Objekt des Monats

aus dem Museum der Sternwarte Kremsmünster

April 2006


Untersuchungen Buch im Oktavformat (21 x 17 cm) mit insgesamt 565 Seiten
Titelseite zweifärbig, Ledereinband


Popowitschs Buch
Untersuchungen vom Meere

Von dem Werk Untersuchungen vom Meere... von Johann S. V. Popowitsch wurde jetzt in der Sternwarte für unsere Bibliothek ein Faksimile angefertigt. Das Original besitzt die Stiftsbibliothek. Das Faksimile ist auch auf CD-ROM gebrannt, sodass weitere Kopien leicht möglich sind.

Da stellt sich natürlich die Frage, warum dieses Werk so ein Objekt der Begierde bedeutet, dass diese umfangreiche Arbeit unternommen wurde. Vor allem, wenn man weiß, dass der Autor nicht gerade ein "Fan" des Stiftes Kremsmünsters und seiner Konventualen war.
Johann Siegmund Valentin Popowitsch wurde am 9. Februar 1705 in Arzlin bei Cilli (Celje, Slowenien) geboren und starb am 21. November 1774 in Perchtoldsdorf bei Wien als Germanist.
Mit Kremsmünster kam er 1744 in Kontakt. Er suchte nach einer Anstellung und wurde wahrscheinlich von P. Theodorich Byhers an die Ritterakademie als Lehrer der Geschichte vermittelt. In den Jahren 1744 - 1746 war er dann vorübergehend auch als Lehrer angestellt. Er blieb bis 1747 in Kremsmünster, wohnte wohl im Markt und beschäftigte sich eingehend mit der Pilzflora der Umgebung.

