aus dem Museum der Sternwarte Kremsmünster Dezember 2020
Unser Objekt, ein Titanit- oder Sphenzwilling, den Brezina unter den Highlights unserer Sammlung anführt, stammt aus Tavetsch (romanisch: Tujetsch) in Graubünden in der Schweiz. Im Zettelkatalog der Mineraliensammlung vermerkt P. Anselm Pfeiffer den Kaufpreis mit 4 fl. Den Betrag brauchte er aber nicht auszugeben, denn wiederum handelt es sich um ein Geschenk des Herrn Karl Eggerth, das im Gymnasialprogramm 1880 (S. 83) angeführt ist. Auch heute ist der Zwillingskristall noch ein "Schausammlungsobjekt".
Nun aber zum Exkursionsbericht von Brezina:
Von Vöcklabruck aus begab ich mich über freundliche
Einladung des Priors Pater Sigmund Fellöcker in das Stift Kremsmünster, wo ich
unter seiner und der Professoren Pater Anselm Pfeiffer und
Pater Coloman Wagner Führung die schönen
Sammlungen des Stiftes, wohl das reichste einer österreichischen Mittelschule zur Verfügung
stehende Lehrmateriale, besichtigte. Die mineralogische Sammlung erfreute sich
eine Reihe von Decennien hindurch der sorgfältigsten Pflege von Seite des gegenwärtigen
Priors, welcher allen Fachmännern durch seine zahlreichen, insbesondere für
Mittelschulen eingerichteten mineralogischen Lehrbücher vortheilhaft bekannt ist, und
wird jetzt von Pater Anselm Pfeiffer betraut, welcher, sowie sein Vorgänger, für eine
instructive Aufstellung und Ordnung der Stücke sorgt. Viele und kostbare Bereicherungen
verdanken die Stiftssammlungen auch der dankbaren Anhänglichkeit der Schüler
und ihrer Angehörigen, welche damit ein beredtes Zeugniss für den vortrefflichen Geist
ablegen, in welchem diese altberühmte Unterrichtsstätte geleitet wird. Die mineralogische
Abtheilung der Sammlung ist in dieser Beziehung besonders glücklich, da sie sich der
fortgesetzten Unterstützung von Seite des bekannten Förderers zahlreicher Unterrichtsanstalten,
des hiesigen Badebesitzers Karl Eggerth erfreut, welcher, nachdem er lange
Zeit für sich gesammelt und dabei eine der ausgezeichnetsten Mineraliensammlungen
gebildet hatte, jetzt schon seit einer Reihe von Jahren Schulen und insbesondere die
Sammlung des Stiftes Kremsmünster mit den neueren Mineralvorkommnissen versorgt.
In der Kremsmünsterer Sammlung ist besonders hervorzuheben ein Handstück
Lievrit von Campiglia marittima, Toscana, mit herrlichen, glänzenden Krystallen, wie
ich sie in keiner italienischen Sammlung schöner gesehen habe; ein isländischer Doppelspath
mit einem ganz ungewöhnlich grossen Flüssigkeitseinschlusse, ein flacher, gewundener
Rauchtopaskrystall auf einem nicht gewundenen aufgewachsen (Schweiz), ein
flächenreicher grüner Turmalin aus Brasilien und ein beiderseits ausgebildeter schöner
Krystall von der Insel Giglio, schöner Perlquarz von Mortonhouse, ein ausgezeichneter,
6 Cm. langer Sphenzwilling aus Tawetsch [siehe Abb.], ein 1.5 Cm. langer Krystall von Spargelstein
vom Greiner, mit der Pyramide als Endigung, ein ausgezeichnetes Fluoritdodekaeder
mit Kern von Obernberg in Tirol, ein schöner, röthlichgelber Dolomit von Larzenbach
bei Hüttau (Salzburg), ausgezeichnete Achate mit Infiltration (Uruguay), ein ungewöhnlicher
Albitkrystall unbekannten Fundortes, 5 Cm. breit, von orthoklasähnlichem Aussehen.
Ferner besitzt die Sammlung eine ausserordentlich reiche Suite der prachtvollsten
Tropfsteingebilde aus der durch Hochstetter bekanntgemachten Lettenmaierhöhle bei
Kremsmünster; 1) von Seite seiner Hochwürden des Priors Pater Fellöcker wurde mir
in der munificentesten Weise gestattet, aus dieser Suite für unser Museum auszuwählen,
wodurch es möglich wurde, eine ganze Reihe genetisch hochinteressanter und dabei
ausgezeichnet schöner Stücke für die genetische Aufstellung zu gewinnen, welche die
reiche Puttig'sche Sammlung aus den Krainer Höhlen, die wir mit Bewilligung Seiner
Excellenz des Ackerbauministers Grafen Falkenhayn von dem Entdecker, k. k. Forstassistenten
Puttig, zum Geschenke erhalten hatten, in wichtigen Punkten wesentlich
vervollständigen.
Ferner erhielt ich für unsere Aufstellung von Pater Anselm Pfeiffer sehr interessante
Sinterbildungen, welche sich auf Mühlrädern abgesetzt haben und einen Aufschluss
über die Geschwindigkeit solcher Bildungsvorgänge gewähren.
Für diese werthvollen Bereicherungen unseres Museums, wie nicht minder für die
liebenswürdige Gastfreundschaft, welche mir von den Herren im Stifte erwiesen wurde,
möchte ich auch an dieser Stelle meinen wärmsten Dank aussprechen.
1) F. von Hochstetter: Fünfter Bericht der prähistorischen Commission, Sitzungsberichte der kais. Akademie der Wissenschaften, I. Abtheilung, Band 85, Seite 84—89, 1882,
ANGERER, P. Leonhard 1903: P. Anselm Pfeiffer, in: 53. Programm des kais. kön. Obergymnasiums der Benediktiner zu Kremsmünster für das Schuljahr 1903, Linz, 3-22
BREZINA, A. 1887: Excursion nach Vöcklabruck und Kremsmünster, in: Annalen des k. k. naturhistorischen Museums, Bd. II, Wien, 113-114
HAUER, Franz Ritter von 1887: Notizen - Jahresbericht für 1886, in: Annalen des k. k. naturhistorischen Museums, Bd. II, Wien
ANONYMUS [PFEIFFER, P. Anselm] 1880: b) Naturalien-Sammlung, in: 30. Programm des kais. kön.Ober-Gymnasiums der Benedictiner zu
Kremsmünster für das Schuljahr 1880, Kremsmünster, 79-85