Objekt des Monats

aus dem Museum der Sternwarte Kremsmünster Dezember 2020



Titanit
Titanit (Sphen) Zwillingskristall aus Tavetsch, Graubünden, Schweiz
Geschenk des Herrn Karl Eggerth aus Wien 1879/80
Höhe: 61 mm
Foto: P. Amand Kraml


Bericht über eine Exkursion nach Kremsmünster von Dr. Aristides Brezina im Juni 1886


Der Kustos der mineralogisch-petrographischen Abteilung am k. k. naturhistorischen Hofmuseum Dr. Maria Aristides Brezina (1848-1909) machte im Juni 1886 eine Exkursion nach Vöcklabruck und an unsere Sternwarte. P. Sigmund Fellöcker war schon im gleichen Jahr als einer der "auswärtigen Fachmänner" zu Besuch an Brezinas Abteilung in Wien. (HAUER, 22)
P. Sigmund trat 1871 aus gesundheitlichen Gründen vom Schuldienst zurück und wurde Pfarrer in Weißkirchen an der Traun. Von dort berief ihn der Abt Cölestin Ganglbauer 1876 als Prior ins Stift zurück. Wir haben zwar zur Zeit keine Zeugnisse dafür, aber es scheint hier, dass er sich als solcher durchaus auch noch um die Mineraliensammlung gekümmert hat. Jedenfalls unterstand die Sammlung ab 1881 dem Kustos der naturhistorischen Sammlungen P. Anselm Pfeiffer. Wie P. Leonhard Angerer in der Biographie P. Anselms vermerkt, wurde er im mineralogischen Kabinett durch die Beihilfe des bekannten Mineralogen P. Priors Siegmund Fellöcker kräftig unterstützt. Und in der Fußnote dazu: An P. Siegmund hatte P. Anselm einen wohlerfahrenen und immer hilfsbereiten Freund, der selber mit unermüdlichem Bienenfleiße arbeitete und sich mit aufrichtigem Interesse über die Erfolge seiner Mitbrüder freute. (ANGERER, 10)

Unser Objekt, ein Titanit- oder Sphenzwilling, den Brezina unter den Highlights unserer Sammlung anführt, stammt aus Tavetsch (romanisch: Tujetsch) in Graubünden in der Schweiz. Im Zettelkatalog der Mineraliensammlung vermerkt P. Anselm Pfeiffer den Kaufpreis mit 4 fl. Den Betrag brauchte er aber nicht auszugeben, denn wiederum handelt es sich um ein Geschenk des Herrn Karl Eggerth, das im Gymnasialprogramm 1880 (S. 83) angeführt ist. Auch heute ist der Zwillingskristall noch ein "Schausammlungsobjekt".

