Objekt des Monats

aus dem Museum der Sternwarte Kremsmünster

Jänner 2001



Stieglitz-Herbar
Zwei Bände des Flechtenherbariums von Franz Stieglitz
Foto: P. Amand Kraml



Das Flechtenherbarium von Franz Stieglitz

Das nebenstehende Bild zeigt Franz de Paula Stieglitz (1828 - 1913), Domscholaster und Prälat der Diözese Linz. Er vererbte als ehemaliger Schüler des Stiftsgymnasiums Kremsmünster (1840 - 1848) den größten Teil seiner Flechtensammlung dem Botanischen Kabinett der Sternwarte.

Nach seiner Matura (mit Auszeichnung) am Gymnasium Kremsmünster wandte sich der geborene Sierninger dem Theologiestudium zu und wurde Weltpriester der Diözese Linz. Neun Jahre lang war er Kooperator auf verschiedenen Posten. Die anschließende Tätigkeit als Pfarrer (23 Jahre in Tumeltsham bei Ried und dann fünf Jahre in Eberschwang) brachte ihm die Ernennung zum Dechant und die Betrauung mit der Vertretung der Kirche im Bezirksschulrat. 1888 wurde er Kanoniker und Domscholaster in Linz.

Die Sammlung "Stieglitz" in Kremsmünster

Franz Stieglitz machte gerne Touren und besuchte als Visitator zu Fuß die Pfarreien und Schulen. Seinem naturwissenschaftlichen Interesse entsprach er dann nicht nur durch Beobachten, sondern auch durch Sammeln. 1874 wurde er Mitglied der Zoologisch-botanischen Gesellschaft und stand mit einer Reihe von Sammlern in regem Kontakt: Pfarrer Franz S. Oberleitner, St. Pankraz; Dr. A. Sauter, Salzburg; Dr. J. S. Poetsch und P. Hermann Patzalt, Kremsmünster; P. Franz Resch SJ, Freinberg, Linz; Pfarrer und em. Prof. für Neues Testament, Heinrich Engel, Taiskirchen; Pfarrer Ferdinand von Schömburg, Freistadt; P. Bernhard Wagner und P. Pius Strasser, Seitenstetten.
"Die häufigst genannten oberösterreichischen Fundorte liegen in der Umgebung von Linz, in der Nähe des Klosters Schlägl, bei Gallneukirchen und Königswiesen im Mühlviertel, im Hausruck- und Kobernauser-Wald, im Weilhartforst und in der Nähe von Ried. Im Gebirge sammelte er im Ennstale, um Spital a. P., in der Steyerling, am Almsee und Offensee, im Stodertal, auf dem Hohen Priel, auf dem Traunstein, am Attersee und Wolfgangsee, um Ischl, auf dem Höllengebirge, auf dem Schafberge und auf dem Dachstein" (Angerer, 230). Von Schiedermayer werden einige schöne und seltene Funde bestätigt, gelegentlich auch Novitäten für Oberösterreich aus den Funden von Stieglitz angeführt.
Aber auch aus der Steiermark (Präbichl, Johnsbachtal, Gegend von Admont und Aussee), aus dem Salzburgischen (Kitzsteinhorn, Gastein, Krimmler-Gebiet), aus Kärnten (Umgebung des Pasterzengletschers), aus Tirol (Voldertal, Waldrast bei Innsbruck) und schließlich auch von einer Schweiz-Reise (Scheidegg am Eigergletscher und Murren) stammt das Sammelgut.
Nach dem Tod Franz Stieglitz' kam ein umfangreicher Teil des Flechtenherbariums entsprechend einer testamentarischen Verfügung nach Kremsmünster, weil er hier die ersten Anregungen zum Pflanzensammeln erhalten hatte.
In Kremsmünster hat P. Leonhard Angerer als Kustos der naturwissenschaftlichen Sammlungen das Herbar im Jahr 1915 hervorragend aufgearbeitet und geordnet. Er ließ von unserem "Tausendkünstler" Johann Köck (früher "Turmdiener", dann Gymnasialdiener) Holzkassetten anfertigen und klebte die Flechten auf Blätter (2978 Stück; einen Teil hat er aus Umschlägen alter Schularbeitenhefte zugeschnitten), gab sie in selbstverfertigte Umschläge, sichtete das Material kritisch, beschriftete alles genau und legte ein Verzeichnis an. Er schrieb für die "Österreichische Botanische Zeitschrift" 1922 einen Bericht, den Prof. Richard Wettstein erbeten hatte. Er bemerkt hier auch, dass Stieglitz einen Teil seiner Flechten Dr. C. B. Schiedermayr überlassen haben dürfte. Dessen Herbarium ist im Linzer Landesmuseum.
Die Flechten aus Niederösterreich wurden 1915 vom Direktor der Botanischen Abteilung des Naturhistorischen Museums in Wien, Dr. Alex Zahlbruckner, bearbeitet und teilweise veröffentlicht. (Es bedurfte einiger Hartnäckigkeit, dass P. Leonhard Angerer das Material wieder zurückbekam.) Auch der junge Carl Höfler (später Univ.-Prof. und Ordinarius des Pflanzenphysiologischen Institutes) bemühte sich für die Vorarbeiten an der pflanzl. geographischen Karte (Blatt Liezen) um Material aus dem Herbar Stieglitz.
In den letzten Jahren revidierte Prof. Dr. Roman Türk (Universität Salzburg) das gesamte Herbar. Eine Publikation darüber ist inzwischen erschienen (siehe unten).

