aus dem Museum der Sternwarte Kremsmünster
Oktober 2008
Wissen Sie, wer Otto Jägermaier (1870-1933) ist? Nun, wenn Sie am Ostermontag (2008-03-24) die "Linzer Torte" im
Radio Oberösterreich gehört haben, dann wissen Sie es. Otto Jägermaier ist ein Komponist, den
es nie gegeben hat. Er wurde von Herbert Rosendorfer erfunden. ... Es gibt Erdichtetes, das für wahr genommen,
Heiterkeit hervorruft. Es gibt aber auch Erdichtetes, das einfach nur dumm ist. Es überführt den, der solches
"zum Besten" gibt, nur seines Unwissens oder sogar seiner Blödheit. Solche Dummheiten werden zwar durch
wiederholte Wiedergabe von immer mehr Unkritischen und Leichtgläubigen geglaubt, aber sie werden deshalb
nie und nimmer wahr.
In der letzten Zeit sind eine Reihe von Büchern mit dem Titelbeginn "Die größten Irrtümer ..."
[1] erschienen.
Für ein Buch reichen die "größten Irrtümer über die Sternwarte" noch nicht. Aber es kann schon einiges
angeführt werden. Ich werde es mir wohl (vorerst) verkneifen müssen, die Quellen der Irrtümer anzugeben, um
hier niemand öffentlich als ungebildet oder schlampig im Recherchieren anzuprangern. Eine Änderung dieses
Vorsatzes ist aber bei hartnäckigen Unsinnverbreitern vorbehalten.
Ich persönlich halte ja nicht Jäger und Fischer - wenn es um Übertreibungen geht - für die größten Lügner. Ich
stelle die Museumsführer den beiden Gruppen voran. Natürlich gibt es auch Ausnahmen. Oft ist die Sucht
nach Superlativen auch recht gut gemeint, um das eigene Haus möglichst gut herauszustellen. Aber die gute
Absicht entschuldigt das meist dadurch zur Schau gestellte Unwissen keinesfalls. Die Zeiten, in denen der
Museumsbesucher für plumpe oder gar derbe Witze und maßlose Übertreibungen bezahlt hat, sollten endgültig
der Vergangenheit angehören.
Oft ist es nicht ganz leicht Übertreibungen zu widerlegen. Vieles kann ganz klar ausgeschlossen werden.
Manches braucht man nur nachzumessen. So manches muss erst widerlegt werden. Heute ist es mit Hilfe des
Internets möglich, manches zu widerlegen oder zu bestätigen. Genauso wie es möglich ist, natürlich eine Unmenge
an Geistesmüll weiter in die Welt zu verbreiten. Im Glauben an das Positive hier nun die Richtigstellung
einiger Irrtümer:
Irrtum Nr. 1.: Johannes Kepler hat nicht an unserer Sternwarte gearbeitet. Es ist nicht bekannt, ob er je in Kremsmünster war.
Irrtum Nr. 2.: Die Sternwarte hätte die älteste Wetterstation von wer weiß wo. Die Wetteraufzeichnungen an der Sternwarte beginnen im Dezember 1762. Brauchbare, das heißt für heutige Fragestellungen der Klimaentwicklung auswertbare, Temperaturdaten können wir ab dem Jahr 1796 der Wissenschaft zur Verfügung stellen.
Irrtum Nr. 3.: Die Sternwarte sei 54 m hoch. Man messe nach! Es sind auf der Konventgartenseite bis zur höchsten Stelle der alten Mittelkuppel 49 Meter. Die Angabe von 54 Metern könnte auf die Länge des Schachtes zurückgehen. Da ist aber der Keller mitgerechnet.
Irrtum Nr. 4.: Die Sternwarte sei das älteste Hochhaus Europas. Dieser Irrtum ist so massiv verwurzelt, dass man mit heftigen Aggressionen zu rechnen hat, wenn man dies bezweifeln möchte. Hier stellen sich aber eine Reihe von Fragen, die diese irrtümliche Behauptung relativieren. Was ist ein Haus und was ist ein Turm? Wie unterscheidet man diese beiden Gebäudetypen? Warum ältestes Hochhaus Europas? Gab es anderswo höhere Häuser? Einiges kann klärend angeführt werden. Dieser Irrtum geht auf eine Aussage zurück, als in Amerika die ersten Wolkenkratzer gebaut wurden und man sagen wollte: "Nun, sowas gab's bei uns schon früher!" Dass hier nicht einfach ein Turm gebaut werden sollte, sondern ein "hoher Palast" steht auch fest. P. Anselm Desing schreibt das in seinem Brief vom 10. Febr. 1741 ("Non turris sed alti palatii formam praesefert haec aedes; nam observatorium egregium in turre una, minus in duabus, constitui haud potest; sed opus ampliore spatio ac solario quodam subdiali. Neque Hevelii Gedanense [2] observatorium quondam illustrissimum aliam prae se tulit speciem, neque modo magnificentissimum Parisinum.").
