte P. Anselm und besah nachdenklich die beiden Stücke. "Potz tausend!"
rief er aus, "du
hast ja Vitrellen, Höhlenschnecken gefunden! Ganz was Seltenes!" und hellste Freude strahlte aus
seinem sonst so
ernsten Gesichte. Ich mußte noch mehrere Schnecken dieser Art herbeischaffen und unter seiner Anleitung
im Aquarium beobachten.
Diese Art zählt zu den wenigen ihrer Gattung, die lebend bekannt ist. (Mahler, 131)
In seinem Beitrag zur oberösterreischischen Gastropoden-Fauna gibt P. Anselm Pfeiffer folgende Beschreibung:
Vitrella Pfeifferi, Clessin; cf. Clessin II, pag. 629. Diese neue Art wurde in Kremsmünster in einer
Quelle, welche nahe der Biegung der neuen Straße zutage tritt, im Februar 1888 entdeckt. Das stark auftreibende
Wasser reißt diese Thierchen, häufiger noch die leeren Gehäuse aus der Tiefe mit sich. Dieses
Wasser kommt sehr wahrscheinlich aus zerklüfteten Felsgründen, Spalten oder Höhlen, woran ja
Kremsmünster reich genug ist. Ich habe fast jedesmal, so oft ich die Quelle untersuchte, Ausbeute gemacht.
Herr Clessin, dem ich die neuaufgefundene Art zuschickte, hat die Schale beschrieben und die Species benannt.
Da aber das Thier l. c. noch nicht beschrieben wurde, so erlaube ich mir, darüber folgende Mittheilung zu machen.
Das Thier ist in allen Theilen schlanker und zarter als das oben beschriebene von B. opaca. Augen fehlen. Der
ziemlich lang vorstreckbare Rüssel lässt die braunen Kiefer deutlich durchscheinen. Der Fuß ist
zungenförmig, vorne am breitesten und ebenda ziemlich gerade abgeschnitten (wobei die seitlichen Ecken,
namentlich bei Wendungen des kriechenden Thieres etwas lappenartig vortreten), nach hinten abgerundet, über
1 mm lang und kaum 0,5 mm breit. Die Fühler sind borstenförmig und erreichen etwa zwei Drittel der
Länge des Fußes. Alle Theile sind kleisterartig bläulichweiß gefärbt und stark
durchscheinend. Auf der Oberseite der hinteren Hälfte des Fußes sitzt der bräunliche Deckel,
welcher meist beiderseits über den Rand desselben vorsteht. Die bräunliche Färbung des Deckels
mag eine Incrustationserscheinung sein, wie ja auch die Schalen denselben Überzug tragen, welcher oben an
B. opaca beschrieben wurde. An einigen Thieren, welche ich wegen der kleineren Gehäuse und des kürzeren
Fußes für Jugendformen hielt, konnte ich keinen Deckel bemerken. Einmal beobachtete ich ein Stück
bei Deckelverschluss an der Glaswand sitzen. Im Aquarium kriechen sie unter fortwährendem Vorstrecken des
Rüssels herum. Auch sie blieben da monatelang lebend, ohne dass das Wasser gewechselt wurde und überdauerten
sogar das Austrocknen des Wassers einige Tage hindurch. In das Aquarium geworfene Stücke blieben manchmal
einige Tage regungslos auf dem Boden liegen, bis sie erst wiederum ihre Wanderungen begannen.
Kremsmünster 1889.
Anselm Pfeiffer. (Pfeiffer 1890, 21-22)
Briefwechsel Clessin - P. Anselm Pfeiffer, 7 Postkarten, 3 Briefe, im Kustodiatsarchiv der Sternwarte (Transskription von P. Amand Kraml, Typoskript, Sternwartebibliothek, Cremifanensia)
BORCHERDING, Fr. 1912: Stephan Clessin. Nekrolog, in: Nachrichtsblatt der Deutschen Malakozoologischen Gesellschaft, 44. Jg. Heft 22, 49-56
CLESSIN, S. 1887..90: Die Mollusken-Fauna Österreich-Ungarns und der Schweiz - Die Molluskenfauna Mitteleuropas, II. Theil, Nürnberg
MAHLER, Friedrich 1949: Verbreitung und Ökologie der Höhlenschnecken in Oberösterreich, in: Festschrift zum 400jährigen Bestande des öffentlichen Obergymnasiums der Benediktiner zu Kremsmünster (Altkremsmünsterer Festschrift), Kremsmünster, 131-145
PFEIFFER, P. Anselm 1886: Zur Naturgeschichte der Land- und Süsswasserschnecken von Kremsmünster, in: 36. Programm des k.k. Ober-Gymnasiums zu Kremsmünster für das Jahr 1886, Kremsmünster [Exemplar mit handschriftlichen Bemerkungen des Autors in der Bibliothek der Sternwarte: Sign. 16 355]
PFEIFFER, P. Anselm 1890: Ein Beitrag zur oberösterreichischen Gastropoden-Fauna, in: 19. Jahresbericht des Vereins für Naturkunde in Österreich ob der Enns zu Linz, Linz
REISCHÜTZ, P. L. 1994: In memoriam P. Anselm Pfeiffer, in: Nachrichtenblatt der Ersten Voralberger Malakologischen Gesellschaft 2, Rankweil, 2-4
REISCHÜTZ, P. L. 1998: Checklist of Austrian Mollusca, in: Nachrichtenblatt der Ersten Voralberger Malakologischen Gesellschaft 6, Rankweil, 31-44 (Wird von Wolfgang Fischer als
Internetseite weitergeführt)
STURANY, R. 1901: Geschichte der Zoologie in Österreich von 1850 bis 1900, Molluskoideen, in: Botanik und Zoologie in Österreich während der letzten fünfzig Jahre, Festschrift anläßlich des fünfzigjährigen Bestandes der K. K. Zool.-Botan. Gesellschaft in Wien, Wien, 401