aus dem Museum der Sternwarte Kremsmünster
Jänner 2000
Foto: P. Amand Kraml
am 2001-08-29 um 13:04:29 MESZ
Foto: P. Amand Kraml
Vor einigen Jahren ist es gelungen, dieses Fenster wiederzufinden und es innen freizulegen.
Um diese im zweifachen Sinn so einleuchtenden Sonnenstandsbeobachtungen den Besuchern unseres
Turmes vor Augen führen zu können, wurde im Zuge der aktuellen Renovierungsarbeiten
die Meridianspalte wieder geöffnet. Es kann also in Zukunft bei freier Sonne zur lokalen
Mittagszeit der zu Beginn der astronomischen Forschungstätigkeit in Kremsmünster so
wichtige Sonnenfleck am Boden auf der Meridianlinie wieder beobachtet werden.
Die Messvorrichtung bestand in einer Eisenplatte am Fuß des Fensters des südlichen
Mauerquadranten. In der Eisenplatte ist eine Ausnehmung (ca. 40 x 60 mm), in die ein
Messingplättchen eingeschoben ist. Dieses Messingplättchen wiederum hat in der
Mitte ein Loch von etwa 5 mm Durchmesser. Zu diesem Sonnenloch in etwa 4 m Höhe gehört
auf dem Boden die Meridianlinie. Sie ist durch rote Marmor"-Platten besonders
gekennzeichnet. Über diesen Bodenstreifen war offensichtlich ein Draht genau in
Nord-Süd-Richtung gespannt. Die Ablesung des Sonnenstandes wurde an einer auf dem
Boden liegenden, verschiebbaren Platte gemacht.
Laut P. Bonifaz Schwarzenbrunner wurden am 21. Sept.
1806 wurde der Höchststand der Sonne zum ersten Mal
an einer untergelegten weissen Blechtafel
und an der darauf gezogenen Mittagslinie beobachtet, zuvor immer an der gespannten Schnur allein.
Die Fensteröffnung setzte sich außen in einem schmäleren Schlitz nach oben bis zum
Steingesims am Boden der Besucherterrasse fort. Ein später ins Gesims eingesetzter Stein zeigt
dies deutlich. Dieser Schlitz bot die Beobachtungsmöglichkeit für den ebenfalls an der
Meridianlinie gegen Mittag montierten südlichen Mauerquadranten.
Die oben wiedergegebene Bleistiftzeichnung stammt von
Johann Bapt. Illinger jun. und wurde für
Bernoullis Reisebeschreibung (1780) angefertigt. Sie zeigt deutlich die einfallenden
Sonnenstrahlen und den Sonnenfleck am Boden des Astronomischen Kabinetts.
Bereits P. Laurenz Doberschiz geht in seiner Beschreibung der Sternwarte von 1764 auf die Mittagslinie ein. Seine Einleitung zu den "Astronomica" sei hier eingefügt:
Unter Nr. 27 der Astronomica führt Doberschitz an:
27. 3 hölzerne Gestelle mit darauf gepickten Papierbögen, so man
in die Meridianlinie setzet, um damit das solstitium hyemale, und
aestivale, wie auch das aequinoctium zu observiren.
P. Laurenz Doberschiz kannte auch die Mittagslinie von Cassini in S. Petronio in Bologna aus eigener Anschauung. Auf seiner Romreise 1765 hat er sie gesehen und mit Dr.ssa Laura Bassi (1711-1778) - Professorin der Physik am Istituto delle Scienze - darüber gesprochen. Diese in mancherlei Hinsicht sehr aufschlussreiche Episode vom 24. September 1765 findet sich im Tagebuch seiner Romreise Iter Romanum.
DOBERSCHITZ, P. Laurenz 1764: Specula Cremifanensis, MS CCn 1048 (Herausgegeben von P. Amand Kraml
als Heft Nr. 40 der Berichte des Anselm Desing Vereins, Februar 1999)
DOBERSCHIZ, P. Laurenz 1765: Journal oder Tägliche Beschreibung iener Reise, welche in dem
Jahre 1765 den 4. Sept. nach Rom und den Berg Caßin mit Erlaubniß der Oberen angetretten,
und den 18. Nov. mit Gott auch glücklich vollendet hat P. L. D. P. C., CCn 299
FABIAN, Ilse, 1999: Wiederbelebung der Mittagslinie im Stift Kremsmünster, in: Rundschreiben
18/1999 Österreichischer Astronomischer Verein. Arbeitsgruppe Sonnenuhren - Gnomonicae
Societas Austriaca, 9-11
FIXLMILLNER, P. Placidus 1765: Meridianus Speculae Astronomicae Cremifanensis
seu Longitudo eius Geographica... Styrae
FIXLMILLNER, P. Placidus, 1780: Kurze Geschichte und Beschreibung der Sternwarte zu Kremsmünster,
1780 Nebst drey Kupferplatten, in: Bernoulli, Johann, Sammlung kurzer Reisebeschreibungen und anderer
zur Erweiterung der Länder- und Menschenkenntnis dienender Nachrichten, Jg. 1781, 4. Bd. 373-381
FIXLMILLNER, P. Placidus 1791: Acta Astronomica 1775-1791, Steyr
KRAML, P. Amand 1999: Anselm Desing und das Benediktinerstift Kremsmünster, in: Knedlik,
Manfred & Schrott, Georg (Hrsg.), Anselm Desing (1699-1772). Ein benediktinischer
Universalgelehrter im Zeitalter der Aufklärung, Kallmünz, 64-79 (und 391-397,
Katalogteil)
RANKL, P. Richard, Der Meridian von Kremsmünster, in: 78. Jahresbericht des
Obergymnasiums zu Kremsmünster, Linz 1928
SCHWAB, P. Franz +, 1995: Ein Sternwartebesuch im Jahre 1761. Auszug aus der Arbeit über
P. Eugen Dobler (hrsg. von P. Amand Kraml) in: Berichte des Anselm
Desing Vereins, Heft 28, Februar 1995, Kremsmünster, 24-28
SCHWARZENBRUNNER, P. Bonifaz 1827: Materialien zu einer Geschichte der Sternwarte und der Sammlungen in
derselben, MS, Archiv der Sternwarte.