Nun aber zum Exkursionsbericht von Brezina:
Von Vöcklabruck aus begab ich mich über freundliche Einladung des Priors Pater Sigmund Fellöcker in das Stift Kremsmünster, wo ich unter seiner und der Professoren Pater Anselm Pfeiffer und Pater Coloman Wagner Führung die schönen Sammlungen des Stiftes, wohl das reichste einer österreichischen Mittelschule zur Verfügung stehende Lehrmateriale, besichtigte. Die mineralogische Sammlung erfreute sich eine Reihe von Decennien hindurch der sorgfältigsten Pflege von Seite des gegenwärtigen Priors, welcher allen Fachmännern durch seine zahlreichen, insbesondere für Mittelschulen eingerichteten mineralogischen Lehrbücher vortheilhaft bekannt ist, und wird jetzt von Pater Anselm Pfeiffer betraut, welcher, sowie sein Vorgänger, für eine instructive Aufstellung und Ordnung der Stücke sorgt. Viele und kostbare Bereicherungen verdanken die Stiftssammlungen auch der dankbaren Anhänglichkeit der Schüler und ihrer Angehörigen, welche damit ein beredtes Zeugniss für den vortrefflichen Geist ablegen, in welchem diese altberühmte Unterrichtsstätte geleitet wird. Die mineralogische Abtheilung der Sammlung ist in dieser Beziehung besonders glücklich, da sie sich der fortgesetzten Unterstützung von Seite des bekannten Förderers zahlreicher Unterrichtsanstalten, des hiesigen Badebesitzers Karl Eggerth erfreut, welcher, nachdem er lange Zeit für sich gesammelt und dabei eine der ausgezeichnetsten Mineraliensammlungen gebildet hatte, jetzt schon seit einer Reihe von Jahren Schulen und insbesondere die Sammlung des Stiftes Kremsmünster mit den neueren Mineralvorkommnissen versorgt. In der Kremsmünsterer Sammlung ist besonders hervorzuheben ein Handstück Lievrit von Campiglia marittima, Toscana, mit herrlichen, glänzenden Krystallen, wie ich sie in keiner italienischen Sammlung schöner gesehen habe; ein isländischer Doppelspath mit einem ganz ungewöhnlich grossen Flüssigkeitseinschlusse, ein flacher, gewundener Rauchtopaskrystall auf einem nicht gewundenen aufgewachsen (Schweiz), ein flächenreicher grüner Turmalin aus Brasilien und ein beiderseits ausgebildeter schöner Krystall von der Insel Giglio, schöner Perlquarz von Mortonhouse, ein ausgezeichneter, 6 Cm. langer Sphenzwilling aus Tawetsch [siehe Abb.], ein 1.5 Cm. langer Krystall von Spargelstein vom Greiner, mit der Pyramide als Endigung, ein ausgezeichnetes Fluoritdodekaeder mit Kern von Obernberg in Tirol, ein schöner, röthlichgelber Dolomit von Larzenbach bei Hüttau (Salzburg), ausgezeichnete Achate mit Infiltration (Uruguay), ein ungewöhnlicher Albitkrystall unbekannten Fundortes, 5 Cm. breit, von orthoklasähnlichem Aussehen. Ferner besitzt die Sammlung eine ausserordentlich reiche Suite der prachtvollsten Tropfsteingebilde aus der durch Hochstetter bekanntgemachten Lettenmaierhöhle bei Kremsmünster; 1) von Seite seiner Hochwürden des Priors Pater Fellöcker wurde mir in der munificentesten Weise gestattet, aus dieser Suite für unser Museum auszuwählen, wodurch es möglich wurde, eine ganze Reihe genetisch hochinteressanter und dabei ausgezeichnet schöner Stücke für die genetische Aufstellung zu gewinnen, welche die reiche Puttig'sche Sammlung aus den Krainer Höhlen, die wir mit Bewilligung Seiner Excellenz des Ackerbauministers Grafen Falkenhayn von dem Entdecker, k. k. Forstassistenten Puttig, zum Geschenke erhalten hatten, in wichtigen Punkten wesentlich vervollständigen. Ferner erhielt ich für unsere Aufstellung von Pater Anselm Pfeiffer sehr interessante Sinterbildungen, welche sich auf Mühlrädern abgesetzt haben und einen Aufschluss über die Geschwindigkeit solcher Bildungsvorgänge gewähren. Für diese werthvollen Bereicherungen unseres Museums, wie nicht minder für die liebenswürdige Gastfreundschaft, welche mir von den Herren im Stifte erwiesen wurde, möchte ich auch an dieser Stelle meinen wärmsten Dank aussprechen.



1) F. von Hochstetter: Fünfter Bericht der prähistorischen Commission, Sitzungsberichte der kais. Akademie der Wissenschaften, I. Abtheilung, Band 85, Seite 84—89, 1882,


Quellen und Literatur:


ANGERER, P. Leonhard 1903: P. Anselm Pfeiffer, in: 53. Programm des kais. kön. Obergymnasiums der Benediktiner zu Kremsmünster für das Schuljahr 1903, Linz, 3-22

BREZINA, A. 1887: Excursion nach Vöcklabruck und Kremsmünster, in: Annalen des k. k. naturhistorischen Museums, Bd. II, Wien, 113-114

HAUER, Franz Ritter von 1887: Notizen - Jahresbericht für 1886, in: Annalen des k. k. naturhistorischen Museums, Bd. II, Wien

ANONYMUS [PFEIFFER, P. Anselm] 1880: b) Naturalien-Sammlung, in: 30. Programm des kais. kön.Ober-Gymnasiums der Benedictiner zu Kremsmünster für das Schuljahr 1880, Kremsmünster, 79-85



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Letzte Änderung: 2021-09-16