Objekt des Monats

aus dem Museum der Sternwarte Kremsmünster

März 2020



Susanna
Buchstabenmosaikbild: Susanna mit den beiden Alten im Garten
In Susanna, duobus Senibus, fonte et pavone sunt scripti 40 psalmi regis David.
Hoc opus fecit Marcus Cattaneus Civis Venetus.

Pergament auf Holzrahmen geklebt, 30 x 21 cm
Inv. Nr. der Kunstsammlungen: A459
Foto: P. Amand Kraml



Bilder aus Buchstaben


Mit Nadeldruckern Bilder aus einzelnen Buchstaben zu erstellen war in den 70er-Jahren unter Computerleuten eine oft praktizierte Nebenbeschäftigung. Sie hatte bereits nach dem Einsatz der Schreibmaschine dem ausgesuchten Zeitvertreib gedient. Auch heute findet man im Internet Software zum Produzieren solcher Bilder, die mit dem Begriff ASCII-art bezeichtet werden.
Dass es solche Buchstabenmosaike allerdings auch schon im 18. Jh. gab, mag manchen überraschen. Im Physikalischen Kabinett der Sternwarte gab es eine ganze Reihe solcher Bilder. Es waren "Merkwürdigkeiten", die von geschickter Hand unter dem Mikroskop verfertigt wurden. Häufig gaben die mikroskopisch kleinen Buchstaben liturgische Texte wieder, die nur der lesen konnte, der eben über eine entsprechende Vergrößerungsmöglichkeit verfügte. Als Autor dieser Werke erscheint hier der Venezianer Marcus Cattaneus.
Im Lauf der Jahre wurden diese Bilder an die Kunstsammlung des Stiftes weitergegeben und sie sind dort jetzt wieder auffällig geworden. Hier werden also Objekte vorgestellt, die heute nicht mehr Bestand der Sammlungen der Sternwarte darstellen, die aber zur ersten Ausstattung des Physikalischen Kabinetts gehörten.
P. Laurenz Doberschitz gibt in seiner Specula Cremifanensis folgende Beschreibung:

38. So erstaunlich die Structur des menschlichen Auges ist, so unglaublich sind auch die Werke, die der Mensch durch Hülfe seines Auges zu Stande bringet. Man siehet in eben diesem optischen Zimmer verschiedene Bilder, von lauter kleinen Schriften zusammen gesetzet. Das erste ist die wahre Contrafactur des Martin Luthers, und Catharinae Bora von Lucas Cranachen in seiner ganzen Kleidung mit einer grossen Prunke aus lauter lutherischen Schrifttexten zusammen geflicket, jedoch künstlich und ungezwungen, so daß es nur schade, daß man auf diese zwey Gesichter so viele Mühe jemals verwendet habe (* Zu Mölk in der Bibliotheck erinnere ich mich die nämliche saubere Bildniß gesehen zu haben).

39. Noch größere Kunststücke aber von dieser Federarbeit, zu welcher die Microscopia dienen müssen, mehren die Verwunderung, da man alles mit Augen vor seiner siehet, was man sonst nicht glauben würde. Auf einem solchen Bild ist die Susanna zwischen zween alten Schelmen abgebildet, auf der Seite ist ein Brunn, in Forme einer Engelstatue, und auf der anderen Seite ist ein Pfau. Nun alle diese 5 Figuren sind pur aus 40 Psalmen des Königs Dauid zusammen gesetzet, da man es doch kaum wahrnimmet, daß sie geschrieben sind, allein so zeigen es die Microscopia, doch sind die kleine Wort vor Alterthum schon zimlich unkenntlich. Die dabey stehende größere Schrift ist aber deutlich zu lesen; In Susanna, duobus Senibus, fonte et pavone sunt scripti 40 psalmi regis David. Dieses Bild ist zweymal vorhanden, eines davon ist aber verkehret, so daß was in einem zur Rechten ist, in dem anderen zur Linken stehet. Auf allen beyden lieset man: Hoc opus fecit Marcus Cattaneus Civis Venetus.

