Brief von P. Eugen Dobler an P. Anselm Desing über den Einsturz der Sternwarte Kremsmünster am 23. Mai 1755


Kremsmünster 25. Mai 1755

Ach was muß ich Ihnen anheute einberichten, ach eben das, was in dem beigelegten Zettel schlichthin aufgezeichnet zu sehen, es ist nämlich der vierte Teil unseres Turmes überhaufen gefallen. Die Sache hat sich folgendermassen zugetragen.

Den 22. Mai, als nach vollendeten Pfingstferien, da man wiederum anfangen wollte zu mauern, ecce da ersahen wir die alten Risse wiederum von neuem aufgerissen und zwar also, daß man allenthalben mit der Hand durchfahren konnte, es waren diese die nämlichen Risse, von denen ich vergangenen Frühling geschrieben und welche sich bei dero Gegenwart ganz ruhig gehalten, also zwar, daß Euer Hochw. Selbst geglaubt, selbe würden gar keinen Schaden bringen.

Der Maurer Leonhard laufte eilends in aller Früh zu mir und hinterbrachte mir diese traurige Zeitung und wollte daß ich es mit Augen einsehe, alles war beschäftigt mit Schließen zu ziehen und zu unterpölzen, aber alles vergebens. Man entdeckte, daß wirklich zwei Schließen abgesprengt. Ich wagte mich mit äußerster Lebensgefahr bis zu höchst des Turms und fand allenthalben traurige Zeichen eines gar bald erfolgenden Zerfalls. Ich laufte auf und ab und erinnerte die Leute, daß sie sich sollten davon machen, um sich zu salvieren, weil es gleichsam von Minute zu Minute zu brechen beginnete. Sie arbeiteten dessenungeachtet Tag und Nacht fort, bis man endlich nachts um halb 6 Uhr nochmals das Blei anhenkte und vermerkte, daß der Pfeiler des Vorsprungs, worinnen der Rauchfang gewesen, wie auch der Turmpfeiler mehr als einen halben Schuch hinaus gegen den Bocksbrunnen hange, worauf dann alles davongelaufen und Gott befohlen wurde. Am Freitag zu nachts um drei viertel auf 10 Uhr saß ich bei meinem Schreibtisch und erwartete den ferneren Ausgang und siehe in einem Augenblick geschah ein so grausames Geprassel und donnern, daß man allenthalben geglaubt, ein entsetzliches Donnerwetter am Himmel zu sein. Ich wußte aber gleich, was es bedeute und lief eilends zum H. P. Schaffner mit Vermelden, der Turn wäre schon wirklich zusammengefallen. Als er es nicht glauben wollte, führte ich ihn in den Garten und da sahen wir das traurige Spektakel mit größtem Leidwesen an.

Der Turmpfeiler drückte so heftig hinaus, daß der Vorsprung notwendig hat weichen müssen bis an einen Eckpfeiler mit a bezeichnet und auch die daran gehenkte Mauer mit sich hat reißen müssen. Fast alle Stiegen waren zerschlagen bis an die Schneckenstiegen, als dessen Pfeiler wie auch der Laternenpfeiler sein bis dato unbeschädigt erfunden worden.

Es hat ein recht erbärmliches Aussehen und gleicht es einem alten zerfallenen Schloß. Die eisernen Schließen hangen da als wie die Strick, alles Gerüst, alles Holzwerk auf der angezeigten Seite, teils gegen den Draxler teils gegen den Bocksbrunnen lieget auf einem Haufen zum Boden und wird innerhalb einem Monat kaum können ausgeräumt werden. Gegen den Konvent, Apothekergarten wie auch gegen den Markt sieht man nichts von diesem gräulichen Ruin, wohl aber auf Seite des Bocksbrunnens.

In eben der nämlichen Nacht um 12 Uhr darauf fiel auch die Gartenmauer beim Tuffsteinbruch zuboden und bleibt mir und allen Arbeitsleuten nichts bevor als Gott unendlichen Dank zu sagen, daß dieser Unglücksfall zur Nachtszeit geschehen, ohne eines Menschen Verletzung. Mit all diesem zeiget sich S. Exzellenz ganz gelassen und gleichgiltig, ja ließe sich zu mir verlauten, nun wäre unsere Freude in Brunn gefallen und gedenket er nichts anderes als wiederum aufzubauen und das übrige der göttlichen Heimsuchung und Schickung zu überlassen.

Jetzt ist ein guter Rat theuer, jetzt hätten wir beide Materie genug, uns über verschiedenes zu beratschlagen, allein Euer Hochwürden weichen von mir und ich werde bald nachfolgen, massen der Herr Jahner kommet zu Ende dieses Monats nach Kremsmünster, wo wir dann unsere Reise antreten. Bitte also St. Emeram nicht zu vergessen.

Die ganze Ursach dieses so greulichen Ruins liegt am Tag und ist keine andere als die schlechte Arbeit im Mauern, wie es der Meister Wolf von selbsten offen gestehet und sich alle Schuld beimißt, mass jederman klar sehen kann, wie schlecht die eingefallene Turmmauer aufgeführt und wie liederlich die Verbindungen der ungeschickten Steine beobachtet worden, alsozwar daß es notwendig jetzt oder ein andersmal hätte zusammenfallen müssen. Nur ist es zu wünschen, daß die übrige gut scheinende Mauer nicht eben so schlecht sei als diese gewesen, folglich auf kurz oder lang einiger Schaden zu befürchten wäre, welches Gott abwehren wolle. Mit einem Wort, der Wolf gesteht, daß im selbigen Jahr, als seine Söhne zu Wien gearbeitet, in Kremsmünster schlecht wäre gebaut worden. Vielleicht gibt es noch andere Ursach, so wohl von Seiten der Witterung, als auch des Fundaments, welches uns aber bis dato noch unbekannt.

Der Herr Brander hat nun einen Überschlag von wegen des 14schuhigen Quadranten überschrieben und selben bis 15 hundert Gulden hinaufgetrieben, welches ja zu viel scheinet; vielleicht habe ich bald Gelegenheit, selbst mit ihm zu sprechen.

Der ich mich indessen höflichst empfehle und verbleibe

humillimus servus P. Eugenius


Die Originalwiedergabe der Zeichnung von P. Eugen Dobler findet sich auch in Klamt, S. 19.

Quellen und Literatur:

Schwab, P. Franz, 1909: Abschriften der Briefe an Desing in der Bayerischen Staatsbibliothek, MS. (Archiv der Sternwarte Kremsmünster)

Siehe jetzt auch:
Klamt, Johann-Christian, 1999: Sternwarte und Museum im Zeitalter der Aufklärung. Der Mathematische Turm zu Kremsmünster (1749-1758), Mainz


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