Monochord mit 4 Saiten, Detail, Anfang der Skala
Inv. Nr. 11102912, Holz, Papier, Darmsaiten
106 x 16 x 5 cm
Foto: P. Amand Kraml (202508203857)
Monochord mit vier Saiten
Monochord mit vier Saiten
Foto: P. Amand Kraml (202508203850)
Der Titel und die Bezeichnung dieses Instrumentes mögen ein wenig verwirrend sein. Ein Monochord, sollte man
meinen, habe eine Saite. Aber geht man den Definitionen nach, die man zu diesem Gerät finden kann, stößt man
bald auf Sätze wie diesen: Man pflegt ein solches Instrument, weil es gewöhnlich nur eine einzige aufgespannte
Saite besitzt, Monochord zu nennen, und ich werde auch diesen Namen beibehalten, ungeachtet ich es zuweilen
vorziehe, dasselbe mit mehreren Saiten zu versehen. (WEBER, 1) P. Bonifaz Schwarzenbrunner, auf den unser Instrument zurückgeht,
hat es in seiner Versuchsbeschreibung als Tetrachord bezeichnet. (SCHWARZENBRUNNER, Erläuterungen, 98)
Er war durchaus auch im Bereich der Musik-Theorie
und Musik-Geschichte sehr bewandert. Am 16. April 1814 erhielt er von dem Instrumentenmacher Frenzl in Bad Hall ein
Pianoforte und lernte von da an das Klavierspielen bei dem Musiklehrer Weigl in jeweils drei Wochenstunden für zwei
Jahre. (KELLNER, 615) Seine musiktheoretische Abhandlung mit dem Titel Versuch einer Vereinfachung der Musikzeichen
und einer kurzen Geschichte der Musik liegt als Manuskript in der Stiftsbibliothek. Schwarzenbrunner verfasste
diese Handschrift in der Zeit vom 5. Mai 1822 bis zum 9. Jänner 1823 - in einer Zeit also,
in der er als Gymnasial-Lehrer und in seiner Aufgabe in wirtschaftlichen Belangen des Stiftes ziemlich gefordert war.
Die in kleinem Oktav-Format gehaltene Arbeit umfasst 414 Seiten mit den folgenden Teilen:
- Geschichte der Musik (S. 1-104)
- Anleitung zum Choralgesang (S. 105-166)
- Anleitung zur Figuralmusik (S. 177-308)
- Umfang der gewöhnlichen Instrumente (S. 339-357)
- Etwas vom Generalbasse (S. 371-414)
Um mehr über diese musikhistorischen und musiktheoretischen Themen zu erfahren, muss man sich bei den
entsprechenden Fachleuten in
unserem Haus informieren, die sich mit dieser Arbeit Schwarzenbrunners beschäftigt haben:
P. Hermann Patzalt, ihn
hat P. Sigmund Fellöcker um einen Beitrag
in der Geschichte der Sternwarte (PATZALT, in: FELLÖCKER, Geschichte 195-226)
gebeten, und P. Altman Kellner, der in seiner Musikgeschichte ebenfalls auf diese Arbeit Schwarzenbrunners eingeht.
(KELLNER, 615-620)
Auf der Skala des Instrumentes finden sich für zwei der Saiten die Begriffe Kirnberger'sche Temperatur und
Glcichschwebende Temperatur. Niemand sollte jedoch meinen, diese Temperaturen könne man mit dem Thermometer messen.
Unter Temperatur versteht der Musiker Stimmungssysteme, bei denen einige Intervalle gemäßigt werden - ins richtige
Verhältnis gebracht werden - und von ihrer akustischen Reinheit geringfügig abweichen. Eine Temperatur wird dann
erforderlich, wenn auf Tasteninstrumenten oder Saiteninstrumenten mit Bünden möglichst viele unterschiedliche
Dreiklänge gespielt werden sollten.
Hier weiter ins Detail zu gehen, fühlen wir uns keinesfalls berufen. Vielleicht aber kann eine Nachschau bei
Roland EBERLEINs Orgelstimmungen die Neugierde etwas stillen.
Von der Musik nun wieder zur Physik. P. Bonifaz Schwarzenbrunner beschreibt im vierten Band seiner Erläuterungen
zur Naturwissenschaft die Verwendung des von ihm als Tetrachord beizeichnete Monochords unter der Überschrift
Schall-Versuche
4) Zur Abmessung der Consonanzen gehört das Tetrachord, ein citherförmiger Resonanzboden, auf welchem 4 Saiten von
gleicher Länge gespannt sind (Es hängt nebst dem Stimmhammer, womit man ihn vor dem Versuche in Unisono stimmen
lassen kann, an der Mauer nebem dem ... R.) Die Skala auf der Cither ist in 100 gleiche Theile getheilt, u.
zeigt in der 1ten Columne die reinen Töne, in der 2ten die Töne nach der gleichschwebenden, und in der 3ten
nach der ungleichschwebenden Kirnberger'schen Temperatur. Um nun die verlangten Töne hervorzubringen, streicht
man mit einem geschnittenen Federkiele unter dem Steg, welchen man auf den bezeichneten Abschnitt gesetzt hat,
am (längeren) Ende der Saite an.
5) Zum Perfekt-Accord (Trias harmonica) stellt man bei der 2ten Saite den Steg bei der großen Terzin, bei der
3ten im Theilstriche der Quart u. bei der 4ten in dem der Oktave des Grundtons auf, so daß jederzeit der
eingeschnittene Theil des Steges die dort gezogenen Linien abschneidet.