Recht aufschlussreich ist sein Bericht über seinen Aufenthalt in Kremsmünster nach der Entlassung aus dem Lehramt, in dem er sich offenbar seinen ganzen Grant von der Seele schreibt.
Ich mußte auf meine Kosten leben. Die Herren des Ortes gaben mir keinen Bissen Brods zur Erleichterung meines Unterhaltes, ungeachtet diese Arbeit für dieselben vortheilhaft war, da ich durch die Benennung der Geburtstellen der Schwämme, das Gebiete dieser Herrn bekannt zu machen vorhatte. Sie lachten mich noch aus, daß ich ein Schwammsammler wäre worden, da ich doch gleichwol nach ihrem (nicht aber nach der Herren Jesuiten, meiner besten Freunde) Urtheile, noch bessere Dienste zu thun vermöchte. Der Mangel der Neigung für die Naturgeschichte, ist eine unläugbare, allein auch unumgängliche Folge der bejammernswürdigen Verfassung der Schulen. Ignoti nulla cupido. Mir ist die ganze Zeit von 13 Jahren, in welcher ich alle Schulen durchwandert habe, so gar der Name historia naturalis nicht zu Ohren gekommen. Ich hätte unter dem Vorsitze meiner Lehrer können Magister liberalium artium et philosophiae, wie auch Doctor theologiae werden, ohne zu wissen, daß es Einleitungen gebe, nach welchen man die Kräuter, Bäume, Thiere, Erden, Gesteine, Metalle, erkennen könne. Ich habe den Namen Botanik, nachdem ich lange vorher alle Schulen meiner Universität durchstudiert hatte erst im dreyßigsten Jahre meines Alters, von einem Apoteker gelernt. Ich lege also die Sorglosigkeit für die Naturgeschichte, denjenigen Herren, in deren Gebiete ich meine Oesterreichischen Schwämme gesammelt habe, nur soferne zur Last, weil sie ihre Schulen bisher ziemlich nach dem Vorbilde derjenigen eingerichtet haben, in denen die Jugend von den schönsten Wissenschaften nicht einmal die Namen lernet. Sie sind, mit einem Wort zu reden, Herkomanner. Da ich nun zu meinem Vorhaben mich keiner fremden Hülfeleistung zu getrösten hatte, und die bevorstehende Reise mich ermahnte, meine Ausgaben einzuschränken, soviel ich könnte, so hielt ich mir auch keinen Träger, sondern ging mit einem Korbe in die Wälder, und brachte denselben gemeiniglich voll zurücke. Das kam den Leuten des Ortes überaus fremde vor. Sie liefen aus den Häusern, wenn ich mit meinem Korbe vorbeigieng, und sahen mir nach, so ferne sie mich mit den Augen erreichen konnten. Allein ich schreite zur Abschilderung der übrigen Beschwernisse, mit denen meine Beschreibung der Österreichischen Schwämme vergesellschaftet war. Ich hatte die Wohnung von eigennüzigen, unbescheidenen und übelgesitteten Leuten, welche die Einnahme meines Geldes, für schlechte Herberge, stinckend Fleisch, und altgebacken Brod, so den Gästen in der Trinkstube nicht mehr anständig war, mir noch als eine angethane Gefälligkeit und Wolthat anrechneten. Mein Zimmer war eine halbunterirdische Höhle, in welche Laubfrösche, Kröten und Nattern durch die zerbrochenen Fensterscheiben zu mir krochen. Den Laubfröschen gefiel das Licht meiner Lampe überaus wol. Sie hüpften mir, wenn ich schrieb, auf die Hand, und, von derselben auf die Handhabe der Lampe, darauf sie ganze Stunden sizen blieben, blinzelnd in die nahe Flamme sahen, und ihr artiges Spiel mit der Aufblähung der weissen Kehle trieben. Die waren mir doch lieber, als die Asseln, womit der Tisch und die Wände meines Wohnloches wimmelten, wie die Bettstatt mit andern Thierchen. Auf den Brettern des Fußbodens wuchs eine seltene Art des Agarici, welche vielleicht noch nicht beschrieben ist. Dieser Schwamm erfüllte meine Wohnung mit einem durchdringenden, nicht stinkenden, allein wegen der Heftigkeit unerträglichen Geruche, dessen Ursache ich nicht ergründen konnte. Ich bat zwey Nachbarn, welche ihre Zimmer gleich neben dem Meinigen hatten (einer war ein Weber, der andere ein bankerutirter Schuhmacher) zu mir zu kommen, und hieß sie rathen, woher der Geruch käme, den ich seit einigen Tagen verspürte. O! sagten sie gleich bei Eröffnung der Thüre, ein Schwamm wächst bei der Mauer am Fußboden, und fanden denselben alsobald. Sie versicherten mir auch, daß dieses Gewächs in allen Zimmern des Ortes gemein wäre, die auf ebener Erde angelegt und feucht sind. Diese Ausforschung habe ich doch meinen Kerker zu danken, und, ist die Plage nicht ohne allen Nuzen gewesen. Ich gerieth aber in dem beschriebenen Wohnloche noch auf eine andere Untersuchung. Ich beobachtete auf den Bänden etlicher Bücher, die ich nicht eingepackt hattte, auf meinen Schuhen und alten Schwämmen, 4 Arten des Schimmels. Ich erkannte ohne jemandes Anleitung, daß der Schimmel eine rechte Pflanze sey, die Samen bringet. Eine Art war der gemeinste schwarzgraue Traubenschimmel, der MVCOR Linn. Fl. Lapp. 534. Ich gebe ihm diesen Teutschen Namen, weil die runden Samengefässe, und die Fäden, daran sie hangen, Trauben vorstellen, wenn ich dieses Gewächs durch mein Linsengläschen betrachtete. Eine andere Art bildete einen Forst von aufrecht stehenden Bäumchen vor, in dem ich zerstreute Herden von scheußlichen, melancholischen, und langsam sich bewegende Thierchen wahrnahm. Die weideten darinnen. Sie pflückten nicht ohne Wahl die Samenböllchen ab, und frassen dieselben. Sie sahen über und über grau bestäubt aus, welches ich dem Aufplazen der reifen Samenhäupter zuschrieb, die grauen Staub enthalten. Mit blossem Auge sah ich nichts von diesen Thierchen, und gedachte seufzend: O daß ich doch des Hrn. Linnäus scharfes Gesicht hätte" denn er wird die Schimmelläuse vielleicht ohne Glas beobachten können. Ich gab diesen Arten des Schimmels Namen, und vermeine eine neue Entdeckung gemacht zu haben. Allein ich erkannte, als ich zu Regensburg meine Bücher auspackte, daß mir schon andere zuvorgekommen sind. Diejenigen, welche diese Geschichte von meiner Österreichischen Schwammbeschreibung lesen werden, dörften dieses Urtheil fällen, daß ich bei der Ausführung dieses Werkes so grosse Schwierigkeiten überwunden habe, als diejenigen sind, durch deren Erzählung Hr. Linnäus die Unterlassung seiner Pflicht entschuldiget. Der Erfolg muß nun freylich erst weisen, ob ich die Österreichischen Schwämme deutlicher vorstellen werde, als er seine Lappländischen.
(Popowitsch, 383-386)

