Objekt des Monats

aus dem Museum der Sternwarte Kremsmünster

Februar 2009



Reflexgoniometer
Wollaston'sches Reflexgoniometer
Messing, Holzbasis, Glasspiegel,
Grundplatte: 14,5 x 19 cm, Höhe: 19 cm, Gesamtbreite: 21 cm, Skalenkreisdurchmesser: 12 cm
Inv. Nr.: Fell 15, 12013002
Foto: P. Amand Kraml


Wollaston'sches Reflexgoniometer

Goniometer, Detail
Figur 64 aus Fellöcker, Lehrbuch
1830 wurde dieses Reflexgoniometer von P. Marian Koller bei Joseph Stadler in Linz gekauft. Er bezahlte dafür 24 fl. Im Jahr 1855 ließ P. Gregor Haslberger von Kusche in Wien um 23 fl. einen Frankenheim'schen Hilfsapparat montieren.

Eine Beschreibung der Funktion und der Verwendung können wir direkt P. Sigmund Fellöckers Lehrbuch der Mineralogie und Geognosie für Obergymnasien und Oberrealschulen entnehmen:
Wollaston's Goniometer von Frankenheim verbessert (Fig. 64). - Auf einer horizontalen Fußplatte gh steht ein zweifüßiger Bock mn und trägt einen vertikalen eingetheilten Kreis aa, dessen horizontale Axe fk einerseits in eine zur leichteren Drehung dienende Scheibe vv endigt. Derselbe Bock trägt auch einen unbeweglichen Arm iq mit dem Index oder Nonius q.
Die Axe fk des Kreises ist ihrer Länge nach durchbohrt und umschließt die Axe tt' des Krystallträgers, welche sich in der hohlen Axe fk des Kreises durch die Scheibe ss so drehen läßt, daß bei ihrer Drehung der Kreis unverrückt bleibt, sie dagegen allen Drehungenen des Kreises durch die Scheibe vv mit unterworfen ist.
Die Axe tt' trägt an ihrem Ende t die gleichfalls zur leichteren Drehung dienende Scheibe ss, am andern t' den Krystall, doch nicht unmittelbar, sondern auf einem Plättchen c, welches durch den Stift p und den in d gebrochenen Halbkreis lf bewegt werden kann.
Anstatt dieser Mechanik hat Frankenheim eine Vorrichtung angebracht, durch welche das richtige Einstellen des Krystalls ungemein erleichtert wird, während die Fußplatte gh vergrößert und oblong ist und an der linken Seite einen beweglichen Spiegel bb (Fig. 65) trägt, welcher derartig eingeschnittene Linien oo zeigt, daß dieselben der Axe des Kreises aa parallel gehen, mithin auf der Ebene des Kreises aa senkrecht stehen. Zu besonderem Zwecke sind noch Linien yy in dem Spiegel geschnitten, welche die Linien oo senkrecht durchkreuzen.
Die von Frankenheim angebrachte Vorrichtung AA', welche Fig. 65 in natürlicher Größe darstellt, ist bei A' der Axe tt' eingefügt und wird durch dieselbe gedreht. Sie trägt zunächst zwei Paare rechtwinklig gegen einander verschiebbare Stäbe, ww, xx Fig. 65 und 66. In der letzteren Figur ist dieselbe Vorrichtung so gezeichnet, wie sie sich als Projektion auf die Ebene der Scheibe aa ergibt, wordurch man die rechtwinklige Verschiebbarkeit der Stäbe ww und xx sieht. In Figur 65 konnte nur der Anblick einer der Stäbe ww gegeben werden, da dieser den zweiten deckt, von den zweiten Stäben xx können nur die Enden in der Projektion auf die Fußplatte gesehen werden.
Das System dieser Stäbe trägt den Apparat DA, Fig. 65, welcher alle möglichen Wendungen für einen auf dem Plättchen z befestigten Krystall gestattet, indem dasselbe durch den Stift aa innerhalb der Hülse b durch den Griff dd gedreht werden kann, die Vorrichtung zd aber innerhalb der Hülse n um einen Axe gedreht wird, welche die Verlängerung der Axe ff ist. Die letztere wird wiederum von den Enden zweier Schrauben uu (sichtbar in Fig. 66), welche durch den Ring rr hindurchgehen, jedoch nur lose gehalten, um sie bewegen zu können. Eine vierte Bewegung wird endlich durch den Ring rr hervorgebracht, welcher von den Spitzen der Schrauben mm so lose gehalten wird, daß eine Drehung ermöglicht ist.