Irrtum Nr. 5.: Die Sternwarte sei eine "gebaute Idee", in dem Sinn, wie das im Jubiläumsjahr 1977 gerne publiziert wurde. Der ordnende Geist des Menschen sieht gerne eine bestimmte Ordnung, die sich dann auch noch recht ästethisch präsentiert. Diese Ordnung ist aber in der Anordnung der Räumlichkeiten der Sternwarte nicht zu finden. Oft wurde die Verteilung der Sammlungskabinette im Lauf der 250 Jahre geändert. Die letzte Änderung der Kabinette Mineralogie und Physik erfolgte bei den Renovierungsarbeiten zur Landesausstellung 1977. Der letzte Wechsel von Räumlichkeiten in der Sternwarte erfolgte nach dem Tod von Direktor P. Ansgar Rabenalt. Die Direktion wurde 1995 vom dritten Stock in den zweiten verlegt. Durch den Rücktritt P. Fanz Schwabs 1906 war die Direktion im dritten Stock, denn P. Franz blieb in seiner Wohnung im zweiten Stock. Nach dem Tod von P. Franz wurden diese Räume zum Kustodiat.
Irrtum Nr. 6.: Es gäbe Führungen in der Zeit zwischen 1. November und 30. April. In dieser Zeit gibt es keine Führungen, weil es in den Sammlungsräumen keine Heizung gibt. In den kalten Räumen ist es aber ausgeschlossen, Reinigungsarbeiten durchzuführen. Besucher würden nicht nur vielleicht den Staub sehen. Sie würden ihn mit Sicherheit aufwirbeln und in den gewachsten Holzboden eintreten. Zudem werden in der Zeit der Wintersperre, soweit das bei den tiefen Temperaturen möglich ist, in einzelnen Abteilungen Restaurierungs- und Erhaltungsarbeiten durchgeführt, bei denen Besucher ausgeschlossen werden müssen. Dass die Gesundheit der Führer in den kalten Räumen auf dem Spiel steht, habe ich oft erlebt, wird aber leider nie als Argument akzeptiert. Seien Sie also nicht traurig, wenn wir Ihnen in dieser Zeit der Wintersperre keine Führung anbieten können. Kommen Sie zwischen 1. Mai und 31. Oktober.
[1] z. B.: 1000 Irrtümer der Allgemeinbildung, 120 populäre Irrtümer über Sonne, Mond und Sterne, 275 populäre Irrtümer über Pflanzen und Tiere, 44 Irrtümer über das Judentum, Berliner populäre Irrtümer, Das Beste aus dem Lexikon der populären Irrtümer, Das neue Lexikon der Medizin-Irrtümer, Das neue Lexikon der populären Irrtümer, Die 10 Irrtümer der Globalisierungsgegner, Die 29 Irrtümer rund ums Geld, Die 50 größten Bio-Lügen! Die gängigsten Irrtümer rund um glückliche Kühe & gesunde Geschäfte, Die populärsten Fußball-Irrtümer, Eltern-Nachhilfe. Die häufigsten Irrtümer über Schule und Lernen, Fehler und Irrtümer in den Wissenschaften, Gesammelte Irrtümer 1-3, Irrtümer der Erdgeschichte, Kaum zu glauben! Die erstaunlichsten Lügen und Irrtümer, Lexikon der Irrtümer über Männer und Frauen... Aber damit genug - es gäbe noch viel mehr.
[2] Danzig, Anm. P. Amand
DAHLHAUS, Carl, EGGEBRECHRT, Hans H & OEHL, Kurt [Hrsg.] 1998: Brockhaus Riemann Musiklexikon in
4 Bänden und einem Ergänzungsband, Zürich
ROSENDORFER, Herbert: Don Ottavio erinnert sich. Unterhaltungen über die richtige Musik, hrsg. v.
Hanspeter Krellmann, Kassel/Basel 1989. U.a. mit Beiträgen über (1) Richard Strauss, (2) Rudi Stephan,
(3) Paul Hindemith, (4) Otto Jägermeier, (5) Peter Tschaikowsky und (6) Wilhelm Killmayer.