Zur Publikation dieser Bearbeitung der österreichischen Pilze, für die Popowitsch eine eigene Farbtabelle zusammengestellt hatte, kam es leider nicht.


Quellen und Literatur:


ADELUNG, Johann Christoph, Magazin für die Deutsche Sprache, I. Bd., Leipzig, 1783, 119-131

ANONYMUS (J. S. V. P.) [Johann Siegmund Valentin Popowitsch], Untersuchungen vom Meere, die auf Veranlassung einer Schrift de Columnis Herculis, welche der hochberühmte Professor in Altorf, Herr Christ. Gottl. Schwarz, herausgegeben, nebest andern zu derselben gehörigen Anmerkungen, von einem Liebhaber der Naturlehre und der Philologie, vorgetragen werden, Frankfurt und Leipzig 1750

BÜSCHING, Anton Friedrich, Wöchentliche Nachrichten von neuen Landcharten, geograpischen, statistischen und historischen Büchern und Sachen, 3. Jg. 17. Stk, Berlin 1775, 129-135, 18. Stk, 137-142

FANINGER, Kurt, Johann Siegmund Valentin Popowitsch. Ein österreichischer Grammatiker des 18. Jahrhunderts, Schriften zur deutschen Sprache in Österreich 18, Frankfurt a. M. 1996

GUGITZ, Gustav, Joh. Siegm. Valent. Popowitsch und seine Beiträge zur oberösterreichischen Volkskunde, in Heimatgaue 18, 3. u. 4. Heft, 97-114

JACQUIN, Joseph Franz von, Der Universitäts-Garten in Wien, in: Medicinische Jahrbücher des kaiserlich-königlichen österreichischen Staates, NF, 2. Bd., Wien 1824, 482-528, über Popowitsch: 528

KALTENBAECK, J. P., Erinnerungen an vaterländische Gelehrte I. Johann Sigismund Popowitsch, in: Oesterreichische Zeitschrift für Geschichts- und Staatskunde, Wien 1836, 21-23, 27-28, 31-32, 35-38

KORNHOFER, R., Popowitsch. Ein Leben zwischen Sprachwissenschaft und Naturwissenschaft, in: Benedikt, M. (Hrsg.), Verdrängter Humanismus, Wien 1992, 503-521

LUSCHIN-EBENGREUTH, A., Johann Sigismund Popowitsch, in: Hausmann, Franz (Hrsg.), Südsteiermark. Ein Gedenkbuch, Graz 1925, S. 207-223

MEUSEL, Johann Gerorg, Lexikon der vom Jahr 1750 bis 1800 verstorbenen Teutschen Schriftsteller, 10. Bd. Leipzig 1810, 499-501

SCHMUTZ, Carl, Historisch-Topographisches Lexicon von Steyermark, Gratz 1822, 194

SCHOTTKY, Julius Max, Österreichs deutsche Mundarten. Einige Andeutungen, in: Anzeige-Blatt für Wissenschaft und Kunst Nro. IV, Jahrbücher der Literatur, 3. Bd. 1818, Wien 1818, 31-40


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