40. Der heilige Benedictus stehend, und neben ihn der Rab, die Züge bestehen wieder in lauter Worten, und zwar aus dem Confiteor, und aus 50 Psalmen Dauids.

41. Eben in dieser Größe und Stellung der heilige Gregorius wie die vorhergehende auf Pergament. Dieser enthält das Confiteor, und 60 Psalmen Dauids.

42. Das letzte Abendmahl des Herrn mit seinen zwölf Aposteln wieder auf Pergament in einer oblongen Figure auf die nämliche Art gezeichnet. Was darauf für Wort zu lesen, sagt die Innschrift: Haec Coena Domini nostri Jesu Christi continet passionem eius secundum Joannem, et 40 psalmos regis David. Dieses Stück ist dreymal vorhanden. Auf zweyen stehet der Urheber: Hoc opus fecit Marcus Cattaneus civis Venetus, auf einen aber ist nichts von dem geschrieben, ganz gewis aber sind alle drey von einer Hande.

43. Nun kömmt das Mühesamste aus allen von dieser Zeichnungsart, nämlich Christus am Creutz. An dem Fuß des Creutzes stehet mit größeren Buchstaben geschrieben: Crucifixus continet Passionem eius secundum Joannem. Um dieses Crucifixbild ist eine mit Goldfarbe gerissene Lorberrame, in welcher oberhalb das Brustbild Mariä, und seitenwärts die Bruststücke der Aposteln wieder lediglich angeschrieben der Nachwelt zur Verwunderung in diesem Thurne gezeiget werden. Was eine jede Bildnis in sich enthält, sieht man bey einem jeden Stücke also aufgezeichnet: B. V. Continet Ave Maria. Quem terra &c. S. Petrus continet Symbolum Apostolorum. S. Bartholomaeus continet Saepe expugnav. S. Simon continet Beati omnes, qui ti. S. Joannes continet In convertendo &c. S. Thomas continet Levavi ocolos &c. S. Andreas continet Ad Dominum &c. S. Jacobus continet Deus misereatur. S. Matthaeus continet Deus Deus meus. S. Philippus continet Jubilate Deo &c. S. Thadaeus continet Dominus regnavit. S. Jacobus continet Laudate pueri Dominum. S. Matthias continet Dixit Dominus &c. Zwischen zwo Querlinien in der Rame kann man kaum ein wenig ganz klein geschriebene Wort wahrnehmen, und diese heißen wieder: Hoc opus fecit Marcus Cattaneus civis Venetus. (DOBERSCHITZ, 306-309, = KRAML, 110-112)

Von den von Doberschitz angeführten Bildern konnte ich die Folgenden sehen und fotografieren:
1. Susanna mit den Alten, zwei Bilder jeweils horizontal gespiegelt (A459 und A458).
2. Hl. Benedikt (A462)
3. Hl. Gregor der Große (A461)
4. Das letzte Abendmahl, drei Bilder, eines etwas kleiner (A457), die weiteren beiden horizontal gespiegelt (A463 und A464).
Dazu kam ein Bild, das bei Doberschitz nicht aufscheint nämlich:
5. Das Porträt [von Kaiser Joseph I] in einem Oval (A460)

Insgesamt also 8 Bilder, alle auf Pergament auf Holzrahmen bzw. Holzbrett und in einem recht schlechten Zustand. Von den meisten Texten ist gar nichts mehr zu sehen.


Quellen und Literatur:


DOBERSCHITZ, P. Laurenz 1764: Specula Cremifanensis. Beschreibung der in dem mathematischen Thurne zu Kremsmünster befindlichen Naturalien, Instrumenten und Seltenheiten, MS CCn 1048, Kremsmünster

KRAML, P. Amand (Hrsg.) 1999: Specula Cremifanensis, 1. Band. Beschreibung der in dem mathematischen Thurne zu Kremsmünster befindlichen Naturalien, Instrumenten und Seltenheiten von P. Laurenz DOBERSCHITZ, ADV-Ber. 40, Kremsmünster



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(c) P. Amand Kraml 2020-05-01
Letzte Änderung: 2021-09-16