Goniometer, Detail
Der nach Frankenheim gefertigte Hilfsapparat wurde 1855 von Kusche in Wien angebracht
Foto: P. Amand Kraml
Der Mechanismus der Vorrichtung erlaubt es einerseits, daß man den auf dem Plättchen z mit Wachs befestigten Krystall, ohne ihn zu berühren, in jede beliebige Lage bringen kann, andererseits, wenn dieselbe in Bezug auf die Scheibe aa erreicht ist, daß man durch die rechtwinkligen Verschiebungen der Stäbe ww und xx die Lage des Krystalls im Raume, aber nicht die Lage des Krystalls gegen die Scheibe aa verändern kann.
Nach dem angegebenen Principe der Messung muß die Kantenlinie der zu messenden Kante des Krystalls parallel mit der Axe der Scheibe aa gestellt werden, oder mit anderen Worten, sie muß eine senkrechte Stellung gegen die Ebene des Kreises aa einnehmen; die dazu nöthige Operation nennt man das Justiren. Dann muß die mit der Axe der Scheibe aa, also mit der Axe tt' parallel gestellte Kantenlinie so im Raume verschoben werden, daß sie in die geometrische Axenlinie des Kreises aa zu liegen kommt, daß sie bei der Drehung vermittelst der Scheibe ss und vv unverändert bleibt, und selbst die Axe in der Verlängerung darstellt, um welche der Krystall sich bewegt, ohne daß die Kantenlinie sich in ihrer Lage verändert. Die dazu nöthige Operation nennt man das Centriren.
Vermittelst der Frankenheim'schen Vorrichtung justirt und centrirt man die Kantenlinie unabhängig von äußeren Gegenständen und Linien. Ist der Krystall auf z befestigt und hat man eine Kante zur Messung ausgewählt, so sucht man sie parallel mit einer der Spiegellinien oo zu stellen, was durch einfaches Visiren erreicht werden kann, da man die Abweichungen der Kantenlinie und irgend einer Spiegellinie oo von der Parallelität mit dem Auge deutlich erkennt und die leichte Beweglichkeit durch die mannigfachen Drehungen jede Differenz auszugleichen gestattet.
Hat man die Kantenlinie parallel mit irgend einer Spiegellinie oo gestellt und zur Controle durch Drehung mittelst der Scheibe ss den Krystall in seiner Lage verändert, wobei aber die Kantenlinie, wenn sie wirklich richtig gestellt worden ist, die Parallelität mit oo nicht verlieren darf, so ist sie auch parallel der Axe der Scheibe aa gestellt, weil die Spiegellinien oo parallel der Axe der Scheibe aa eingeschnitten sind, oder senkrecht gegen die Ebene der Scheibe aa stehen, mithin ist die Kantenlinie justirt.
Dann hat man nur nöthig, vermittelst der rechtwinkligen Verschiebbarkeit der Stäbe xx und ww der Kantenlinie, eine solche Lage zu geben, daß sie in die geometrische Axenlinie des Kreises aa fällt, was man an besten erreicht, wenn man wiederum gegen die Spiegellinien oo visirt. So lange sie beim Drehen vermittelst der Scheibe ss ihren Ort verändert, also beim Visiren gegen eine bestimmte Spiegellinie von dieser mehr oder weniger durch das Drehen entfernt ist, so lange ist sie nicht centrirt und man muß die Verschiebung fortsetzen, bis man beim Visiren gegen eine Spiegellinie oo sieht, daß beim Drehen vermittelst ss wohl die Masse des Krystalls sich bewegt, die Kantenlinie aber unverändert bleibt. Ist dies erreicht, dann ist die Kantenlinie centrirt.
Goniometer, Detail Goniometer, Detail
Figur 63 aus Fellöcker, Lehrbuch
Figur 67 aus Fellöcker, Lehrbuch
Spiegelung der ersten Fläche (Fig 67). - Ist die zu messende Kante justirt und centrirt, so stellt man durch Drehung an der Scheibe vv den Nullpunkt des Kreises auf den Nullpunkt des Nonius und dreht dann mittels der Scheibe ss den Krystall so lange, bis ein entferntes, zur Beobachtung ausgewähltes Objekt S auf einer der beiden Krystallflächen, z. B. auf CD, sich abspiegelt, und also ein Bild A von S dem Auge O gibt.
Ein solches Objekt bildet am Tage etwa die Spitze eines gegenüberstehenden Thurmes, oder ein Theil eines gegenüberstehenden Hauses, bei Nacht eine Lichtlinie in einem Schirme, der etwa über der Zimmerthüre angebracht wird.
Fixirung des Bildes. - Ist die spiegelnde Fläche etwas ausgedehnter, so hat das Bild auf dieser ganzen Fläche einen Spielraum, der die Messung unsicher macht. Man muß daher bei fester Stellung des Auges die spiegelnde Fläche durch geringe Wendung vermittelst der Scheibe ss in eine solche Stellung bringen, daß, wie bei Figur 63 gezeigt wurde, das auffallende Objekt S möglichst nahe der Kantenlinie C zu liegen scheine, oder die Linie OA dicht an C liege.
Spiegelung der zweiten Fläche. - Nun dreht man mittels der Scheibe vv den eingetheilten Kreis, wobei der Krystallträger und der Krystall selbst in die gleiche Drehung geräth; das Objekt S verschwindet sofort beim Beginn der Drehung und man dreht bei unveränderter Stellung des Auges die Scheibe vv so lange, bis dasselbe Objekt in der Ebene CE dicht an C erscheint, in welchem Moment des Eintretens des Objekt man mit dem Drehen inne hält.
Es erübrigt jetzt nichts, als die Ablesung am Kreise, indem, wie schon bemerkt, der Drehungswinkel des Kreises die Ergänzung des gesuchten Kantenwinkels zu 180°, dieser selbst also 180° weniger dem Drehungswinkel des Kreises ist.
(Fellöcker, Lehrbuch, 17-21)



Quellen und Literatur:


FELLÖCKER, P. Sigmund, Lehrbuch der Mineralogie und Geognosie für Obergymnasien und Oberrealschulen, 3. Aufl. Wien 1864

FELLÖCKER, P. Sigmund, Physikalisches Cabinett, Catalog, [MS] Kremsmünster 1871



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(c) P. Amand Kraml 2009-09-17
Letzte Änderung: 2021-09-16