6) Um zu zeigen, daß auch Saiten ihre Schwingungsknoten haben, stelle man z. B. den Steg auf 25, so werden auch die
Punkte 50 und 75 ruhende Punkte. d. i. Schwingungsknoten, alle dazwischen liegenden Punkte der Saite aber in
Bewegung sein. Legt man nämlich kleine, etwa 1 Linie breite u. 1/2 Zoll lange nur wenig umgebogene Streifen von
Kartenpapier auf 50 u. 75, und in die Mitte zwischen diese Punkte und man streicht dann sehr subtil die Saite
am oderen Theile (nämlich zwischen 1 und 25) an, so werden nun die Streifen bei 50 und 75 liegen bleiben, und
die übrigen wegspringen. Hätte man den Steg bei 10 eingesteckt, so wären nach dem Gesagten, die Punkte 20, 30,
40, 50, 60, 70, 80 90 (?) Schwingungsknoten.
*) Würde man mit dem Federkiele zu stark anstreichen, so würde die Saite nicht bloß in eine schwingende Bewegung
gesetzt, sondern ganz und gar erschüttert, es würden also alle Kartenstreifen wegspringen.
7) Setzt man ferners den Steg irgendwo, z. B. bei der grossen Terzin oder Quarte, oder Quinte ein, u. versucht
dann vorerst den Ton des kurzen Stückes der Saite, und merkt sich ihn im Gehöre, so wird man den nämlichen Ton,
aber nur viel leiser, nachsingen hören, wenn man eine andere gleichgestimmte Saite an dem nämlichen Orte, wo
bei der ersten der Steg eingesetzt ist, anschlägt und sie sogleich wieder durch das Vorsetzen des Federkieles
hemmt. Die Ursache ist, weil die zweite Saite dadurch, daß man sie am angeschlagenen Punkte sogleich wieder hemmt,
dort einen ruhenden Punkt oder Schwingungsknoten erhält, welcher bei der 1ten Saite durch den an diesem nämlichen
Orte eingesezten Steg erhalten wurde (?)
Anhang:
zu 6) Bei 10-10 möchten die Schwingungsknoten wohl zu sehen sein, aber bei 20-20 gelingt der Versuch immer.
zu 7) Die Erklärung, paßt nicht, wenn man die Federspitze nicht an einen aliquoten Theil, sondern z. B. an 40
oder 30 hält, wo im ersten Falle der Theil 0-20, im zweiten der Theil 0-10 erklingt. Das Tetrachord dient auch
das Mitklingen einer entfernten gleichgestimmten Saite zu zeigen, während eine dazwischen liegende
ungleichgestimmte in Ruhe bleibt.
Es scheint, dass Schwarzenbrunner eine vorgefundene Anleitung wiedergibt, auf deren Probleme er in dem Anhang kurz hinweist.
Wer sich heute mit der Verwendung oder gar mit dem Bau eines Monochordes befasst, dem sei die Arbeit von Wilhem Weber in den Poggendorff'schen
Annalen anempfohlen. Dort werden nämlich viele der Probleme angesprochen, die sich dabei ergeben.
Quellen und Literatur:
EBERLEIN, Roland: Orgelstimmungen, publiziert im Internet: Walcker-Stiftung für orgelwissenschaftliche Forschung, www.walcker-stiftung.de
FELLÖCKER, P. Sigmund 1871: Catalog des physikalischen Cabinetes zum Schlusse des Schuljahrs 1871. Manuskript, Direktionsarchiv der Sternwarte
KELLNER, Altman 1956: Bonifaz Schwarzenbrunner, in: Musikgeschichte des Stiftes Kremsmünster, Kassel und Basel, 615-620
MÜLLER, Joh. 1868: Lehrbuch der Physik und Meteorologie theilweise nach Pouillet's Lehrbuch der Physik,
7. Aufl. in 2 Bd., 1. Bd., Braunschweig
PATZALT, P. Hermann 1864: Versuch einer Vereinfachung der Musikzeichen und eine kurze Geschichte der Musik, in: FELLÖCKER, P. Sigmund,
Geschichte der Sternwarte der Benediktiner-Abtei Kremsmünster, Linz, 195-226
SCHWARZENBRUNNER, P. Bonifaz 1814..1821: Bonifaz Jak. Schwarzenbrunner's Erläuterungen zur Naturwissenschaft IV. Band, MS, Direktionsarchiv der Sternwarte Kremsmünster, Kremsmünster
SCHWARZENBRUNNER, P. Bonifaz 1822/23: Versuch einer Vereinfachung der Musikzeichen und einer kurzen Geschichte der Musik, MS, Stiftsbibliothek
TEMPELHOFF, Georg Friedrich 1775: Gedanken über die Temperatur des Herrn Kirnberger: nebst einer Anweisung, Orgeln,
Claviere, Flügel c. c. auf eine leichte Art zu stimmen, Berlin und Leipzig
WEBER, Wilhelm 1829: Ueber die zweckmässige Einrichtung eines Monochords oder Tonmessers, und den Gebrauch desselben zum Nutzen der
Physik und Musik, in: Annalen der Physik und Chemie, hrsg. J. C. Poggendorff, 15. Bd., Leipzig, 1-19