aus dem Museum der Sternwarte Kremsmünster
Februar 2015
Der lateinische Text wurde wie folgt ins Deutsche übersetzt:
Den Totengöttern
Titus Flavius Victorianus, Rittmeister a. D. der ala Tampiana, hat zu Lebzeiten für sich,
für seine mit 23 Jahren verstorbene Tochter Flavia Victorina, für seine im Alter von 50 Jahren verstorbene Gattin
Cosutia Vera und für den zehnjährig gestorbenen Ziehsohn Consutius Firmus (dieses Grab) errichten lassen.
(siehe: STÖLLNER S. 136)
Der Grabstein ist in der nordöstlichen Fensternische im Erdgeschoß der Sternwarte eingemauert und ist wohl 1775 oder 1776 dorthin gebracht worden.
P. Laurenz Doberschitz berichtet in seinen "Beichtvaterreiseln" davon, dass er diese Tafel zusammen mit dem türkischen Grabstein gleich beim Eingang dort neu angebracht vorgefunden hätte. (Doberschitz, 170)
Auch P. Marian Pachmayr erwähnt in seiner Historico-chronologico series abbatum im Erdgeschoss
Quod sequitur tabulatum II, ingessis obvium, varia id marmora, Romana,
Turcica, Germanica conspicienda praebet, lipsana
vetustatis. (PACHMAYR, 819)
Durch die Erwähnung bei J. H. Eckhel und J. A. Schultes (SCHULTES, 237) wurde der Grabstein auch
von Gaisberger unter Nr. 64 (GAISBERGER, 48-51) näher beschrieben und daraufhin auch ins Corpus
Inscriptionum Latinarum im III. Band unter Nr. 5632 aufgenommen.
Eine Erklärung zu diesem Grabstein gibt Lothar Eckhart in seiner Arbeit über die Kremsmünsterer Römersteine:
Ein Titulus wird niemals als selbständiger Grabstein verwendet, sondern
steht immer in Zusammenhang mit einem größeren Totenmal. Ein solches
hat also laut Inschrift der Veteran Titus Flavius Victorinus bei Lebzeiten
für sich sowie für seine dahingeschiedene Gattin und die beiden gleichfalls
schon verstorbenen Kinder machen lassen. Der alte Soldat wurde als Unterführer
(decurio) einer berittenen Hilfstruppeneinheit verabschiedet, mit seiner
missio honesta erhielt er das römische Bürgerrecht, worin ihm seine Tochter
Flavia Victorina folgt, vermutlich ist sie deshalb vor der Gattin Cosutia
Vera genannt, die, wie auch der Sohn Cosutius Firmus, einen zwar latinisierten,
jedoch unrömischen (etruskischen?) Gentilnamen trägt. ... Wenn nun der Stein
um 200 n. Chr. anzusetzen ist, und die ala Tampiana um 200 in Lentia-Linz garnisonierte,
so liegt es nahe anzunehmen, daß der letzte Dienstort des Veteranen Titus Flavius eben
Lentia-Linz gewesen ist. (ECKHART, 55-56)
P. L. D. P. C. [P. Laurenz Doberschitz, Professus Cremifanensis] o. J.: Beichtvaterreiseln, CCn 306, Stiftsbibliothek Kremsmünster
BIRLEY, Eric 1952: Noricum, Britain and the Roman Army, in: Beiträge zur älteren europäischen
Kulturgeschichte, Festschr. R. Egger 1, Carinthia I, Bd. 143, 175-188
Corpus Inscriptionum Latinarum [CIL] 1873:, III, Nr. 5632, 681
ECKHART, Lothar 1969: Die Römersteine des Benediktinerstiftes Kremsmünster in Oberösterreich,
in: Jahrbuch des Oberösterreichischen Musealvereines, Bd. 114, I. Abhandlungen, Linz, 49-68, Tafeln V-VIII
GAISBERGER, Josef 1853: Römische Inschriften im Lande ob der Ens, in: Dreizehnter Bericht über das Museum Francisco-Carolinum
Nebst der achten Lieferung der Beiträge zur Landeskunde von Österreich ob der Ens, Linz
KRAFT, Konrad 1951: Zur Rekrutierung der Alen und Kohorten an Rhein und Donau (Dissertationes Bernenses I, 3) Bern
NOLL, Rudolf 1958: Römische Siedlung und Straßen im Limesgebiet zwischen Inn und Enns (OÖ.), in: Der Römische Limes in Österreich 21, 45
PACHMAYR, P. Marian, 1777: Historico-Chronologica Series Abbatum et Religiosorum Monasterii Cremifanensis, Styrae
PILLWEIN, Benedikt 1828: Geschichte Geographie und Statistik des Erzherzogthums Oesterreich ob der Enns und des
Herzogtums Salzburg, Zweyter Theil: Der Traunkreis, Linz
PÖTSCH, P. Altman 2015: Vier Quellentexte zur Gründung Kremsmünsters, in: Öffentliches Stiftsgymnasium Kremsmünster, 158. Jahresbericht, Thalheim, 51-96
SCHULTES, J. A. 1809: Reise durch Oberösterreich, in den Jahren 1749, 1759, 1802, 1803, 1804 und 1808. I. Theil, Tübingen
STÖLLNER, P. Severin, LEBERBAUER, W. & LITTRINGER, K. 1996: Lateinische Inschriften in Kremsmünster,
in: Öffentliches Stiftsgymnasium Kremsmünster, 139. Jahresbericht, 109-145
WAGNER, Walter 1953: Zur Geschichte der ala I Pannoniorum Tampiana victrix, in: Festschrift des Römisch-Germanischen Zentralmuseums in Mainz Bd. 3, 97-101
WERNER, P. Konstantin 1929: Kremsmünster in Wort und Bild. Zum Geleite für seine Besucher,
zur Erinnerung für seine Zöglinge, Steyr, [vgl. 213]