(nach P. Jakob Krinzinger)


Quellen und Literatur:


..., 1913, Nachruf auf Stieglitz, in: Linzer Volksblatt vom 4. Juni 1913, Linz

ANGERER, P. Leonhard, 1922: Franz d. P. Stieglitz' Flechtenherbarium in der Stiftssammlung in Kremsmünster, in: Österreichische Botanische Zeitschrift, LXXI. Jg. 1922, Wien und Leipzig, 229-231

BAUMGARTEN, Amand 1877: Verzeichnis von ehemaligen P. T. Herren Kremsmünster Studenten, welche vom Jahre 1800 - 1873 ganz oder theilweise ihre Studien hier zurückgelegt haben, Kremsmünster

KRINZINGER, P. Jakob, 1984: Franz Stieglitz. Priester und Flechtensammler, in: Öffentliches Stiftsgymnasium Kremsmünster, Jahresbericht 1984, 66-68

KRINZINGER, P. Jakob, 1984: Der Flechtensammler Prälat Franz Stieglitz, in: Flechten, Zeugen der Lebensqualität, Kremsmünster, 11-17

KRINZINGER, P. Jakob, 1984: Die Flechtensammlung Stieglitz, in: Berichte des Anselm Desing Vereins Nr. 5/6, 1984, 3-5

KRINZINGER, P. Jakob, 1985: Der Priester Franz von Paula Stieglitz, in: Berichte des Anselm Desing Vereins Nr. 7, April 1985, 3-4

PETZ-GRABENBAUER, M., 2009: Sieglitz, in: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815-1950, hrsg. von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 61. Lieferung Stich Ignaz - Stratil Frantisek, Wien, 253-254

SCHIEDERMAYR, C. B., 1894: Nachträge zur systematischen Aufzählung der im Erzherzogthume Oesterreich ob der Enns bisher beobachteten samenlosen Pflanzen (Kryptogamen) von Dr. J. S. Poetsch und Dr. C. B. Schiedermayr, hrsg. von der k. k. zoologisch-botanischen Gesellschaft in Wien im Jahre 1872, Wien

TÜRK, Roman & ÜBLAGGER, Johanna, 2000: Die Flechten im Flechtenherbarium von Franz P. Stieglitz in der Stiftssammlung der Sternwarte Kremsmünster, in: Jahrbuch des Oberösterreichischen Musealvereines. Gesellschaft für Landeskunde, 145. Bd., I. Abh., Linz, 217-338


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(c) P. Amand Kraml, 2001-12-29
Letzte Änderung: 2021-09-16