Objekt des Monats

aus dem Museum der Sternwarte Kremsmünster

Jänner 1998



Meduse
Glasmodell von Rhizostoma pulmo aus der Sammlung Blaschka
Foto: P. Amand Kraml


Die Glasmodellsammlung

Einen besonderen Anziehungspunkt in den zoologischen  Sammlungen der Sternwarte bildet die Glasmodellsammlung von Blaschka aus Dresden.

Die naturwissenschaftlichen Sammlungen des Stiftes Kremsmünster in der Sternwarte erhielten 1884 von dem großzügigen Gönner Carl Eggerth die Spende von 253 Glasmodellen von Meerestieren. Es sind noch 226 vorhanden. Eggerth war Badehausbesitzer in Wien, sein Sohn studierte am hiesigen Gymnasium. Nach dem frühen Tod seines Sohnes bekamen die Sammlungen von der Witwe Carl Eggerths weitere großartige Spenden.

Die Modelle sind naturgetreue Nachbildungen aus folgenden Tiergruppen: Alcyonaria, Actiniaria, Hydroidea, Siphonophora, Ctenophora, Crinoidea, Holothuria, Ophiuroidea, Turbellaria, Gephyrea, Hirudinea, Chaetopoda, Pteropoda, Dermatobranchia, Basommatophora, Stylommatophora, Cephalopoda, Ascidia.

Eggerth kaufte die Modelle vermutlich in der „Lehrmittel- u. Naturalien-Handlung V. Fric Prag Wasserg. 736II". Alle stammen von Leopold Blaschka und dessen Sohn Rudolph.

Durch Frau Christa Brosche (Bochum) wurden die Lebensdaten der Blaschkas bekannt. Sie stammt aus dem gleichen Ort wie L. Blaschka, aus Böhmisch-Aicha (Nordböhmen). Leopold Blaschka wurde 1822 geboren, sein Vater Joseph war Mechaniker für elektrische Apparate, aber auch Glasmacher. Leopold arbeitete zunächst als Goldschmied und Juwelier in Turnau (Böhmen). Nach einigen Jahren kehrte er nach Aicha zurück und war mit seinem Vater gemeinsam in einem Metall- und Glaswerk angestellt.

1853 unternahm er auf einem Segelschiff eine Reise nach den Vereinigten Staaten. Während der langen Flauten machte er Zeichnungen von marinen Wirbellosen. Diese außerordentlich genauen Zeichnungen dienten als Vorlagen für die späteren Glasmodelle für das Naturkunde-Museum in Dresden. Blaschke hatte - der damaligen Mode entsprechend - seinen Namen latinisiert und das "e" durch ein "a" ersetzt.

1865 machte er die ersten Modelle von Coelenteraten, die sofort große Beachtung fanden. Es entstand ein erfolgreiches Geschäft, das dadurch begrenzt war, daß sowohl Vater als auch Sohn Lehrlinge und Helfer ablehnten.

Rudolph wurde am 17.Juni 1857 in Aicha geboren. Er befaßte sich - nach seiner Erziehung in Dresden und seiner Begeisterung für Botanik und Zoologie - mit der Kenntnis der Flora von Mitteldeutschland und großen Teilen der Fauna der Nord- und Ostsee und des Mittelmeeres. Die Glasmodelle der marinen Formen wurden an viele Museen und wissenschaftliche Institutionen verkauft und sind auch heute dort zum Teil noch vorhanden. Die Modelle der Pflanzen sind aber nur in der Harvard University zu finden. Vater und Sohn Blaschka hatten ein Studio in Hosterwitz bei Dresden und lebten auch dort.

George Lincoln Goodale (1839-1923), Professor an der Harvard University, Goodale, kam 1886 nach Europa, besuchte Blaschka und wollte Glasmodelle von Pflanzen von ihm. Nachdem er zwei Modelle von Orchideen gesehen hatte, die ihm sehr gut gefielen, bat er Blaschka, einige Stücke anzufertigen. Dieser lehnte zunächst ab, überlegte es sich aber und verfertigte Glasblumen, die er nach Amerika schickte. 1887 erhielt Goodale natürlich nur Scherben, aber die Schönheit der Überreste bewog Goodale doch zur Anschaffung von Glasmodellen.

Die beiden Damen Ware (Mutter und Tochter) konnten als Gönner gewonnen werden und bestellten eine Sendung. Die Sammlung ist heute noch nach den beiden benannt. Die zweite Sendung kam unversehrt nach Amerika. Rudolph Blaschka wurde nach Amerika eingeladen. Die Reise führte ihn 1892 bis an die Pazifikküste und nach Jamaika.

Eine zweite Reise führte Rudolph nach den Südstaaten. Im gleichen Jahr starb sein Vater am 3.Juli. Rudolph setzte die Arbeit fort und erfüllte den 10-Jahres-Vertrag. Rudolph heiratete später eine viel jüngere Frau, hatte aber keine Kinder. Da er, so wie sein Vater, keinen Lehrling und auch keinen Gehilfen wollte, ging das Können und Wissen nach dem Tod Rudolphs verloren. Es sollen einige tausend Modelle entstanden sein. Rudolph machte nur Pflanzenmodelle.

Aus: Hofmeister, Gertrude (1982): Die Sammlung der Glasmodelle, ADV-Berichte, 2.


Literatur:


BLASCHKA, Leopold, 1885: Katalog über Blaschka's Modelle von wirbellosen Thieren, Dresden

BROSCHE, Christa, 1982: Die verschollenen Glaskünstler Blaschka, in: Sudetenland. Vierteljahresschrift für Kunst, Literatur, 24/II, 95

HOFMEISTER, Gertrude, 1982: Die Sammlung der Glasmodelle, ADV-Berichte, 2.

BROSCHE, Christa, 1982: Die verschollenen Glaskünstler Blaschka - redivivi, in: Sudetenland. Vierteljahresschrift für Kunst, Literatur, 25/II, 147-148

SCHULTES, Richard Evans & DAVIS, William A.,  The Glass Flowers at Harvard

REILING, Henri, 1998: The Blaschkas' Glass Animal Models: Origins of Design, Journal of Glass Studies, Vol. 40, Corning, 105-126

REILING, Henri, 2000: Václav Fric (1839-1916): Traces in Archives and Museums, in: Verhandlungen zur Geschichte und Theorie der Biologie, Bd. 5, Berlin, 341-357

REILING, Henri, 2000: The Blaschkas' glass animal modells. illustrations of 19th century zoology, in: Scientiarum Historia, Bd. 26, Nr. 1-2, Brüssel, 131-143

REILING, Henri, 2002: Leopold en Rudolf Blaschka maakten een zee van glazen dieren. Onderwaterwereld in glas, in: Cachet. Tijdschrift voor kunstliefhebbers, Nr. 20, Hilversum, 20-25

REILING, Henri, 2003: Beter dan de natuur, in: Jan Brand & Alex de Vries (Ed.), NEO, Centraal Museum, Utrecht, 221-235

ROSSI-WILCOX, Susan M., REILING, Henri & BISAGA, Philip, 2003: The Blaschkas' Lampworking Tables, Journal of Glass Studies, Vol. 45, Corning, 167-176

WARD, Henry A., 1888: Catalogue of Glass Models of Invertebrate Animals, Ward's Natural Science Establishment, Rochester, N. Y.


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